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Berliner Kurier 23.03.2019

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*<br />

POLITIK<br />

MEINE<br />

MEINUNG<br />

Von<br />

Matthias<br />

Koch<br />

Wo ist Britannias<br />

Stolz geblieben?<br />

Der EU-Austritt Großbritanniens<br />

darfalso verschoben<br />

werden. Um ein paar<br />

Wochen. Wie es weitergeht?<br />

Darauf hat Theresa May nach<br />

wie vor keine Antwort. May<br />

ist die Premierministerin,<br />

unter deren Ägide Großbritannien<br />

sich selbst verlor. Wo<br />

ist der Stolz geblieben, die<br />

Selbstachtung,der „gesunde<br />

Menschenverstand“ einer<br />

Nation, die als Musterland<br />

der Demokratie galt? May<br />

führt seit Monaten vor, wie<br />

Demokratie gerade nicht<br />

geht: Demokratische Kultur<br />

erschöpft sich nicht darin,<br />

dass eineknappe Mehrheit<br />

einer knappen Minderheit<br />

zeigt, was eineHarke ist.<br />

Demokratie muss immer<br />

auch jene integrieren, die gerade<br />

nicht die Mehrheit haben.<br />

May hätte sich vomersten<br />

Tag an vielstärkerauch<br />

um jene 48 Prozentkümmern<br />

müssen, die für den Verbleib<br />

in der EU waren. Stattdessen<br />

griff sie zurBrechstange und<br />

setzte den Austrittsmechanismus<br />

in Gang. Seither erlebt<br />

London nurimmer neue<br />

populistische Machtproben.<br />

Ergebnis: Das Land istzerrissenwie<br />

nie seit Kriegsende.<br />

Es muss dringend zur Besinnung<br />

kommen. Das Klügste,<br />

was May jetzttun kann, wäre,<br />

endlich zurückzutreten.<br />

MANN DESTAGES<br />

Winston Peters<br />

Klare Worte gegen Terror –<br />

aber auch gegen dessen Instrumentalisierung:<br />

Neuseelands<br />

Außenminister Winston<br />

Peters hat<br />

nach den<br />

Moscheeangriffen<br />

von Christchurch<br />

bei<br />

einer Debatte<br />

zum Thema<br />

Islamfeindlichkeit<br />

in Istanbul<br />

die Offenheit<br />

seines Landes betont:„Die<br />

Ansichten der Extremisten<br />

sind nicht unsere.“ Er wandte<br />

sich damit auchgegen Präsident<br />

Erdogan, der den Anschlag<br />

von Christchurch im<br />

Wahlkampf verwendet hatte.<br />

Foto: Hagen Hopkins/Getty<br />

Foto: Frank Augstein/AP/dpa<br />

Theresa May Der letzte<br />

Brexit-Countdown läuft<br />

Nachdem Brexit-Gipfelvon Brüsselist der Handlungsspielraum für die Premierministerin geringer<br />

