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*<br />
HINTERGRUND<br />
Der Osten und<br />
die Rennpappe<br />
So lange darauf gewartet,<br />
so weit damit gefahren, so<br />
hingebungsvoll daran geschraubt:<br />
Dasliebevoll<br />
„Trabi“ genannte Gefährt<br />
stellt einen Mikrokosmos<br />
dar,mit dem sich die<br />
Geschichte Ostdeutschlands<br />
und seiner<br />
Menschen bis heute<br />
dokumentieren lässt.<br />
Wie sehr der Trabi Teil des<br />
Lebens in der DDR war<br />
zeigt jetzt eine Sonderschau<br />
im DDR-Museum.<br />
Von<br />
STEFANIE HILDEBRANDT<br />
Der Trabant 601, das<br />
meistgefahrene Auto<br />
der DDR, wurde nach<br />
der Wende zu einem<br />
Symbol für das Leben in der zurückgelassenen<br />
Republik.<br />
Kaum eine Ost-Familie, in deren<br />
Erinnerungsschatz das<br />
Pappgefährt nicht vorkommt.<br />
Das DDR-Museum in Mitte<br />
widmet dem Zweitakter ab<br />
dem 11. Juni eine Sonderausstellung<br />
und erzählt 26 Geschichten<br />
über den treuen Begleiter,<br />
der erst die Sehnsucht<br />
vieler war, dann überflüssig –<br />
und heute wieder als Kultauto<br />
gilt.<br />
Dabei begann das Leben mit<br />
dem Trabi in der DDR meist mit<br />
dem Ausfüllen eines Formulars.<br />
Mit 18 Jahren konnte man heiraten,<br />
wählen gehen, zur Armee<br />
eingezogen werden und am<br />
wichtigsten: sich für eine Wohnung<br />
und einen Pkw anmelden.<br />
So nutzte auch Hans-Jürgen<br />
Treder den Weihnachtsurlaub<br />
von der Armee im Jahr 1979,<br />
um sich zu Hause in Eberswalde<br />
für einen Trabi anzumelden.<br />
Damals musste man mit einer<br />
Wartezeit von über zehn Jahren<br />
rechnen. Doch die Geschichte<br />
überholte den Auslieferungsbescheid.<br />
1989 war die<br />
DDR passé –und Hans-Jürgen<br />
Treder rahmte sich seinen Lieferschein<br />
ein und stellte ihn in<br />
die Schrankwand.<br />
Trabis sah man nun immer öfter<br />
als traurige Überbleibsel<br />
herrenlos am Straßenrand verrotten.<br />
Die handgefertigten<br />
Bildbändchen der Künstlerin<br />
Gilda Bereska zeigen unzählige<br />
dieser ausgedienten und ausgeschlachteten<br />
Wagen. Dem Neuen<br />
wollten viele lieber im gebrauchten<br />
Westwagen entgegenfahren.<br />
„Wie tote Tiere lagen<br />
die Trabis zur allgemeinen<br />
Ausweidung in der <strong>Berliner</strong><br />
Stadtlandschaft. Was einst den<br />
Menschen so sehr am Herzen<br />
lag, war durch die Zeitläufe<br />
wertlos geworden. Und dies betraf<br />
weit mehr als nur die Au-<br />
Fotos: Imago, Uhlemann ,Marotz<br />
Der DDR-Bürger<br />
reist an. Im Trabi<br />
geht es über die<br />
frisch geöffnete<br />
Grenze gen Westen.<br />
tos“, heißt es dazu im Ausstellungstext.<br />
Doch im kollektiven Gedächtnis<br />
lebte das Auto, dessen Karosserie<br />
aus Baumwollmatten<br />
und Phenolharz-Granulat bei<br />
240 Grad gebacken wurde, weiter.<br />
Die Story um die Keilriemenreparatur<br />
mittels Damenstrumpfhose<br />
darf in der Ausstellung<br />
