17.04.2019 Aufrufe

Berliner Kurier 16.04.2019

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

SEITE19<br />

BERLINER KURIER, Dienstag, 16. April 2019<br />

Anders „Stroke“ Gjennestad<br />

Menschen in Bewegung, die Schlagschatten werfen.<br />

Immer in Schwarz-weiß. Dassind die Markenzeichen<br />

vonStroke: ein 39-jähriger Norweger,der in Berlin<br />

lebt.Wer sich für Lost Places interessiert, verlassene<br />

Gebäude, stößt irgendwann auf seine Arbeiten. Wie<br />

auf das Bild „Kniestand“, das in die Trümmer eines Badezimmers<br />

im Heeresbekleidungshauptamt Bernau<br />

eingearbeitet ist.Arbeiten vonihm finden sich auch im<br />

VEB Kühlautomat in Johannisthal, im Lokrundschuppen<br />

Pankow,imChemiewerk Rüdersdorf. Inzwischen<br />

stellt Strokeauch in renommierten Galerien aus. Für<br />

seine Werkewerden fünfstellige Summen gezahlt.<br />

WerinBerlin und Brandenburg<br />

Kunst sehen will, braucht nicht<br />

ins Museum. Denn Streetart<br />

boomt in der Region<br />

Von<br />

STEFAN Henseke<br />

Schilder warnen<br />

vorm Betreten der<br />

Baustelle neben der<br />

alten Eisfabrik, vor<br />

Wachdienst und Anzeige<br />

bei der Polizei. Seitdem<br />

auf Instagram Bilder<br />

des neuesten 1up-<br />

Schriftzugs aufgetaucht<br />

sind, gesprayt vom Londoner<br />

Künstler Fanakapan,<br />

pilgern täglich Dutzende<br />

Streetart-Fans aus<br />

aller Welt in den Bona-<br />

Peiser-Weg nach Kreuzberg.<br />

Passanten bleiben<br />

stehen und fotografieren<br />

das Wandbild mit den<br />

riesigen Lettern, die wie<br />

schwebende Luftballons<br />

aussehen – durch den<br />

Bauzaun, die meisten jedenfalls.<br />

Streetart boomt in der<br />

Region. Befeuert durch<br />

das Internet, durch Instagram<br />

und lokale Seiten<br />

wie „Berlinstreetart“,<br />

„Streetartberlin“<br />

und „Berlingraffiti“(jeweils<br />

mehr als 120 000<br />

Fotos) sowie internationale<br />

Seiten wie „Graffiti“<br />

(37,6 Mio.) oder „Mural“<br />

(8 Mio.), zieht Berlin inzwischen<br />

viele, vor allem<br />

junge Touristen an,<br />

die wegen eben dieser<br />

Bilder kommen. Und immer<br />

mehr Stadtführer<br />

bieten „Graffiti &Urban<br />

Art“-Touren an, an<br />

Streetart-Hotspots wie<br />

der altbekanntenEast Side<br />

Gallery, dem RAW-<br />

Gelände oder dem Haus<br />

Schwarzenberg in der<br />

Rosenthaler Straße<br />

kommen bei gutem Wetter<br />

Hunderte, die ihre<br />

Fotos gleich wieder auf<br />

Instagram hochladen.<br />

Was einst als Schmiererei<br />

abgetan wurde<br />

(und es oft auch war und<br />

manchmal noch ist),<br />

wird immer mehr zu ei-<br />

nem Wirtschaftsfaktor.<br />

Wie in Los Angeles, New<br />

York und London. Aus<br />

grauen Hauswänden<br />

werden Flächen für die<br />

Kunst, Hauseigentümer<br />

geben Brandmauern frei.<br />

InBerlin und Brandenburg<br />

hat die Streetart-<br />

Szene aber noch ganz andere<br />

„Leinwände“ für<br />

sich entdeckt. Leerstehende<br />

Fabriken und<br />

Brauereien, dem Verfall<br />

preisgegebene Sanatorien,<br />

von der Sowjetarmee<br />

verlassende Kasernen<br />

und Bunker. Sogenannte<br />

Lost Places, die sich<br />

nach und nach in illegale<br />

Streetart-Galerien verwandeln.<br />

Die größte dieser<br />

Art ist das Heeresbekleidungshauptamt<br />

der<br />

Wehrmacht in Bernau,<br />

das gerade Teil eines<br />

neues Wohngebiets<br />

wird. Sprayer aus der<br />

ganzen Welt haben hier<br />

Hunderten Räume Farbe<br />

gegeben.<br />

Einen Banksy hat Berlin<br />

noch nicht hervorgebracht,<br />

aber immer<br />

mehr Künstler, die den<br />

Sprung aus der Illegalität<br />

in die Galerien geschafft<br />

haben und von<br />

ihren Arbeiten inzwischen<br />

leben können.<br />

Auch wenn es sie und ihre<br />

Kunst trotzdem immer<br />

wieder auf die Straßen<br />

und in die Lost Places<br />

der Region zieht –<br />

dorthin, wo Streetart<br />

herkommt und ihre<br />

Kraft voll entfalten kann.<br />

Wir stellen fünf der angesagtesten<br />

<strong>Berliner</strong><br />

Künstler über ihre<br />

Kunstwerke vor und sagen,<br />

wo man diese findet:<br />

Plotbot Ken, Anders<br />

„Stroke“ Gjennestad,<br />

1up, Tobo und<br />

liz_art_berlin.<br />

Mehr Fotos unter:<br />

www.instagram.com/<br />

project_193_berlin/<br />

Fotos: Henseke<br />

liz_art_berlin<br />

„Catwoman“ und ihreanderen Frauenfiguren tauchen<br />

immer öfter in der Stadt auf.Als Past-up, als Miniplakate,<br />

die an den S-Bahnbögen zwischen Alexund Hackescher<br />

Markt kleben, rund um den Boxhagener Platz oder im<br />

Haus Schwarzenberginder Rosenthaler Straße. Erst seit<br />

2016 dabei, ist Liz schon eine der auffälligsten Streetart-<br />

Künstlerinnen. Auch mit der Aerosol-Sprühdose arbeitet<br />

sie –wie im alten Kinderkrankenhaus Weißensee (Foto).<br />

Tobo<br />

„Adults suck! Then youare one!“ (Erwachsene sind<br />

scheiße! Und dann bist du selber einer“). Mit neunmalklugen<br />

Sprüchen hat sich Tobo einen Namen gemacht.<br />

Besser gesagt Erik Rotheim, sein <strong>Berliner</strong> Bär mit der<br />

langen Schnauze und den coolen Sprüchen. Tobo warbei<br />

„Wandelism“ dabei, hat in den Kasernen gegenüber dem<br />

Olympischen DorfinElstal Dutzende Eriks gesprüht und<br />

gefühlt den halben Teufelsbergbemalt.Sein Herzensprojekt:<br />

die StammbahnbrückeinDreilinden.<br />

Plotbot Ken<br />

Er ist der Meister der Dunkelheit.Seine Arbeiten wollen<br />

den Betrachter erschrecken. Endzeit-Menschen mit<br />

Gasmaske, mutierte Tiere, Vogelscheuchen. Am liebsten<br />

auf Kessel und Wände in Industrieruinen (Chemiewerk<br />

Rüdersdorf, VEBKühlautomat Johannisthal), Militärgebäuden<br />

(Teufelsberg) und Kliniken (Beelitz-Heilstätten,<br />

Buch) aufgebracht.ErkombiniertArbeiten mit Schablonen,<br />

Graffiti und vorOrt gefundenes Material.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!