Brüssel/Berlin – Sie hatte um<br />

einen Aufschub bis Juni gebeten.<br />

Bekommen hat sie gerade<br />

mal zwei Wochen: Der<br />

britischen Premierministerin<br />

Theresa May bleibt nur<br />

noch sehr wenig Zeit, um<br />

einen Chaos-Brexit zu verhindern.<br />

Aus der Wirtschaft<br />

kommen erneut Mahnungen.<br />

Welche Möglichkeiten gibt es<br />

jetzt noch?<br />

Option 1: Nein zu Mays Deal,<br />

neue Frist 12. April<br />

Wenn das Unterhaus den bereits<br />

im November ausgehandelten<br />

Deal in der nächsten<br />

Woche auch in einer dritten<br />

Abstimmung nicht annimmt,<br />

muss Großbritannien bis zum<br />

12. April erklären, wie es weitergehen<br />

soll. Zu dem ursprünglich<br />

geplanten Austritt<br />

am 29. März kommt es auf keinen<br />

Fall. Die EU müsste diesem<br />

britischen Plan dann auf<br />

einem vorher einberufenen<br />

Sondergipfel zustimmen.<br />

Denkbar wäre, dass London<br />

eine weitere Verschiebung um<br />

mehrere Monate beantragt,<br />

beispielsweise verknüpft<br />

mit einer Neuwahl oder<br />

einem zweiten Referendum.<br />

Passiert dies<br />

nicht, tritt Großbritannien<br />

am 12. April<br />

ohne Regelung aus.<br />

Option 2: Ja zu<br />

Mays Deal, geordneter Brexit<br />

am 22. Mai<br />

Wenn das Unterhaus das EU-<br />

Austrittsabkommen annimmt,<br />

gibt es einen geregelten Brexit<br />

am 22. Mai. So hätten die Briten<br />

genügend Zeit, die Regeln im<br />

Austrittsabkommen in nationales<br />

Recht umzusetzen.Großbritannien<br />

wäre dann noch bis<br />

„Das lässt sich nicht schönreden“<br />

Metin Hakverdi ist Berichterstatter<br />

der SPD-Bundestagsfraktionfür<br />

den Brexit.<br />

Herr Hakverdi, sind Sie inzwischen<br />

vomBrexit angenervt?<br />

Dasist das falsche Wort.Aber ich<br />

reagiere wie die meisten wohl auch:<br />

mit häufigem, ungläubigem Kopfschütteln.<br />

Der SPD-<br />

Abgeordnete<br />

Metin Hakverdi.<br />

Foto: Achim Melde/ bundestag.de<br />

Sind wir gut vorbereitet?<br />

Der Bundestaghat<br />

viele Gesetze verabschiedet,<br />

damit Deutsche auf der Insel auch<br />

bei einem „No Deal“ –leider inzwischen<br />

am wahrscheinlichsten–weiter<br />

ihre Rente bekommen oder zum<br />

Arzt gehen können.<br />

Die EU hat sich jetzt klar positioniert.<br />

Wardas schon dasletzte Wort<br />

aus Brüssel?<br />

Nein! Es kann erst gesprochen werden,<br />

wenn wir wissen, was London<br />

will. Dasist noch immer nichtder<br />

Fall. Ich denke, nach dem 12. April<br />

werden wir diesbezüglich schlauer<br />

sein.<br />

Wie hartwürde die Wirtschaft ein<br />

ungeregelter Brexit treffen?<br />

„Die Wirtschaft“ bedeutet ja vor allem:<br />

britische und deutsche Arbeitsplätze.<br />

Ein „No Deal“ würde uns<br />

sehr viel Wachstum kosten. Das<br />

lässt sich nichtschönreden. Aber<br />

die Welt dreht sich trotzdem weiter.<br />

Keine guten<br />

Aussichten: Theresa<br />

Mayauf dem EU-<br />

Gipfel.<br />

Ende 2020 Teil der Zollunion<br />

und des EU-Binnenmarktes.<br />

Der 22. Mai ist mit Bedacht<br />

ausgewählt. Am Tag danach<br />

startet die Europawahl. Allerdings:<br />

Beobachter halten dieses<br />

Szenario für unwahrscheinlich.<br />

Auch, weilMay vor<br />

ihrer Abreise nach Brüssel am<br />

Donnerstag öffentlich die Abgeordneten<br />

des Unterhauses<br />

scharf für dieverfahrene Situation<br />

verantwortlich machte.<br />

Option 3: Briten ziehen Austrittsantrag<br />

zurück<br />

Kein Ergebnis der Verhandlungen<br />

am Donnerstag, dennoch<br />

eine Option: Großbritannien<br />

kann den Austrittsantrag jederzeit<br />

zurückziehen. Der Europäische<br />

Gerichtshof hat das im Dezember<br />

bestätigt. Dazu braucht<br />

es nicht die Zustimmung der anderen<br />

27 EU-Staaten. Das Vereinigte<br />

Königreich muss dann<br />

entscheiden, ob es wieder ein<br />

Austrittsverfahren beginnt oder<br />

doch nicht austritt. Das wäre etwa<br />

bei Neuwahlen oder einem<br />

zweiten Referendum möglich.<br />

Aus der deutschen Wirtschaft<br />

reißen die Warnungen<br />

vor einem ungeregelten Brexit<br />

unterdessen nicht ab. Die<br />

Milchbauern fürchten bei<br />

einem ungeregelten Brexit<br />

deutlich schlimmere Folgen als<br />

nach dem Einfuhrembargo<br />

Russlands gegen westliche Lebensmittel,<br />

wie ihr Verbandschef<br />

Peter Stahl erklärte. Andere<br />

Industrieverbände hatten<br />

sich zuvor ähnlich geäußert.<br />

Immerhin: In Großbritannien<br />

formiert sich der Widerstand<br />

gegen den ungeregelten<br />

Brexit. Eine entsprechende<br />

Onlinepetition haben inzwischen<br />

mehr als drei Millionen<br />

Briten unterzeichnet.

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