ebenso wenig fehlen<br />
wie Berichte über Missgeschicke<br />
beim Tanken. Wer kein Gemisch<br />
aus Öl und Benzin einfüllte,<br />
riskierte einen Motorschaden.<br />
Auch der Benzinhahn<br />
und die dazugehörige Fummelei<br />
zwischen Beifahrerbeinen<br />
findet Platz in einer Vitrine.<br />
Die Schau zeigt: Der Trabi<br />
oder seine Bestandteile waren<br />
in der DDR allgegenwärtig.,<br />
hielten vieles am<br />
Laufen. Selbst<br />
die Weltzeituhr<br />
auf dem Alexanderplatz<br />
drehte<br />
sich mit einem<br />
Trabi-Getriebe,<br />
Tausende Tüftler<br />
bauten sich<br />
aus Trabi-Teilen<br />
und dem, was sie<br />
noch organisieren konnten,<br />
landwirtschaftliche Maschinen,<br />
Eigenbau-Traktoren, sogenannte<br />
Benzinkühe, die auch<br />
gern zu Ausfahrten am Herrentag<br />
hervorgeholt wurden. Alle<br />
für einen, einer für alles.<br />
Dass der Trabi auch als Rennwagen<br />
nicht von Pappe war, belegt<br />
sein Erfolg bei diversen<br />
Rallyes. 1970 flitzen die Werksfahrer<br />
des VEB Sachsenring in<br />
Zwickau bei der Rallye Monte<br />
Carlo zu einem Doppelsieg in<br />
der kleinsten Klasse über die<br />
Ziellinie. Und das mit einem getunten<br />
46-PS-Trabi, dem am<br />
schwächsten motorisierten Auto<br />
des Teilnehmerfeldes. Eine<br />
„Rennpappe“ fuhr 1977 bei der<br />
internationalen Rallye Acropo-<br />
Geliebter<br />
Trabant,<br />
deine Geschichten<br />
sindnicht von Pappe<br />
DasDDR-Museum widmet dem Trabi eine Sonderausstellung<br />
und erzählt 26 Anekdoten rund um das Auto<br />
lis mit und schaffte es in der<br />
Klasse bis 1150 Kubikzentimeter<br />
– oder cc-Mücken, wie<br />
schon die Kinder lernten –als<br />
Zweiter ins Ziel im antiken<br />
Olympiastadion.<br />
Ein Denkmal hat er längst verdient,<br />
der Trabant. Der Pankower<br />
Steinmetz Carlo Wloch<br />
meißelte eines aus einem Block<br />
sächsischen Sandsteins. Das<br />
Original wiegt 650 Kilo, das<br />
Steinauto neun Tonnen. Oft<br />
blieben Leute am Zaun stehen,<br />
erzählt der Bildhauer. Sie fragten,<br />
ob man das Kunstwerk<br />
kaufen könne. „Kann man“,<br />
sagt Wloch. Mit den Preisen sei<br />
es wie beim Gebrauchtwagenhandel<br />
in der DDR. Dort stand<br />
das Autofenster einen Spalt<br />
weit offen und Interessenten<br />
konnten einen Zettel mit dem<br />
Preisangebot einwerfen.<br />
Für einen gut erhaltenen Trabant<br />
müssen Sammler heute<br />
um die 4000 Euro ausgeben.<br />
Der Trabi lebt, das belegen aktuelle<br />
Zulassungszahlen. Jedes<br />
Jahr werden 500 bis 1000 Trabis<br />
neu zugelassen. Enkel und<br />
Urenkel stöbern sie in den Garagen<br />
auf und entstauben sie.<br />
Von den 2,8 Millionen produzierten<br />
Trabant 601 waren 1989<br />
knapp zwei Millionen übrig.<br />
Heute sind 36259 zugelassen.<br />
„Mein Trabi –26Zweitakt-Geschichten“.<br />
Vom12. Juni bis zum 15.<br />
September im Foyer des DDR-Museums<br />
in der Karl-Liebknecht-Straße 1.<br />
Der Besuch ist kostenfrei.