06.03.2019 Aufrufe

ADAC Motorwelt März 2019

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

SICHER & MOBIL<br />

„Fahrverbote ständig überprüfen“<br />

<strong>ADAC</strong> Chef-Jurist Christian Reinicke über die Grenzwert-Diskussion für Fahrverbote,<br />

ungenaue Messungen und die Wut der Dieselfahrer auf die Politik<br />

Klare Kante: <strong>ADAC</strong> Generalsyndikus Christian Reinicke im <strong>Motorwelt</strong>-Interview<br />

Der Stickstoffdioxid-Grenzwert von<br />

40 mg ist umstritten, die EU erklärte<br />

gerade, Fahrverbote seien bei geringen<br />

Überschreitungen nicht erforderlich.<br />

Was heißt das für die Autofahrer?<br />

Diese Klarstellung durch die EU begrüßen<br />

wir. Die Grenzwerte beruhen auf<br />

zehn Jahre alten Vorgaben, von ihnen<br />

hängt alles ab. Deshalb müssen sie über<br />

jeden Zweifel erhaben und der politischen<br />

Diskussion entzogen sein. Die aktuelle<br />

Debatte sollte Anlass sein, sie zu<br />

überprüfen und ihre Akzeptanz wieder<br />

herzustellen. Denn die ist nicht gegeben.<br />

Auch über die korrekte Aufstellung der<br />

Messstationen wird immer wieder<br />

diskutiert. Sind die Regeln genau genug?<br />

Die Position dieser Stationen entscheidet<br />

über die Messergebnisse. Ein paar Meter<br />

hin oder her können zu signifikanten<br />

Veränderungen führen. Die geltenden<br />

Vorgaben lassen, auch aus Sicht des Deutschen<br />

Verkehrsgerichtstags in Goslar, zu<br />

viele Freiheiten. Dort wurden genauere<br />

Regeln gefordert, damit in der EU gleichmäßig<br />

gemessen wird. Nur so können die<br />

Zweifel an Kontrollen beseitigt werden.<br />

Können auf dieser ungenauen Basis<br />

Fahrverbote verhängt werden?<br />

Aus rein juristischer Sicht schon – solange<br />

die geltenden EU-Vorgaben eingehal-<br />

Dieselkrisengebiet: Messstation für<br />

Luftqualität am Stuttgarter Neckartor<br />

ten werden. Aber angesichts der einschneidenden<br />

Folgen von Fahrverboten<br />

sollten die Gerichte die uneinheitliche<br />

Aufstellung und die daraus folgenden<br />

Ungenauigkeiten in Betracht ziehen.<br />

Müssen die Fahrverbote also nochmals<br />

überprüft werden?<br />

Die Gerichte sind an den EU-Grenzwert<br />

gebunden. Und den Kommunen bleibt<br />

nach entsprechenden Urteilen nichts<br />

anderes übrig, als Fahrverbote zu verhängen.<br />

Aber der Verkehrsgerichtstag hat<br />

festgehalten, dass sie nur das letzte Mittel<br />

sein können. Wenn es Zweifel an der<br />

Aufstellung der Stationen gibt, müssen<br />

die Gerichte Nachmessungen fordern.<br />

Sollten Fahrverbote zeitlich befristet<br />

angeordnet werden?<br />

Ja. Sie müssen regelmäßig überprüft werden,<br />

um Dieselfahrer nicht zu benachteiligen.<br />

Außerdem sind alle Möglichkeiten<br />

auszuschöpfen, um die Luft besser zu<br />

machen. Das ist nicht überall geschehen.<br />

Welche Maßnahmen sind das?<br />

Wir brauchen einen attraktiveren ÖPNV,<br />

Hardware-Nachrüstungen, wo sie sinnvoll<br />

sind, und eine bessere Verkehrsführung.<br />

Die fordert der <strong>ADAC</strong> seit Jahren.<br />

Stau ist schlecht für die Luft.<br />

Können Sie die Wut der von Fahrverboten<br />

betroffenen Dieselfahrer verstehen?<br />

Absolut. Niemandem ist begreiflich zu<br />

machen, warum er mit einem Fahrzeug,<br />

das zum Kaufzeitpunkt allen gesetzlichen<br />

Normen entsprach, nicht mehr in<br />

die Stadt fahren darf. Die Verantwortlichen<br />

in Autoindustrie und Politik sollten<br />

zugeben, dass sie Fehler gemacht haben.<br />

Und endlich eine Lösung erarbeiten, die<br />

dem Umweltschutz und der individuellen<br />

Mobilität dient.<br />

Interview: Christof Henn, Thomas Paulsen<br />

Fotos: <strong>ADAC</strong>/Peter Neusser, dpa Picture-Alliance/Bernd Weissbrod<br />

36 <strong>ADAC</strong> motorwelt 3/<strong>2019</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!