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RE KW 22

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PFLANZENSCHÄTZE<br />

IM AUSSERFERN Pflanzen<br />

erzählen<br />

Teil 5<br />

Geschichten<br />

Baum der Liebe und der Bienen<br />

Warum die Linde (Tilia sp.) einmal im Mittelpunkt vieler Dörfer stand<br />

Die Lindenstraße in Reutte erinnert noch heute an eine Lindenallee<br />

aus vergangener Zeit. Übriggeblieben ist ein kleines Lindenbäumchen<br />

im Kreisverkehr vor dem Gemeindeamt. Manchmal<br />

müssen alte Bäume weichen. Was bleibt, sind die Geschichten,<br />

die sich um sie ranken.<br />

Von Christine Schneider<br />

GESCHICHTSTRÄCHTIG.<br />

Machen wir eine Reise zurück in eine<br />

Zeit, in der große Bäume geschätzt<br />

wurden, als Menschen die Linde<br />

zum Mittelpunkt ihrer Dörfer und<br />

Städte machten. Die Linde scheint<br />

die Nähe des Menschen ebenfalls zu<br />

lieben. Sie wächst nicht gern, Baum<br />

an Baum gedrängt, im Wald. Aber<br />

auf dem Dorfplatz breitete sie sich<br />

gewaltig aus.<br />

Ganze Bücher voller Gedichte,<br />

Lieder, Sagen wurden darüber geschrieben,<br />

was sich im Schatten des<br />

Baumes alles zutrug. Unter der Linde<br />

soll Zwergenkönig Laurin die Schwester<br />

Dietrich von Berns geraubt haben<br />

– und besiegte Siegfried den Drachen.<br />

Walther von der Vogelweide<br />

bereitete sein berühmtes Liebeslager<br />

aus Heidekraut und Rosen unter der<br />

Linde.<br />

Die meisten Lindengeschichten<br />

sind Liebesgeschichten, denn die<br />

Linde ist der Baum der Liebe! Sie war<br />

natürlich einer Göttin geweiht. In<br />

der Antike wurde unter einer Linde<br />

der Liebesgöttin Aphrodite geopfert.<br />

Für die Germanen war sie als Baum<br />

der Göttin Freya zugleich auch der<br />

Gerichtsbaum. Später wurden daraus<br />

viele Maria-Linden.<br />

HERZENSBAUM. Als Baum der<br />

Liebe trägt sie Tausende von kleinen<br />

Herzen an ihren Zweigen. Ihre unregelmäßig<br />

geformten Blätter haben<br />

nämlich die Form eines menschlichen<br />

Herzens.<br />

Warum gibt es immer weniger Linden<br />

in unseren Dörfern und Städten?<br />

Jedes europäische Dorf hatte früher<br />

seine Dorflinde, die das Zentrum<br />

RUNDSCHAU Seite 40<br />

bildete und ein wichtiger Kommunikationsplatz<br />

war. Doch das soziale<br />

Leben hat sich verändert, oft besteht<br />

kein Bedarf mehr an einer Dorflinde.<br />

DEN GRÖSSTEN NUTZEN...<br />

...den haben die Bienen, denn die<br />

Linde ist für sie eine riesige Bienenweide,<br />

an der bis zu 60.000 Blüten<br />

hängen. Die Linden locken die Bienen<br />

mit ihrem besonders süßen und<br />

duftenden Nektar an. Er rinnt geradezu<br />

aus den Blüten und von den<br />

Blättern. Äußerst befriedigt summen<br />

die Bienen von einer Blüte zur anderen<br />

und besorgen so nebenbei die<br />

Bestäubung.<br />

Vor Kurzem hat die UNO einen<br />

alarmierenden Bericht herausgebracht.<br />

Eine Million Arten von acht<br />

Millionen sind akut bedroht. Darunter<br />

auch viele heimische Bienenarten.<br />

