Das Erbe
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<strong>Das</strong> <strong>Erbe</strong> – Aktionsforschung im lokalen Aushandlungsfeld von Wertschätzung, Sinn und Bedeutung<br />
Ich nehme an, dass für Menschen aus dem Umfeld die Bedeutung des „Schaffwerks“ nicht<br />
mit dem Tod der zentralen Person endete, sondern weiter in die Gegenwart hineinwirkt. Deshalb<br />
frage ich auch nach der Wahrnehmung und Bedeutung des Hauses heute.<br />
Die heutige Bedeutung des Hauses für Leute in Pfullingen bestimmt wohl nicht unwesentlich<br />
die Zukunftsaussichten für das „Schaffwerk“ mit und so stellt meine Fragestellung indirekt<br />
auch die Frage: Was kann das „Schaffwerk“ in Zukunft sein? – Offene Fragen für ein offen<br />
angelegtes Forschungsverfahren.<br />
3 Vorgehensweise: Ein systematischer Klärungsversuch<br />
3.1 Aktionsforschung als Weg<br />
Aktion → Reflexion → Aktion → Reflexion → und so weiter. − In dieser Weise hin- und her<br />
schwingend zwischen praxisorientierter Aktion und systematischer Reflexion habe ich mich<br />
im Herbst 2010 gemeinsam mit Peter Kramers Tochter auf den Weg gemacht, um einerseits<br />
einen praxiswirksamen Film zu erstellen und andererseits ein reflexionsförderndes Forschungsvorhaben<br />
durchzuführen. Systematische Erkundungen, Auswertungen und soziokulturelles<br />
Handeln in Pfullingen standen dabei von Anfang an in einer engen Wechselbeziehung<br />
zueinander. Ich habe dabei bewusst zwei Zielsetzungen miteinander verbunden, die für gewöhnlich<br />
auf getrennten Wegen verfolgt werden. Praxisorientiertes Handeln und wissenschaftliches<br />
systematisches Verstehen werden meist in voneinander getrennten Projekten von<br />
getrennten Menschen betrieben. <strong>Das</strong> hat aus meiner Sicht auch gute Gründe – unter anderem<br />
wohl auch den, dass Praxis vor allem dem Prinzip der Brauchbarkeit und Wissenschaft vor<br />
allem dem Prinzip des Verstehens folgt. 9 Nichtsdestotrotz habe ich mich für dieses Experiment<br />
entschieden, weil ich davon überzeugt bin, dass eine solche Vorgehensweise für das<br />
besondere Entwicklungsprojekt „Schaffwerk“, aber auch für Gemeinwesenentwicklung allgemein<br />
ein vielversprechender Weg sein kann.<br />
Für die nachhaltige Entwicklung von Gemeinwesen zu arbeiten, heißt vor allem auch, angemessene<br />
Strukturen für gelingende Kooperationsprozesse unterschiedlicher Menschen zu<br />
schaffen. Wie man das macht, das kann man nach meiner Erfahrung durch praktisches Handeln<br />
in Verbindung mit systematischem Reflektieren herausfinden. Diese Art von Arbeit für<br />
die Entwicklung von Gemeinwesen nenne ich Aktionsforschung. 10<br />
Aktionsforschung dient dem Ziel, die Situation von Menschen zu verbessern (vgl. Auer 2010:<br />
1). Es geht dabei um die Entwicklung einer Praxis, die nicht von fertigen Plänen ausgeht.<br />
Wünschenswert und notwendig für Gemeinwesen im allgemeinen und das „Schaffwerk“ im<br />
besonderen erscheint es mir dagegen, achtsame Such- und Handlungsprozesse mit und für<br />
Menschen zu initiieren − nicht zuletzt auch für mich selbst.<br />
Der Sozialpsychologe Harald Welzer beschreibt Achtsamkeit als die „die stetige Aktualisierung<br />
seiner Beobachtungen“ (Welzer 2009: 3). In diesem Sinne verstehe ich Aktionsforschung<br />
als ein achtsames Vorgehen und in dieser Weise handelnd, suchend, nachdenkend und<br />
dabei lernend wollte ich einen Beitrag für die Zukunft des Hauses in der Gönninger Straße in<br />
Pfullingen leisten.<br />
Mein praktischer Beitrag auf der Ebene des kommunikativen Handelns ist ein Film über unterschiedliche<br />
Erinnerungen und Sichtweisen unterschiedlicher Leute an Peter Kramer und<br />
9 Im Modus des Verstehens bewegt sich allerdings nicht jede Art von Wissenschaft und Forschung, sondern die qualitative<br />
Sozialforschung, von der ich hier spreche. Zum Vergleich zwischen Wissenschaftssystem und Praxissystem vgl. u. a. Moser<br />
(2008).<br />
10 In Anlehnung an Kurt Lewin (1948), Paulo Freire (1973) und andere.<br />
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