Facetten_36
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Seniorenzentrum Unterneustadt<br />
Interkulturelle Altenpflege<br />
Herausforderung für alle Beteiligten<br />
Altenpflegeschüler<br />
Adeep<br />
Dayoub mit<br />
Bewohnerin<br />
Sabahat<br />
Evcimen<br />
Laut statistischem Bundesamt hat jeder fünfte<br />
Einwohner Deutschlands einen Migrationshintergrund.<br />
Viele werden im höheren<br />
Alter pflegebedürftig. Kommen diese Menschen<br />
dann in eine Pflegeeinrichtung, ergeben<br />
sich vielfältige Herausforderungen für<br />
beide Seiten: Oft gibt es erhebliche Sprachbarrieren;<br />
schwerer aber wiegt wohl der<br />
gar nicht seltene langjährige Rückzug auf<br />
,die eigenen Leute’ und die Kultur der Herkunftsländer<br />
und die sich daraus ergebende<br />
begrenzte Akzeptanz, plötzlich ein anderes<br />
Leben führen zu müssen als erwünscht und<br />
geplant.<br />
Meist gehen insbesondere diese alten Menschen<br />
davon aus, von der Familie versorgt<br />
und betreut zu werden, weil dies Tradition<br />
und Moralvorstellung entspricht. Dass diese<br />
nicht mehr gelten sollen, ist schmerzhaft und<br />
nur schwer zu akzeptieren. Die jüngere Generation<br />
sieht sich den Vorstellungen der Älteren<br />
verpflichtet. Pflege wird unter Einbindung<br />
aller Familienmitglieder ,irgendwie’ geleistet,<br />
was aber alle oft schnell an ihre psychischen<br />
und physischen Grenzen bringt, da z. B. viele<br />
Familienmitglieder arbeiten müssen und die<br />
Großfamilien von einst kaum noch existieren.<br />
Ein Heimaufenthalt wird trotzdem oft<br />
nicht einmal in Erwägung gezogen.<br />
Neben den üblichen Bedenken und Vorurteilen,<br />
die auch deutsche SeniorInnen daran<br />
hindern – wer soll das bezahlen?, Angst,<br />
durch die Kinder abgeschoben und vergessen<br />
zu werden und die vertraute Umgebung verlassen<br />
zu müssen – kommt bei diesen Personengruppen<br />
noch die Angst dazu, nicht verstanden<br />
und respektiert zu werden.<br />
Findet die Heimaufnahme doch statt, zeigen<br />
die Betroffenen oft erheblichen Widerstand<br />
gegen die Pflege, der durch etwaige<br />
Sprachbarrieren noch verstärkt wird. Besonders<br />
zeigt sich dies bei an Demenz Erkrankten.<br />
Menschen mit Demenz verlieren<br />
zunächst ihre Zweitsprache, verstehen also<br />
oft nur noch ihre Muttersprache. Andere Essgewohnheiten,<br />
Schamgrenzen sowie religiöse<br />
und moralische Regeln spielen eine größere<br />
Rolle, weil man sich eben an diese noch erinnert,<br />
auch wenn man vielleicht doch auch<br />
schon anders gelebt hat.<br />
Mai 2019 | <strong>Facetten</strong> <strong>36</strong> 17