Das Erbe
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<strong>Das</strong> <strong>Erbe</strong> – Aktionsforschung im lokalen Aushandlungsfeld von Wertschätzung, Sinn und Bedeutung<br />
werden. Die Zeit beispielsweise für qualitativ hochwertige Arbeit, die im alten Handwerk<br />
noch etwas gegolten habe, ist für die befragte Sammlerin ein zentrales Thema und damit<br />
spricht sie etwas an, worüber wir auch schon im Gespräch mit Peters Freund, dem Handwerker<br />
von der Bergwacht, gesprochen hatten. Dieser hatte verdeutlicht, dass Peter in den Dingen<br />
immer gesehen habe, welche Mühe, Arbeit und eben auch Zeit darin steckt. Was in unserer<br />
schnelllebigen Gesellschaft heute in der Regel weggeworfen und durch neue kurzlebige Konsumgüter<br />
ersetzt wird, hat Peter Kramer gewürdigt und dafür wurde er geschätzt. Ausdruck<br />
dieser Wertschätzung war es auch, dass Leute ihre alten ausgedienten Dinge ihm zur Versrogung<br />
vorbeibrachten – Die Menschen haben das „eschdimiert“, so drückt es Peter Kramers<br />
Bekannte, die Sammlerin aus. 49<br />
Auch für Peters Tochter ist der Aspekt des Wiederverwertens ein zentrales Moment, das sie<br />
ausgesprochen schätzt und was sie sich als wesentlichen Teil zukünftiger Aktivitäten in ihrem<br />
geerbten Haus wünscht.<br />
Ein zentrales Thema für den befragten Pfullinger Künstler ist es, dass die Stadt aus seiner<br />
Sicht mit (ihrer) Geschichte keinen sorgsamen Umgang pflegt – im Gegensatz zum Schaffer<br />
des „Schaffwerks“. In ähnlicher Weise schätzt der Geschichtslehrer diesen Aspekt. Ebenso<br />
betont die Passantin vor der Konditorei wertschätzend, dass der Schaffer mit seinem Werk aus<br />
ihrer Sicht darauf aufmerksam habe machen wollen, dass der Mensch auch Wurzeln habe.<br />
Diese Frau schätzt darüber hinaus, ebenso wie Peters Mit-Schaffer, der Textildesigner, aber<br />
auch der befragte Künstler und wohl auch viele andere Leute aus dem Umfeld, dass Peter<br />
Ecken und Kanten zeigte, in einer modernen Zeit, wo man eine „Anpassgesellschaft“ 50 geworden<br />
sei.<br />
Es sind offenbar traditionelle Dinge und Werte, aber auch Entfaltungsspielräume für das Persönliche,<br />
die in der modernen Welt aus den Blickwinkeln der unterschiedlichen Befragten<br />
entwertet werden bzw. verschüttet. Der Textildesigner mit einer Affinität für alte Gegenstände<br />
drückte das aus, als er sagt in „dieser blank polierten, glatt geschliffenen, oberflächlichen<br />
Welt“ sei ein Mercedes „einfach mehr wert als jeder Brief oder jedes Bild oder jeder Song<br />
oder irgendwas“. Dann fügte er hinzu: Dr Peder war halt anders, des war dem scheißegal“.<br />
51<br />
„Außerhalb des Alltags“ − Wertschätzung der Sorgearbeit für eine gute Atmosphäre<br />
Eine zweite Leistung, für welche Peter Kramer bzw. seinem „Schaffwerk“ ein hohes Maß an<br />
Wertschätzung zu Teil wurde – ein Aspekt der von den Befragten in jedem unserer fünf längeren<br />
Interviews angesprochen wurde und der oft auch in kurzen eingefangenen Statements<br />
von Menschen aus Pfullingen Thema war – das ist die gute Atmosphäre, die der Schaffer aus<br />
deren Sicht schuf. Der befragte Künstler umschreibt das unter anderem mit folgenden Worten:<br />
„No hot mr emmer gwisst: Des isch luschdig on dann trenkt mr was on dann raucht mr<br />
ond ond mr onderhält sich guad ond, äh, also des isch, des isch scho so a Schtück weit so<br />
außerhalb des Alltags“ 52 .<br />
Immer wieder weisen die unterschiedlichsten Leute im Verlauf der Begegnungen während<br />
unseres Erkundungsprojektes darauf hin, dass es „immer lustig“ gewesen sei bzw. dass sie<br />
Peter als „Riesenspaßvogel“ erlebten. Zur guten Atmosphäre trug in deren Wahrnehmung<br />
ganz offensichtlich der „Humor“, der „Schalk“, der „Witz“ bei. <strong>Das</strong> Haus von Peter Kramer<br />
wurde offenbar als ein Ort wahrgenommen, wo man nicht Alltägliches erleben konnte – wo<br />
man eine „Auszeit“ 53 nehmen konnte, wie es der Künstler formulierte.<br />
49 Videodokument 27.7.11<br />
50 Videodokument 30.5.11<br />
51 Videodokument 7.3.11/2<br />
52 Videodokument 27.6.11<br />
53 Ebd.<br />
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