RE KW 22
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Aus vergangenen Tagen<br />
Königliches Stelldichein im Außerfern<br />
„Gott segne Bayern, Preußen und mein liebes Tirol“ (Fortsetzung)<br />
Durch fast zwanzig Jahre besuchte die bayerische Königinmutter<br />
Marie regelmäßig das Lechtal, wobei sie in Elbigenalp mit einem<br />
zahlreichen Gefolge oft für viele Wochen Quartier nahm. Fast<br />
tagebuchartig hat der 1895 im „Duorf“ geborene Oskar Wechner,<br />
erst Volksschullehrer in Wattenberg dann Bürgerschuldirektor in<br />
Imst, in der Bezirkszeitung von 1937/38 die damaligen Geschehnisse<br />
dokumentiert – bis zum Tode der Königinmutter vor 130<br />
Jahren am 17. Mai 1889.<br />
Von Peter Linser<br />
Königinmutter Marie in Breitenwang.<br />
In Breitenwang wirkte der aus<br />
Bach („Fingerles“ Haus) stammende<br />
Dekan Josef Schneller, den auch König<br />
Maximilian II. besucht hatte, und<br />
die nunmehrige Königinmutter setzte<br />
die Besuche als Witwe fort. Dort traf<br />
sie erstmals auf ihren späteren Seelenführer<br />
Johann Georg Lechleitner aus<br />
Häselgehr, der ab 1866 Kooperator in<br />
Breitenwang und ab 1870 Benefiziat in<br />
Elbigenalp war.<br />
In einem Brief vom 4. August 1864,<br />
er war gerade Kooperator in Breitenwang,<br />
erzählte Martin Fuchs aus Namlos,<br />
später in Tannheim, Schattwald<br />
und Flirsch, von einem besonderen<br />
Erlebnis: Dass mich am letzten Freitag,<br />
29. Juli, der Blitz in der Pfarrkirche zu<br />
Breitenwang nach dem Wettersegen<br />
etwas erschreckte, werdet ihr schon gehört<br />
haben. […] Gestern, als am Mittwoch,<br />
3. d. M., war die Königin von<br />
Baiern beim H. Dekan und da kam die<br />
ganze Herrschaft auch in mein Zimmer,<br />
auch die Königin und der junge<br />
Prinz. Als die die Guitarre und die Geige<br />
sahen, spielten sie auch damit und<br />
da die Geige vom H. Dekan auch in<br />
meinem Zimmer ist, so musste ich mit<br />
dem Hofmarschall der Königin, der es<br />
sehr gut kann, spielen. Es ging sehr gut<br />
und diese Leute hatten die größte Gaudi.<br />
Es war mein ganzes Zimmer voll<br />
solcher Herren und Damen. Die Königin<br />
durchsuchte meine Bücher und<br />
las auch ein wenig. Ich musste ihnen<br />
erzählen, wie es ging beim Blitzeinschlagen<br />
und da horchten sie sehr gespannt<br />
zu. Dass ich in meinem Leben<br />
mit einem Hofmarschall und vor einer<br />
Königin zu geigen kam, hätte ich mir<br />
nie gedacht.<br />
Sommerfrische im Lechtal. Schon<br />
am 13. September 1867 war König Ludwig<br />
II. mit kleinem Gefolge bis nach<br />
Häselgehr geritten und im Gasthof „Zur<br />
Sonne“ eingekehrt, ehe er nach Mitternacht<br />
wieder nach Hohenschwangau<br />
ritt. Eine Woche später kam erstmals<br />
RUNDSCHAU Seite 18<br />
die Königinmutter Marie mit ihrem<br />
Sohn Prinz Otto und großem Gefolge<br />
nach Elbigenalp, wo sie im Gasthof<br />
„Zum Engel“ abstiegen. Am nächsten<br />
Tag ging es nach Kaisers und in sechseinhalb<br />
Stunden auf die 2695 m hohe<br />
Koppenjochspitze. Nach später Rückkehr<br />
wurde in Kaisers übernachtet. In<br />
dieser Nacht wurde dem Ehepaar Alois<br />
Lorenz und Marianna geb. Dengel ein<br />
Sohn geboren, dem Prinz Otto am<br />
nächsten Tag als Taufpate den Namen<br />
Otto Vinzenz gab. Als das Kind nach<br />
zwei Jahren gestorben war, übernahm<br />
er auch die Patenschaft des nachgeborenen<br />
Buben Otto Eugen.<br />
Quartier wurde ab 1871 im leerstehenden<br />
Haus Nr. 29 des “Migase<br />
Naz“ (Ignaz Dengel) genommen. Dort<br />
wohnten auch noch die Gräfinnen Julie<br />
von der Mühle, Charlotte von Fugger<br />
und der Hofmarschall Baron von<br />
Malsen. Die Dienerschaft bestand aus<br />
vier Kammerjungfrauen, drei Köchen,<br />
Dienern, Kutschern usw.. Hofherren,<br />
Hofdamen und Lakaien waren untergebracht<br />
beim Schletterer (Nr. 159),<br />
„Farbers Leopold“ (Nr. 28) und Walch<br />
(Nr. 53). Das Küchenpersonal schlief<br />
im Hause des Schneiders Friedle, dessen<br />
Zimmer alle besetzt waren, sodass<br />
die Familie selbst im Heu des Stadels<br />
es sich bequem machen musste. Prinz<br />
