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Das Erbe

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<strong>Das</strong> <strong>Erbe</strong> – Aktionsforschung im lokalen Aushandlungsfeld von Wertschätzung, Sinn und Bedeutung<br />

Haltung „gemeinsam geht´s besser“ das Wissen der Bürgerinnen und Bürger „anzapfa“, sagt<br />

er beispielsweise. − Ich merke mir: Für diesen Mann ist das „Schaffwerk“ nicht zuletzt auch<br />

nützlich als vergangenes Beispiel und zukünftige Möglichkeit für Bürgerengagement.<br />

Weit weniger optimistisch im Hinblick auf die Zukunftsfähigkeit des von ihr wahrgenommenen<br />

„Schaffwerk-Nutzens“ ist die vorerst letzte Interviewpartnerin unseres Aktionsforschungsfilmprojektes.<br />

Wir treffen die Frau mittleren Alters am 27. Juli 2011 im Haus an der Gönninger Straße. Sie<br />

Frau wohnt in einem kleinen Ort auf der Schwäbischen Alb, versorgt dort Pferde und ist eine<br />

leidenschaftliche Sammlerin alter Dinge. Peter Kramer lernte sie dreieinhalb Jahre vor dessen<br />

Tod bei der Fasnet in einer Kleinstadt auf der Alb kennen. Herr Kramer hatte sie in der Wirtschaft<br />

angesprochen. 39 Er habe damals für sie Ochsenmaulsalat vom Teller eines anderen geklaut,<br />

erzählt sie. So waren sie ins Gespräch gekommen und hatten sich dann immer mal wieder<br />

getroffen – bei der „Köhlerplatte“, beim Holzkohlemachen im Wald auf der Alb beispielsweise,<br />

wo Peter mit seinem Freund, dem Geschichtslehrer gewesen war.<br />

„Ond was endressiert Sie an der Köhlerei?“, frage ich. „ Ja, des isch oifach a Handwerk“,<br />

sagt sie, „wo d´ Zeit irgendwo still stoht. Ond des ghört jo zo allem a bissle, au zo dene alde<br />

Sacha“. – Eine Verbindung, denke ich, zwischen der dem alten Handwerk des Holzkohlemachens<br />

und den alten Dingen, die sie selbst sammelte und die Peter Kramer sammelte und gestaltete.<br />

Ich frage weiter nach und erfahre, dass sie dort beim Kohlemeiler „a ganz beschtimmte<br />

Atmosphäre“ empfinde. Sie erzählt, dass man dort viel lache und sie sagt: „jeder war dort<br />

● ● ●<br />

„<strong>Das</strong>s die Zeit irgendwo ein<br />

bisschen mehr wert hat“<br />

● ● ●<br />

irgendwie gleich“, ob „Landtagsabgeordneter“, „Professor“<br />

oder „Bauer“. Sie schätzt es, dass dort aus<br />

ihrer Sicht sonstige Grenzen zwischen gesellschaftlichen<br />

Gruppierungen keine Rolle spielen und mich<br />

erinnert dieser Aspekt an das Thema milieuübergreifende<br />

Begegnung im Gespräch mit dem Pfullinger<br />

Künstler − und nicht nur mit ihm, sondern auch mit anderen Leuten − über das „Schaffwerk“.<br />

Ich frage die Sammlerin, was denn aus ihrer Sicht das Verwandte sei zwischen der „Köhlerplatte“,<br />

dem Platz wo die Köhler Holzkohle machen und dem „Schaffwerk“. Sie antwortet:<br />

„Ja, dass mr erschtens des, des Alte schätzt ond dass mr oifach au die Geschichte zo dem Teil<br />

emmer sieht“. <strong>Das</strong> Gemeinsame sei vielleicht, fügt sie etwas später hinzu, „dass die Zeit do<br />

irgendwo a bissle mehr wert hot“. Beim Köhler und bei Peter Kramers „Schaffwerk“, notiere<br />

ich, schätzen eine Reihe von Leuten vielleicht, dass dies aus ihrer Sicht „Auszeiträume“ sind<br />

− Rückzugsräume von moderner Schnelllebigkeit und der damit verbundenen Entwertung der<br />

Zeit. Diesbezüglich finde ich viele Ähnlichkeiten in den Aufzeichnungen der Gespräche und<br />

Erlebnisse rund um das „Schaffwerk“.<br />

Ein zentraler Unterschied im Blick der Menschen aus dem Umfeld des „Schaffwerks“ auf<br />

diese „Auszeiträume“ scheint mir jedoch zu sein, dass sie von manchen, wie auch der Sammlerin<br />

von der Alb, vor allem als Nachklang vergangener Zeiten betrachtet werden.<br />

Andere, wie der Pfullinger Künstler, streben nach soziokulturellen „Auszeiträumen“ als Teil<br />

auch einer modernisierten Gesellschaft.<br />

Unsere pferdeliebhabende und alte Gegenstände sammelnde Interviewpartnerin betont im<br />

Verlauf des Gespräches immer wieder, dass solche Gegenstände aus ihrer Sicht Erinnerungen<br />

bergen und wachrufen können:<br />

39 Diese und alle nachfolgenden Angaben und Zitate aus dem Interview stammen aus dem Videodokument<br />

27.7.11<br />

30

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