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*<br />
POLITIK<br />
MEINE<br />
MEINUNG<br />
Von<br />
Matthias<br />
Koch<br />
Wo ist Britannias<br />
Stolz geblieben?<br />
Der EU-Austritt Großbritanniens<br />
darfalso verschoben<br />
werden. Um ein paar<br />
Wochen. Wie es weitergeht?<br />
Darauf hat Theresa May nach<br />
wie vor keine Antwort. May<br />
ist die Premierministerin,<br />
unter deren Ägide Großbritannien<br />
sich selbst verlor. Wo<br />
ist der Stolz geblieben, die<br />
Selbstachtung,der „gesunde<br />
Menschenverstand“ einer<br />
Nation, die als Musterland<br />
der Demokratie galt? May<br />
führt seit Monaten vor, wie<br />
Demokratie gerade nicht<br />
geht: Demokratische Kultur<br />
erschöpft sich nicht darin,<br />
dass eineknappe Mehrheit<br />
einer knappen Minderheit<br />
zeigt, was eineHarke ist.<br />
Demokratie muss immer<br />
auch jene integrieren, die gerade<br />
nicht die Mehrheit haben.<br />
May hätte sich vomersten<br />
Tag an vielstärkerauch<br />
um jene 48 Prozentkümmern<br />
müssen, die für den Verbleib<br />
in der EU waren. Stattdessen<br />
griff sie zurBrechstange und<br />
setzte den Austrittsmechanismus<br />
in Gang. Seither erlebt<br />
London nurimmer neue<br />
populistische Machtproben.<br />
Ergebnis: Das Land istzerrissenwie<br />
nie seit Kriegsende.<br />
Es muss dringend zur Besinnung<br />
kommen. Das Klügste,<br />
was May jetzttun kann, wäre,<br />
endlich zurückzutreten.<br />
MANN DESTAGES<br />
Winston Peters<br />
Klare Worte gegen Terror –<br />
aber auch gegen dessen Instrumentalisierung:<br />
Neuseelands<br />
Außenminister Winston<br />
Peters hat<br />
nach den<br />
Moscheeangriffen<br />
von Christchurch<br />
bei<br />
einer Debatte<br />
zum Thema<br />
Islamfeindlichkeit<br />
in Istanbul<br />
die Offenheit<br />
seines Landes betont:„Die<br />
Ansichten der Extremisten<br />
sind nicht unsere.“ Er wandte<br />
sich damit auchgegen Präsident<br />
Erdogan, der den Anschlag<br />
von Christchurch im<br />
Wahlkampf verwendet hatte.<br />
Foto: Hagen Hopkins/Getty<br />
Foto: Frank Augstein/AP/dpa<br />
Theresa May Der letzte<br />
Brexit-Countdown läuft<br />
Nachdem Brexit-Gipfelvon Brüsselist der Handlungsspielraum für die Premierministerin geringer<br />
Brüssel/Berlin – Sie hatte um<br />
einen Aufschub bis Juni gebeten.<br />
Bekommen hat sie gerade<br />
mal zwei Wochen: Der<br />
britischen Premierministerin<br />
Theresa May bleibt nur<br />
noch sehr wenig Zeit, um<br />
einen Chaos-Brexit zu verhindern.<br />
Aus der Wirtschaft<br />
kommen erneut Mahnungen.<br />
Welche Möglichkeiten gibt es<br />
jetzt noch?<br />
Option 1: Nein zu Mays Deal,<br />
neue Frist 12. April<br />
Wenn das Unterhaus den bereits<br />
im November ausgehandelten<br />
Deal in der nächsten<br />
Woche auch in einer dritten<br />
Abstimmung nicht annimmt,<br />
muss Großbritannien bis zum<br />
12. April erklären, wie es weitergehen<br />
soll. Zu dem ursprünglich<br />
geplanten Austritt<br />
am 29. März kommt es auf keinen<br />
Fall. Die EU müsste diesem<br />
britischen Plan dann auf<br />
einem vorher einberufenen<br />
Sondergipfel zustimmen.<br />
Denkbar wäre, dass London<br />
eine weitere Verschiebung um<br />
mehrere Monate beantragt,<br />
beispielsweise verknüpft<br />
mit einer Neuwahl oder<br />
einem zweiten Referendum.<br />
Passiert dies<br />
nicht, tritt Großbritannien<br />
am 12. April<br />