Ein Kirchenfenster in Elbigenalp erinnert<br />
an die Wohltäterin des Lechtals.<br />
Aufnahme aus dem Jahr 1893.<br />
Foto: M. Sailer<br />
AUSSERFERNER<br />
SEIT 19<strong>22</strong><br />
NACHRICHTEN<br />
Otto wohnte im Haus Nr. 8 des Ignaz<br />
Schiffer. Zu den Quartierkosten für<br />
die ca. 30 Personen des Gefolges vom<br />
17. Juni bis 14. Juli 1871 kamen noch<br />
die Einstellkosten für die ca. 20 Pferde<br />
(pro Pferd und Tag zwei Mark). Jeden<br />
Dienstag und Freitag mussten die königlichen<br />
Küchenwagen aus Füssen das<br />
eisgekühlte Fleisch und andere Feinkost<br />
bringen. So ergab sich auch ein<br />
gewisser wirtschaftlicher Aufschwung.<br />
Jährlich wurden 200 Klafter (= ca. 400<br />
m3) Holz durch den Händler Franz<br />
Kapeller geliefert. Der jährliche Forellenverbrauch<br />
betrug etwa zwei Zentner.<br />
Hofmarschall Graf Malsen bemerkte<br />
einmal bei einer Abrechnung, es werde<br />
auf die königliche Kasse öfters ein<br />
Raubzug veranstaltet. „Man muss halt<br />
heuen, solange die Sonne scheint“,<br />
dachten sich wohl die Einheimischen!<br />
Apropos: Auch mit dem Mähen versuchten<br />
sich die Königinmutter und<br />
ihr Sohn Prinz Otto gemeinsam mit<br />
seinem Adjutanten Baron Schleißheim.<br />
In den Jahren nach 1874 besuchte<br />
die Königinmutter bei ihren Ausflügen<br />
nach Häselgehr öfters im Geburtshaus<br />
ihres Seelenführers Lechleitner seine<br />
Angehörigen zu einer Kaffeejause. Aber<br />
auch im „Bierkeller“ und der „Sonne“<br />
des Nikolaus Sprenger kehrte sie regelmäßig<br />
ein. Beim Besuch der Kirchenfeste<br />
im Lechtal war das königliche<br />
Absteigquartier der jeweilige Pfarrhof<br />
und der Pfarrer war Wirt. So kam sie<br />
in jedes Dorf von Vorderhornbach und<br />
Forchach bis hinauf nach Steeg und<br />
Kaisers und hinein nach Bschlabs und<br />
Boden, auch nach Gramais.<br />
Wohltäterin und Gönnerin der Armen.<br />
Im Laufe ihrer Aufenthalte verteilte<br />
die Königin großzügige Spenden:<br />
einen silberner Messkelch an Benefiziat<br />
Lechleitner und einen Rauchmantel,<br />
gefertigt aus ihrem Thronmantel. Sie<br />
übernahm großteils die Kosten für die<br />
Ausmalung der Kirchenwände durch<br />
den Nazarenermaler Johann Kärle,<br />
auch für den Hochaltar und die Rahmung<br />
der Kreuzwegtafeln. Insgesamt<br />
erhielt die Pfarrkirche in Elbigenalp ca.<br />
<strong>22</strong>.000 Mark. Dazu kamen Patenschaften<br />
bei Taufen und Firmungen sowie<br />
Schulpreise. Für Taufen in Elbigenalp<br />
gab es 10 Mark, Kranke bekamen in<br />
der königlichen Küche drei Liter beste<br />
Rindssuppe mit Fleisch und Semmeln,<br />
arme Hütbuben erhielten im Herbst<br />
ein Paar Schuhe, in den beiden Dorfschulen<br />
gab es Nikolobescherung,<br />
und die vielen Wollkappen strickte die<br />
Obersthofmeisterin Gräfin Julie von<br />
der Mühle. Arme Brautleute lud sie<br />
in ihr Haus zu einem bescheidenen<br />
Mahl ein. Bei schulischer Religionsprüfung<br />
stiftete sie schöne Preise. Die singenden<br />
Geschwister Bischof (Johann,<br />
Nikolaus, Ferdinand) aus Elmen sangen<br />
vor mehreren Königen, Herzögen<br />
usw. von 1863 bis 1879. Ihre besondere<br />
Gönnerin war die Königinmutter Marie,<br />
die dem Sängerehepaar Johann<br />
und Elisabeth, geb. Korber, Taufpatin<br />
des ersten Kindes war (Maria, geb. 17.<br />
1. 1875).<br />
Anton Falger und die Königin. Anton<br />
Falger pflegte freundschaftlichen<br />
Umgang mit dem königlichen Hof<br />
und stellte der Königin sein stattliches<br />
Haus zur Verfügung (den späteren<br />
Gasthof Post). Oft besuchte sie den<br />
bekannten Mann während ihrer Aufenthalte,<br />
und als Falger am 15. Dezember<br />
1876 ohne leibliche Nachkommen<br />
starb, vermachte er Marie testamentarisch<br />
sein Anwesen und eine Wiese im<br />
Gesamtwert von 5.300 Gulden. 1877<br />
ließ die Königin den hinteren Teil ab-<br />
Benefiziat Lechleitner, Gräfin von der Mühle, Königinmutter Marie, Gräfin Fugger,<br />
Diener Leonhard Funkler und Pfarrer Trenker (v.l.) in den 1870er Jahren. Foto: MGH<br />
29./31. Mai 2019