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Sprungbrett_Ausgabe 2019_01

Das Netzwerkmagazin des APOLLON Alumni Network e.V. Die aktuelle Auflage beschäftigt sich mit dem Thema "Buurtzorg" - ein niederländisches Pflegemodell und ob man so etwas auch in Deutschland implementieren kann. Wer Lust auf verschieden Sichtweisen dazu hat, ist in diesem Heft goldrichtig :-).

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Das Buurtzorg-Modell – ein Modell zur Kostensenkung in der ambulanten Pflege?<br />

Buurtzorg-Pflegedienste sparen<br />

bewilligte Pflegestunden ein<br />

Die staatlich-finanzierte Hauskrankenpflege<br />

in den Niederlanden wird<br />

entsprechend des Pflegebedarfs des<br />

Klienten in Zeitstunden bewilligt. Eine<br />

Studie von Ernst und Young aus dem<br />

Jahr 2009 fand heraus, dass Pflegeanbieter,<br />

die nach dem Buurtzorg-Modell<br />

vorgehen, im Durchschnitt lediglich<br />

40 % der bewilligten Zeitstunden<br />

benötigten, um die Bedarfe der<br />

Klienten zu erfüllen, im Vergleich zu<br />

anderen Pflegedienstleistern, die 70%<br />

der bewilligten Zeitstunden benötigten.<br />

Weiterhin wurde festgestellt,<br />

dass die Klienten schneller wieder<br />

selbstständig wurden, weniger Krankenhausaufenthalte<br />

hatten und nach<br />

Krankenhausaufenthalten schneller<br />

wieder entlassen werden konnten.<br />

Hinzu kamen deutlich geringere Fixkosten,<br />

niedrigere Krankenquote und<br />

eine geringere Fluktuation bei den<br />

Mitarbeitenden der Buurtzorg-Pflegedienste<br />

[2]. Eine im Auftrage des<br />

niederländischen Ministeriums für<br />

Gesundheit, Wohlfahrt und Sport<br />

im Jahre 2<strong>01</strong>5 veröffentlichte Studie<br />

von KPMG bestätigte den Kostenvorteil<br />

der Buurtzorg-Pflegeanbieter im<br />

Vergleich zu den durchschnittlichen<br />

Kosten traditioneller Anbieter und<br />

widerlegte mittels einer Case-Mix-adjustierten<br />

Analyse zugleich die Kritik,<br />

Buurtzorg-Anbieter wählten bewusst<br />

Klienten mit hohem Deckungsbeitrag.<br />

Auch unter Berücksichtigung weiterer<br />

Kostenarten wie individueller ( Folge-)<br />

Kosten für medizinische Versorgung<br />

bestand der Kostenvorteil der Buurtzorg-Anbieter<br />

weiter. Aufgrund deutlich<br />

höherer Kosten für medizinische<br />

Versorgung verminderte sich dieser<br />

jedoch insgesamt deutlich. Die<br />

Case-Mix-adjustierten Gesamtausgaben<br />

je Klient lagen somit ungefähr<br />

im Bereich der durchschnittlichen<br />

Gesamtausgaben je Klient der übrigen<br />

niederländischen Anbieter für<br />

Hauskrankenpflege. Die KPMG-Studie<br />

bestätigte neben der Kosteneffizienz<br />

auch die Klienten- und die Zufriedenheit<br />

der Mitarbeitenden [3].<br />

Kostenvorteile sind insbesondere<br />

strukturbedingt<br />

Buurtzorg-Pflegeanbieter sind als<br />

gemeinnützige Unternehmen organisiert<br />

und verfolgen eine professionelle,<br />

häusliche und wohnortnahe<br />

Versorgung von Pflegebedürftigen.<br />

Dabei wird in hohem Maße mit Nachbarn,<br />

sozialen Diensten, Ärzten und<br />

Angehörigen zusammen gearbeitet.<br />

Die Klienten werden, wo immer möglich,<br />

zur Selbsthilfe aktiviert, Nachbarn<br />

und Angehörige bei nicht-pflegerischen<br />

Tätigkeiten als Unterstützung<br />

