Berliner Kurier 11.04.2019
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10 BERLIN BERLINER KURIER, Donnerstag, 11. April 2019 *<br />
Von<br />
MARTIN KLESMANN<br />
Berlin – Die <strong>Berliner</strong> SPD<br />
hat auf ihrem jüngsten Parteitag<br />
beschlossen, dass die<br />
Bundeswehr nicht mehr an<br />
Schulen werben darf. Dafür<br />
erntete sie viel Kritik. Erstmals<br />
nach dem Beschluss<br />
kamen jetzt wieder zwei Jugendoffiziere<br />
an einer<br />
Schule zum Einsatz.<br />
Darf der smarte Hauptmann<br />
Jan Carnitzki in seiner dunkelblauen<br />
Luftwaffenuniform<br />
überhaupt hier sein an diesem<br />
Mittwochmorgen? In einem<br />
Kursraum vor fast 20 Oberstufenschülern<br />
des Barnim-<br />
Gymnasiums in Falkenberg?<br />
Seit der SPD-Landesparteitag<br />
Ende März beschlossen hatte,<br />
dass militärische Organisationen<br />
nicht an Schulen werben<br />
dürfen, wird darüber deutschlandweit<br />
debattiert.<br />
Für Jan Carnitzki (34) Ju-<br />
Die Lehrkraft von<br />
der starken Truppe<br />
Gegen den Willen der SPD: Karriereberater der<br />
Bundeswehr spricht vor<strong>Berliner</strong> Schülern<br />
gendoffizier der Bundeswehr,<br />
stellt sich diese Frage so gar<br />
nicht. „Die Karriereberater<br />
der Bundeswehr haben das<br />
Ziel, Personal für die Bundeswehr<br />
zu gewinnen“, erklärt er<br />
routiniert. Die vier <strong>Berliner</strong><br />
Jugendoffiziere hingegen<br />
würden von einzelnen Schulen<br />
eingeladen, um allgemein<br />
über die Sicherheitspolitik<br />
und die Bundeswehr zu informieren.<br />
Interessant ist zu beobachten,<br />
wie Jan Carnitzki<br />
während seines fast eineinhalbstündigen<br />
Gastauftrittes<br />
im Politik-Unterricht vorgeht.<br />
Der rhetorisch geschulte<br />
Hauptmann erzählt, wie er<br />
damals noch als Wehrpflichtiger<br />
zur Bundeswehr kam.<br />
Man habe in der Kaserne junge<br />
Männer unterschiedlichster<br />
Herkunft kennengelernt<br />
habe. „Teilweise aus höheren<br />
Schichten aber auch direkt<br />
aus dem Jugendgefängnis.“<br />
Morgens um 4.45 Uhr hätten<br />
alle aufstehen müssen, gemeinsam<br />
sei man marschiert,<br />
habe schießen gelernt. Er habe<br />
bei der Bundeswehr eine<br />
Ausbildung zum Fluglotsen<br />
machen können. „Zehn Jahre<br />
lang habe ich dann den Luftraum<br />
zwischen Berlin und<br />
Leipzig überwacht.“ Alle Stationen<br />
seines bisherigen Berufslebens<br />
hat er mit einem<br />
Beamer an die Leinwand geworfen.<br />
Jetzt ist Afghanistan<br />
dran. „In Masar-e Scharif habe<br />
ich drei Monate lang afghanische<br />
Fluglotsen ausgebildet“,<br />
erzählt er dann.<br />
Dann erzählt er viel über das<br />
Grundgesetz. Erklärt die Zuständigkeiten<br />
der Bundeswehr<br />
im Inneren. Es geht um<br />
die Frage, ob Bundeswehr-<br />
Jets ein Passagierflugzeug abschießen<br />
dürfen, das von Terroristen<br />
gekapert als Waffe<br />
eingesetzt werden soll. „In<br />
den USA ist das einfacher“, erklärt<br />
er. Aber das Flugzeug<br />
könne ja auch auf ein Atomkraftwerk<br />
stürzen oder ins<br />
volle <strong>Berliner</strong> Olympiastadion.<br />
Deshalb müsse man abwägen.<br />
Die Schüler finde es gut,<br />
dass er es so persönlich macht.<br />
Er verfehlt seine Wirkung<br />
nicht. Am Ende erhält Carnitzki<br />
von der Lehrerin eine<br />
Tafel Schokolade überreicht.<br />
Raed Saleh ist Chef<br />
der Spandauer SPD,<br />
die das Bundeswehr-<br />
Werbeverbot<br />
durchgesetzt hat.<br />
DasBarnim-Gymnasium<br />
lädt immer wieder<br />
Jugendoffiziereein.<br />
Auch ein Bundeswehr-<br />
Spiel zur internationalen<br />
Politik findet<br />
Anwendung.<br />
Smarter Hauptmann: Jugendoffizier Carnitzki trat<br />
am Mittwoch vorSchülern auf. Fotos: Friedel, dpa