Das Erbe
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<strong>Das</strong> <strong>Erbe</strong> – Aktionsforschung im lokalen Aushandlungsfeld von Wertschätzung, Sinn und Bedeutung<br />
mers Werk schätzen ist es offenbar auch Zeichen von Geringschätzung, wenn die Einzigartigkeit<br />
von „Schaffwerk“ und Schaffer nicht angemessen gewürdigt wurden bzw. werden. −<br />
Wenn Schaffer bzw. „Schaffwerk“ für austauschbar gehalten werden, dann empfinden das die<br />
Wertschätzenden als Zeichen mangelnder Wertschätzung: „Ach so oin wie da Peter griegt mr<br />
glei wieder“ 46 , habe eine bestimmte Person mit Einfluss einmal gesagt, so berichtete beispielsweise<br />
der Geschichtslehrer über eine Abwertungserfahrung von Peter Kramer. Für die<br />
wertschätzenden Befragten sind weder Person noch Werk austauschbar. Die Tochter und die<br />
anderen befragten Menschen aus dem Umfeld, die anerkennend auf das „Schaffwerk“ schauen<br />
verbindet, dass sie das Besondere und eben nicht Austauschbare hervorheben. Wohl deshalb<br />
ist für sie das „Schaffwerk“ auch nicht mit den Prinzipien der Warenwirtschaft vereinbar,<br />
wo ja austauschbare Dinge gegen Geld und Geld gegen andere austauschbare Dinge getauscht<br />
werden. <strong>Das</strong> „Schaffwerk“ kann aus Sicht der wertschätzenden Befragten nicht einfach verkauft<br />
werden, weil für sie nicht der Tauschwert auf dem Markt, sondern der „unschätzbare<br />
Wert“ des einzigartigen „Schaffwerks“ maßgeblich“ ist. Diese Anerkennung des Einzigartigen,<br />
des Besonderen, ist genau das, was der Philosoph Axel Honneth unter Wertschätzung<br />
versteht:<br />
„Bei der Wertschätzung geht es ja darum, einem Anderen über die Anerkennung als ein anderes<br />
autonomes Subjekt hinaus einen Mehrwert zu geben, aufgrund bestimmter Eigenschaften<br />
oder Leistungen, die er anderen voraushat. Bei der Wertschätzung geht es also nicht um die<br />
Anerkennung unter Gleichen, sondern um die Anerkennung eines Besonderen.“ (Honneth<br />
2010).<br />
5.2.2 Kriterium − Einschätzungen des Beitrags zur Wohlfahrt<br />
Als ich im Straßeninterview den Postboten fragte, wer sich denn aus seiner Sicht für so ein<br />
Haus interessieren könne, sagte er: „Leut, die a bissle, ja was, klar, a bissle was mit Kunscht<br />
oder einfach, oder, ja – an dieser Stelle brach er seinen angefangenen Satz ab. Es schien ihm<br />
leichter zu fallen, die Gruppe derjenigen zu beschreiben, die sich weniger dafür interessieren.<br />
So fährt er fort mit den Worten: „Also jüngere Leute, die so voll im Berufsleben schtehn −<br />
denk ich mol – weniger. Die hen gar koi Zeit für so was (lachen)“ 47 .<br />
Tatsächlich sprechen die Erfahrungen in unserem Erkundungsprojekt dafür, dass Menschen,<br />
die diesem Haus besonderes Interesse schenken, solche sind, die Zeit haben bzw. sich Zeit<br />
nehmen. Sie nehmen sich beispielsweise Zeit, weil sie Peter Kramer bzw. seiner Tochter persönlich<br />
verbunden sind bzw. weil sie sich für die „Kunst“ des „Schaffwerks“ interessieren,<br />
weil das „Sich-Zeit-Nehmen“ ihnen viel bedeutet oder sie haben Zeit, weil sie eben nicht voll<br />
im Berufsleben stehen − viele ältere Leute in Pfullingen signalisierten Interesse. Es sind vor<br />
allem die Menschen ab 60 aufwärts, so meinte es die Sammlerin, die Peter Kramer hier kannten,<br />
für die er eine lokale „Legende“ 48 gewesen sei, wie sie sich ausdrückte. Es scheint bestimmte<br />
Personengruppen zu geben, die den besonderen Beitrag Peter Kramers zu ihrem persönlichen<br />
Wohl oder zum Gemeinwohl besonders schätzen und es wurden bestimmte Aspekte<br />
erkennbar, die an seinem „Schaffwerk“ besonders geschätzt werden.<br />
„Estimiert würden wir sagen“ − Wertschätzung der Sorgearbeit für entwertete Werte<br />
Eine Gemeinsamkeit fast aller befragten Personen aus dem wertschätzenden Umfeld des<br />
„Schaffwerks“ ist es, dass sie den Beitrag Peter Kramers für dessen Sorge um solche Werte<br />
thematisierten, die durch momentane gesellschaftliche Modernisierungsprozesse entwertet<br />
46 Videodokument 27.1.11<br />
47 Videodokument 30.5.11<br />
48 Videodokument 27.7.11<br />
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