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Das Erbe

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<strong>Das</strong> <strong>Erbe</strong> – Aktionsforschung im lokalen Aushandlungsfeld von Wertschätzung, Sinn und Bedeutung<br />

Als wir uns um kurz vor 16:00 Uhr – für diesen Zeitpunkt haben wir uns mit dem ersten Interviewpartner<br />

vereinbart – dem Anwesen nähern, sehen wir den etwa 60jährigen Mann, wie<br />

er ums Haus geht und in die Fenster schaut. „Worom hend ihr me herbschdellt?“, fragt er<br />

Sabine, als sie ihm die Hand gibt. Sie hatte ihm vor einiger<br />

Zeit einen Zettel mit dem Interviewwunsch und<br />

unserem Wunschtermin in den Briefkasten seiner Pfullinger<br />

Wohnung geworfen, weil er telefonisch nicht zu<br />

erreichen war. Der ausgebildete Elektriker hatte Peter<br />

Kramer unter anderem bei der Verlegung von Stromleitungen<br />

in seinem alten Bauernhaus geholfen, stand ihm<br />

aber auch als Helfer für viele seiner Arbeitsprojekte zur Verfügung. Offenbar nicht zuletzt<br />

auch, weil der Mann seit längerer Zeit erwerbslos ist, konnte er sich hier recht häufig einbringen.<br />

Heute allerdings kommt unser Interviewpartner stark angetrunken zum verabredeten Termin,<br />

so dass wir uns ohne Interview wieder voneinander verabschieden und er geht nach Hause –<br />

Und dennoch ist er gekommen, denke ich, und er sagte: „Warum habt ihr mich herbestellt?“.<br />

Auf mich wirkt das wie eine Unterordnung von ihm uns gegenüber. Könnte das auch auf bestimmtes<br />

Hierarchieverhältnisses zwischen Sabine Kramers Vater und dem Mann hinweisen?<br />

Sie bestätigt die Annahme, dass Peter ganz klar der Chef war, betont aber, dass ihr Vater seinen<br />

Mit-Schaffer nicht ausgenützt habe.<br />

Mich erinnert die Begebenheit daran, dass Peter Kramer schon mehrfach als jemand beschrieben<br />

worden war, der in seinem Wirkungsbereich alleine bestimmt habe und sich offenbar<br />

nicht dreinreden lassen wollte. Welche Rolle spielte der Machtaspekt bei der Herstellung von<br />

Wertschätzung für sein „Schaffwerk“?<br />

Unser nächster Interviewpartner, der rund 70jährige Bergwachtfreund von Peter Kramer − er<br />

ist mir bereits von der Trauerfeier bekannt − sagt im Verlauf unseres Gespräches etwas, das<br />

mir auf einen Zusammenhang von Macht und Wertschätzung zu verweisen scheint. Als ich<br />

ihn frage, ob es Peter interessierte, was die Leute über ihn dachten, verneint er das und fügt<br />

hinzu: „De Peter ischd über de Leid gschdanda 31 “, er sei niemandem unterlegen gewesen,<br />

„en koiner Beziehung“ – niemandem unterlegen zu sein, also Macht zu haben, scheint also<br />

eine Möglichkeit zu sein, sich von Werturteilungen Anderer unabhängig(er) zu machen.<br />

Peter Kramers Bergwachtfreund ist in Pfullingen aufgewachsen und Maschinenschlosser von<br />

Beruf. Peter Kramer hat er schon seit Jahrzehnten gekannt – „des goht weit zrick“, sagt er. Im<br />

Interview erzählt er unter anderem, wie er mit Peter nach dem Kauf des alten Bauernhauses<br />

das Dach in Ordnung brachte und er berichtet von Sammeltouren, wenn er mit Peter unterwegs<br />

war und sie Hufeisen, alte Schlittenkufen, die alten Fenster vom „Mädlesschualhaus“<br />

oder andere Dinge mehr zur Weiterverarbeitung ins „Schaffwerk“ brachten. Dabei geschah<br />

das eine oder andere auch heimlich. Ich notiere an den entsprechenden Gesprächsstellen den<br />

Begriff „Männer-Abenteuer-Touren“ − Diese Unternehmungen mit Peter, von denen offenbar<br />

nicht in jedem Fall alle zu wissen brauchten, hat der ehemalige Maschinenschlosser offenbar<br />

● ● ●<br />

„Er hat immer geschaut, was dahinter steckt“<br />

● ● ●<br />

● ● ●<br />

Welche Rolle spielte der<br />

Machtaspekt?<br />

● ● ●<br />

sehr geschätzt.<br />

Als ich ihn frage, was fehle,<br />

seit Peter Kramer nicht mehr<br />

da ist, sagt er: „Do fählt äbbes.<br />

Dr Peder fählt, no isch alles<br />

31 Dieses und die nachfolgenden Zitate aus dem Interview stammen aus dem Videointerview 7.3.11/1<br />

23

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