ohne Regelung aus.<br />
Option 2: Ja zu<br />
Mays Deal, geordneter Brexit<br />
am 22. Mai<br />
Wenn das Unterhaus das EU-<br />
Austrittsabkommen annimmt,<br />
gibt es einen geregelten Brexit<br />
am 22. Mai. So hätten die Briten<br />
genügend Zeit, die Regeln im<br />
Austrittsabkommen in nationales<br />
Recht umzusetzen.Großbritannien<br />
wäre dann noch bis<br />
„Das lässt sich nicht schönreden“<br />
Metin Hakverdi ist Berichterstatter<br />
der SPD-Bundestagsfraktionfür<br />
den Brexit.<br />
Herr Hakverdi, sind Sie inzwischen<br />
vomBrexit angenervt?<br />
Dasist das falsche Wort.Aber ich<br />
reagiere wie die meisten wohl auch:<br />
mit häufigem, ungläubigem Kopfschütteln.<br />
Der SPD-<br />
Abgeordnete<br />
Metin Hakverdi.<br />
Foto: Achim Melde/ bundestag.de<br />
Sind wir gut vorbereitet?<br />
Der Bundestaghat<br />
viele Gesetze verabschiedet,<br />
damit Deutsche auf der Insel auch<br />
bei einem „No Deal“ –leider inzwischen<br />
am wahrscheinlichsten–weiter<br />
ihre Rente bekommen oder zum<br />
Arzt gehen können.<br />
Die EU hat sich jetzt klar positioniert.<br />
Wardas schon dasletzte Wort<br />
aus Brüssel?<br />
Nein! Es kann erst gesprochen werden,<br />
wenn wir wissen, was London<br />
will. Dasist noch immer nichtder<br />
Fall. Ich denke, nach dem 12. April<br />
werden wir diesbezüglich schlauer<br />
sein.<br />
Wie hartwürde die Wirtschaft ein<br />
ungeregelter Brexit treffen?<br />
„Die Wirtschaft“ bedeutet ja vor allem:<br />
britische und deutsche Arbeitsplätze.<br />
Ein „No Deal“ würde uns<br />
sehr viel Wachstum kosten. Das<br />
lässt sich nichtschönreden. Aber<br />
die Welt dreht sich trotzdem weiter.<br />
Keine guten<br />
Aussichten: Theresa<br />
Mayauf dem EU-<br />
Gipfel.<br />
Ende 2020 Teil der Zollunion<br />
und des EU-Binnenmarktes.<br />
Der 22. Mai ist mit Bedacht<br />
ausgewählt. Am Tag danach<br />
startet die Europawahl. Allerdings:<br />
Beobachter halten dieses<br />
Szenario für unwahrscheinlich.<br />
Auch, weilMay vor<br />
ihrer Abreise nach Brüssel am<br />
Donnerstag öffentlich die Abgeordneten<br />
des Unterhauses<br />
scharf für dieverfahrene Situation<br />
verantwortlich machte.<br />
Option 3: Briten ziehen Austrittsantrag<br />
zurück<br />
Kein Ergebnis der Verhandlungen<br />
am Donnerstag, dennoch<br />
eine Option: Großbritannien<br />
kann den Austrittsantrag jederzeit<br />
zurückziehen. Der Europäische<br />
Gerichtshof hat das im Dezember<br />
bestätigt. Dazu braucht<br />
es nicht die Zustimmung der anderen<br />
27 EU-Staaten. Das Vereinigte<br />
Königreich muss dann<br />
entscheiden, ob es wieder ein<br />
Austrittsverfahren beginnt oder<br />
doch nicht austritt. Das wäre etwa<br />
bei Neuwahlen oder einem<br />
zweiten Referendum möglich.<br />
Aus der deutschen Wirtschaft<br />
reißen die Warnungen<br />
vor einem ungeregelten Brexit<br />
unterdessen nicht ab. Die<br />
Milchbauern fürchten bei<br />
einem ungeregelten Brexit<br />
deutlich schlimmere Folgen als<br />
nach dem Einfuhrembargo<br />
Russlands gegen westliche Lebensmittel,<br />
wie ihr Verbandschef<br />
Peter Stahl erklärte. Andere<br />
Industrieverbände hatten<br />
sich zuvor ähnlich geäußert.<br />
Immerhin: In Großbritannien<br />
formiert sich der Widerstand<br />
gegen den ungeregelten<br />
Brexit. Eine entsprechende<br />
Onlinepetition haben inzwischen<br />
mehr als drei Millionen<br />
Briten unterzeichnet.