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Impulsmagazin, Anregungen zum Nachdenken

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information & wissenschaft<br />

Mehr Herz(en) für die Mitmenschen:<br />

Freiwillig und unentgeltlich<br />

DANK GENTECHNIK KOMMEN BALD AUCH TIERE ALS SPENDER FÜR GANZE<br />

ORGANE IN BETRACHT<br />

Thomas Kolbe<br />

Fachwissenschaftler<br />

für Versuchstierkunde,<br />

Ao. Prof. für die<br />

Service-Plattform<br />

Biomodels Austria<br />

Veterinärmedizinische<br />

Universität Wien<br />

Die Überschrift ist ausnahmsweise<br />

kein Appell für mehr Mitgefühl<br />

gegenüber dem Nächsten.<br />

Es ist ein Hinweis auf den akuten<br />

Mangel an Transplantationsorganen.<br />

2017 betrug die Wartezeit auf ein Spenderorgan<br />

bis zu 39 Monate. 780 Patientinnen<br />

und Patienten standen 2017 in<br />

Österreich auf der Warteliste, 206 haben<br />

in dem Jahr eine Organspende bekommen.<br />

Durch die Lungentransplantation<br />

bei Niki Lauda wurde das Thema wieder<br />

stärker an die Öffentlichkeit gebracht.<br />

Dabei führte bereits 1967 Christiaan<br />

Barnard in Südafrika die erste Herztransplantation<br />

durch. In den 50er und 60er<br />

Jahren des letzten Jahrhunderts machte<br />

die noch junge Transplantationsmedizin<br />

durch Erkenntnisse aus Tierversuchen<br />

große Fortschritte. Alle Versuche an<br />

menschlichen Patienten endeten bis dahin<br />

tödlich. Vornehmlich an Hunden als<br />

Versuchstiere entwickelte man wichtige<br />

Techniken wie die HLA-Typisierung zur<br />

Überprüfung der Organkompatibilität<br />

und die Nutzung von Herz-Lungen-Maschinen<br />

für den mehrstündigen Eingriff.<br />

Inzwischen beherrschen die Transplantationschirurgen<br />

ihr Handwerk<br />

sehr gut. Allein der seit Jahrzehnten<br />

herrschende Mangel an Spenderorganen<br />

ist immer noch akut. Daher<br />

kam man schon früh auf die Idee,<br />

Organe von Tieren für menschliche<br />

Patienten zu nutzen. Das geht aber nur,<br />

wenn die Oberflächenmarker der Tiere<br />

durch gentechnische Veränderungen, denen<br />

des Menschen angeglichen werden.<br />

Da sich menschliche und tierische Zellen<br />

in einer Vielzahl von Rezeptoren, Signalmolekülen<br />

und Botenstoffen unterscheiden, war<br />

das bisher ein Weg, der dem Ziel kaum näher<br />

gekommen ist. Seitdem die Genschere CRISPR/<br />

Cas bekannt ist, schreiten die Forscher aber<br />

mit großen Schritten voran. Denn mit diesem<br />

molekulargenetischen Werkzeug kann man<br />

gleich Dutzende von genetischen Veränderungen<br />

auf einmal durchführen. In München sind derart<br />

Schweine erzeugt worden, deren Herzen nach<br />

Transplantation in Paviane 6 Monate lang problemlos<br />

funktionierten. Die Chancen, dass solch<br />

ein Schweineherz auch in einem Menschen seine<br />

Funktion erfüllt sind recht groß. Daher werden<br />

sicher bald klinische Versuche an Patienten<br />

erfolgen.<br />

Einen anderen Weg gehen Forscher, die ein Organ<br />

aus rein menschlichen Zellen in einem Tier<br />

heranzüchten möchten: In ersten Versuchen ist<br />

es gelungen, in Ratten, welche keine Bauchspeicheldrüse<br />

bilden konnten, durch Einpflanzen von<br />

Mäusestammzellen eine für Mäuse geeignete<br />

Bauchspeicheldrüse zu züchten. Denkbar wäre<br />

es also, in Schweinen ohne eigene Bauchspeicheldrüse<br />

mit menschlichen Stammzellen eine<br />

patienteneigene menschliche Bauchspeicheldrüse<br />

zu züchten. Wenn wir die Schweine zu<br />

Millionen schlachten, um Schnitzel auf dem<br />

Teller zu haben, dann wären ein paar Hundert<br />

Schweine als Organspender kein größeres<br />

ethisches Problem. Und da die Stammzellen vom<br />

Organempfänger stammen würden, bräuchte<br />

man sich um eine mögliche Abstoßungsreaktion<br />

gar keine Sorgen mehr machen. Wenn es<br />

da nicht zwei Probleme gäbe: Die Stammzellen<br />

bilden nicht nur das fehlende Organ aus, sie<br />

finden sich u.a. auch im Gehirn und in den<br />

Fortpflanzungsorganen der Schweine. Und da<br />

wird es dann ethisch schon sehr bedenklich.<br />

14 | <strong>JUNI</strong> <strong>2019</strong>

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