herangezogen. Die Pflegeteams von<br />

aus bis zu 12 Mitarbeitenden arbeiten<br />

autonom und ohne hierarchische Zwischenstufen.<br />

Eine zentrale Verwaltung<br />

unterstützt bei bürokratischen Prozessen<br />

und organisiert Coachings für<br />

die Teams. Durch den umfassenden<br />

Einsatz von IT bei der Planung, Dokumentation<br />

und Datensammlung können<br />

die Zeitaufwände der Mitarbeitenden<br />

für diese Tätigkeiten deutlich<br />

gesenkt und die Arbeitszeit der Pflegenden<br />

effizient für die Klientenbetreuung<br />

eingesetzt werden. Aufgrund<br />

des kleinen Versorgungsgebietes der<br />

Teams entfallen Wegezeiten, sodass<br />

auch hier mehr Arbeitszeit für die Versorgung<br />

der Klienten zur Verfügung<br />

steht. Insgesamt ist festzustellen, dass<br />

die Mitarbeitenden sich fokussiert auf<br />

die Pflege der Klienten konzentrieren<br />

und Zeitaufwände für Wegestrecken,<br />

Planung und Dokumentation auf ein<br />

Minimum reduziert werden können.<br />

Durch den gezielten Aufbau von<br />

Netzwerken sowohl im privaten Umfeld<br />

der Klienten als auch im medizinischen<br />

Versorgungsbereich ergeben<br />

sich ebenfalls große Synergien, die<br />

die Pflegenden maßgeblich entlasten.<br />

Neben den positiven Auswirkungen<br />

auf die Kosteneffizienz dürften in diesen<br />

Punkten wohl auch Hinweise für<br />

die Zufriedenheit der Pflegenden und<br />

auch der Klienten zu finden sein.<br />

Integrierte versus tayloristische<br />

Betreuung der Pflegebedürftigen<br />

Als Auslöser für die Entwicklung des<br />

Buurtzorg-Modells wird die Unzufriedenheit<br />

der Pflegenden mit der traditionellen<br />

Form der Hauskrankenpflege<br />

benannt, welche auf der sogenannten<br />

tayloristischen Aufgabenverteilung<br />

beruht. Fehlende Kommunikation<br />

zwischen den verschiedenen Professionen<br />

und Anbietern von Gesundheits-<br />

und Pflegeleistungen, häufig<br />

verbunden mit geringer Wertschätzung<br />

der Pflegenden, erschwerten<br />

eine ganzheitliche Pflege und Betreuung<br />

der Hilfsbedürftigen [4]. Die tayloristische<br />

Aufgabenteilung ist auch<br />

im Pflegesystem in Deutschland das<br />

überwiegend praktizierte Modell.<br />

Neben der deutlichen interprofessionellen<br />

Aufgabenabgrenzung wird<br />

dies auch in der Vergütungsweise der<br />

Pflegeleistungen deutlich. Die Vergütung<br />

von Pflegeleistungen erfolgt im<br />

Regelfall (SGB XI) je Leistungskomplex<br />

wie Waschen, Lagern oder das Verabreichen<br />

von Arzneimitteln.<br />

Buurtzorg-Modellprojekte sind<br />

auch in Deutschland am Start<br />

Auch in Deutschland wird das Buurtzorg-Modell<br />

von Pflegediensten zunehmend<br />

aufgegriffen und der ganzheitliche<br />

Pflege- und Betreuungsansatz<br />

wieder in den Fokus gerückt. Im<br />

nordrhein-westfälischen Emsdetten<br />

rechnen bereits zwei private Pflegedienste<br />

auf Stundenbasis mit den Pflegekassen<br />

ab [5]. Weiterhin ist in Nordrhein-Westfalen<br />

zwischen den Buurtzorg-Deutschland-Pflegediensten<br />

und den regionalen Pflegekassen ein<br />

Modellprojekt nach § 8 Abs. 3 SGB XI<br />

geplant, in dem geprüft werden soll,<br />

wie sich ein Pflege-Zeitbudget anstel-<br />

www.apollon-alumni.de 13

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