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Impulsmagazin, Anregungen zum Nachdenken

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information & sprache<br />

Auf Auslandssemester:<br />

Meine Erfahrungen in Zagreb<br />

WENN MAN PLÖTZLICH EINEN ANDEREN NAMEN HAT<br />

Es fing schon bei der Anmeldung<br />

an: Name, Geburtsdatum, Geschlecht.<br />

Das sind Fakten, die ich<br />

ohne Nachdenken hinschreibe.<br />

Normalerweise. Doch während ich das<br />

Formular für mein Auslandssemester<br />

ausfülle, komme ich das erste Mal ins<br />

Stocken. Vorname: Tina. Soweit so gut.<br />

Nachname: Hier bleibe ich das erste Mal<br />

in meinem Leben hängen. Automatisch<br />

möchte ich Cakara schreiben. Doch ist<br />

das richtig? Die Sprache des Landes, in<br />

das ich fahren werde und woher auch<br />

mein Name kommt, besitzt 30 Buchstaben.<br />

Einen davon gibt es im Deutschen<br />

nicht: Č. Meine Hand mit dem Kugelschreiber<br />

schwebt unsicher über dem<br />

Papier. Dann greife ich zu meinem Handy<br />

und rufe meine Mutter an: „Weißt<br />

du wo meine Geburtsurkunde ist?“ Drei<br />

Minuten später halte ich sie in der Hand,<br />

gemeinsam mit meinem Reisepass.<br />

Zweimal erhalte ich die gleiche Antwort:<br />

Offiziell heiße ich Čakara.<br />

CÄSAR-ANTON-KONRAD-ANTON-<br />

RICHARD-ANTON<br />

Als Kind habe ich schnell gelernt meinen<br />

Namen zu buchstabieren. Das erste Mal<br />

brauchte ich das, als ich anfing meine<br />

Arzttermine selber auszumachen. Ihr<br />

Name? Cakara. Cäsar-Anton-Konrad-<br />

Anton-Richard-Anton. Tina. Jedes Mal.<br />

Jahrelang. In meiner ersten Woche in<br />

Zagreb bestelle ich eine Pizza. Vaše ime?<br />

(Ihr Name?) Čakara. Punkt. Kein Buchstabieren.<br />

Kein Nachfragen am anderen<br />

Ende der Leitung. Ich muss lächeln.<br />

<strong>MIT</strong> FREUNDLICHEN GRÜSSEN, TINA<br />

ČAKARA<br />

Meinen Nachnamen habe ich auch in<br />

Wien immer mit einem Č ausgesprochen<br />

(sprich: tsch). Doch in Zagreb<br />

beginne ich ihn das erste Mal auch<br />

mit Č zu schreiben: auf Hausübungen,<br />

Prüfungsblättern, in E-Mails. Selbst an<br />

meine englischen und deutschen ProfessorInnen<br />

in Zagreb schreibe ich: Mit<br />

freundlichen Grüßen, Tina Čakara oder<br />

Kind regards, Tina Čakara. Niemand<br />

wundert sich. Und ich gewöhne mich<br />

an den „neuen“ Namen schneller als<br />

gedacht.<br />

Was ein einzelner Buchstabe alles ausmachen<br />

kann! Ein C mit einem kleinen<br />

Häkchen. Oder mit „angry eyebrows“<br />

wie mein Freund immer sagt.<br />

Tina Čakara<br />

Studentin<br />

Junge Autorin<br />

Foto: © pixabay.com<br />

17 | <strong>JUNI</strong> <strong>2019</strong>

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