Es ist daher schwer zu verstehen, warum<br />

oft in großem Stil die großen<br />

Bäume gefällt werden, wo sie doch<br />

die Heimat so vieler bedrohter Insektenarten<br />

sind.<br />

FAMILIENGESCHICHTE.<br />

Linden bilden eine eigene Familie<br />

der Lindengewächse, die alle die<br />

gleichen Merkmale zeigen – unter<br />

anderem fünf Kelch- und Blütenblätter,<br />

einen Fruchtknoten mit fünf<br />

Fruchtblättern und eine Frucht mit<br />

ein bis drei Samen. Von den etwa<br />

400 Lindenarten, die hauptsächlich<br />

in den Tropen vorkommen, sind vier<br />

auch bei uns heimisch. Wir kennen<br />

vor allem die Sommerlinde und die<br />

Winterlinde.<br />

HOCHSENSIBEL. Es hat noch<br />

einen weiteren Grund, warum es<br />

immer weniger Linden in unseren<br />

AUSSERFERNER<br />

SEIT 19<strong>22</strong><br />

NACHRICHTEN<br />

Tanz unter der Dorflinde.<br />

RS-Zeichnung: Schneider<br />

Städten gibt. Sie sind besonders<br />

empfindlich gegen Abgase. Linden<br />

sind auch in unseren Wäldern zur<br />

Rarität geworden. Sie haben in der<br />

modernen Forstwirtschaft keine Bedeutung<br />

mehr. Dabei war es einmal<br />

das Lignum sanctum, das „heilige<br />

Holz“, aus dem Tilman Riemenschneider,<br />

Veit Stoß und viele<br />

(cs) TEE AUS LINDENBLÜTEN.<br />

Er hilft gerade in der Winterszeit bei<br />

Erkältung, Schnupfen, Grippe, Husten<br />

und Bronchitis. Die Blüten enthalten<br />

schweißtreibende Glycoside, die<br />

eine ähnliche Wirkung haben wie der<br />

Holunderblütentee. Lindenblütentee<br />

wird heiß getrunken und mit Honig<br />

gesüßt. Am besten legt man sich ins<br />

Bett, deckt sich dick zu und trinkt einige<br />

Tassen des heißen Tees. Ist man<br />

dann richtig feucht und heiß vom<br />

Schwitzen, folgt eine Abwaschung mit<br />

eiskaltem Wasser am ganzen Körper.<br />

Dann legt man sich wieder ins warme<br />

Bett. Diese Prozedur regt die Abwehrkräfte<br />

des Körpers an. (So kann<br />

Für Sammler<br />

Aus den Lindenblüten wird ein wirksamer<br />

Hustentee gemacht. Foto: Pixabay<br />

unbekannte Meister ihre Werke<br />

schufen, denn das weiche Holz<br />

der Linde eignet sich sehr gut für<br />

Schnitzereien, aber nicht als Nutzoder<br />

Bauholz.<br />

Die heilbringende Wirkung der<br />

Linde wird meist in Form von Tees<br />

genutzt, die besonders gerne in der<br />

Winterzeit angewandt werden.<br />

man es auch mit Holunderblütentee<br />

machen.) Lindenblütentee wirkt auch<br />

schleimlösend und krampfstillend, was<br />

ihn zu einem guten Hustentee macht.<br />

WINTERTEE. Zwei Teile Lindenblüten,<br />

ein Teil Schlüsselblumen, ein<br />

Teil Pappelknospen – aus dieser Mischung<br />

stellt man einen erwärmenden<br />

und stärkenden Tee für die Winterzeit<br />

her. Dazu Wasser zum Kochen bringen,<br />

für eine Tasse Tee zwei Teelöffel der<br />

Mischung zugeben und den Topf vom<br />

Herd nehmen. Abdecken und ca. zehn<br />

Minuten ziehen lassen.<br />

Den Tee mit Honig süßen und genießen.<br />

29./31. Mai 2019

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