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Das Erbe

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<strong>Das</strong> <strong>Erbe</strong> – Aktionsforschung im lokalen Aushandlungsfeld von Wertschätzung, Sinn und Bedeutung<br />

<strong>Das</strong> Schaffen von Peter Kramer fand in dessen Heimatmilieu keine ungeteilte Anerkennung.<br />

Aber „wo er amol sein Sinn gfonda hot, no war ihm des egal.“, sagte Peters Freund, der Geschichtslehrer<br />

70 .<br />

Der persönliche Sinn, den das „Schaffwerk“ für seinen Schaffer möglicherweise stiftete und<br />

dessen Entdeckung − wie es unser Interviewpartner meinte − diesen unabhängiger von der<br />

Anerkennung seines Umgebungsmilieus gemacht habe spricht die Frage an, was das Haus für<br />

Peter Kramer selbst bedeutet hat, welchen Sinn das Haus für ihn in Verbindung mit seinem<br />

Leben gemacht hat – in Verbindung mit Fragen nach der eigenen Identität.<br />

„Wer bin ich, wer war ich und wer werde ich sein?“ (Straus 2008: 4) – <strong>Das</strong> Haus in der Gönnerstraße<br />

112 im Lichte dieser zentralen menschlichen Lebensfragen zu betrachten, erweist<br />

sich als klärend und lässt weitere Zusammenhänge im vermeintlichen Durcheinander oder<br />

Nebeneinander der gesammelten Fundstücke, Beobachtungen und Erzählungen unseres Aktionsforschungsprojektes<br />

erkennen.<br />

Der eigene Sinn bzw. der „Eigensinn“ des Menschen kann nach meinem Verständnis immer<br />

nur bezogen auf andere Menschen entstehen und steht zugleich in einem spannungsvollen<br />

Verhältnis zum Bedürfnis des Menschen nach Zugehörigkeit in der Gemeinschaft.<br />

Im Spannungsfeld zwischen „eigensinniger“ Unabhängigkeit und Zugehörigkeit stellt sich für<br />

das Individuum die Frage: „Wie erreiche ich mit dem, was ich tue und wie ich mich darstelle<br />

Anerkennung von signifikanten Anderen?“ (Straus 2008: 9). Diese subjektiv bedeutenden<br />

Anderen sind die Bezugspersonen des Einzelnen, die für ihn bedeutenden Menschen seiner<br />

sozialen Umgebung. An deren Werten bemisst sich die Wertschätzung, die der Einzelne bzw.<br />

die Einzelne für sein bzw. ihr Handeln erwarten kann.<br />

Für Peter Kramer, das will ich zeigen, hat sich der Kreis der „signifikanten Anderen“ im Laufe<br />

seines Lebens verändert. Auch durch seine eigenen Handlungsstrategien hat er neue Bezüge<br />

erschlossen und dadurch ist er unabhängiger vom Wertmaßstab seines Pfullinger „Heimatmilieus“<br />

geworden.<br />

Im Folgenden will ich die Biografie Peter Kramers im Lichte der Frage nach dem persönlichen<br />

Sinn in Verbindung mit der Frage nach Zugehörigkeit betrachten. Grundlage hierfür sind<br />

Informationen bzw. Erkenntnisse aus unserem Erkundungsprojekt und mein Ziel ist es, ein<br />

Bild zu skizzieren vom „Schaffwerk“ als Mittel und als Ausdruck der Bindung und der Lockerung<br />

von Wertbezügen Peter Kramers zu seinem Pfullinger Herkunftsmilieu.<br />

„Der hat seinen Vater gar nicht gekannt“ − Die Vorgeschichte<br />

Ein „Unikum“ sei der Peter gewesen, hörte ich bei unseren Aktionsforschungsinterviews mit<br />

Pfullingerinnen und Pfullingern immer wieder. 71 Vielfach wird von seinem sozialen Umfeld<br />

auf die Besonderheiten des Schaffwerk – Schaffers hingewiesen, auch auf besondere „Probleme“:<br />

„Em Peter sei Broblem war en erschter Linie durch des, der hat jo sein Vadder gar edd<br />

kennt“, erklärte ungefragt der alte Bergwacht-Kamerad von Peter am Rande der Trauerfeier. 72<br />

Auch habe es in der Familie in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg hinten und vorne gefehlt.<br />

Und darüber hinaus sei Peter im Unterschied zu seinem Umfeld als Einzelkind aufgewachsen<br />

– „Mir en dr Nochbrschaft, warad älle zwoi, drei Kender en einer Familie“, meinte der über<br />

70 Interview 27.1.11<br />

71 vgl. u.a. Videodokumentation 19.3.11<br />

72 Videodokument 15.10.11<br />

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