Berliner Kurier 11.06.2019
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HINTERGRUND<br />
VonBienchen<br />
und Blümchen<br />
Jederzeit und immer wird<br />
heute über Sexgesprochen<br />
–doch das warnicht<br />
immer so. Während der<br />
Osten schon immer ein etwasfreizügigeres<br />
Leben<br />
lebte, ging’s im Westen in<br />
Sachen Aufklärung verklemmter<br />
zu. Doch nun<br />
gibt’s ein Jubiläum zu feiern:<br />
Vor50Jahren kam<br />
das erste Aufklärungsbuch<br />
auf den Markt,herausgegeben<br />
vonder Bundeszentrale<br />
für gesundheitliche<br />
Aufklärung.<br />
Mathe,<br />
Deutsch,<br />
Sex<br />
1969 stellte die SPD-Politikerin<br />
Käte Strobel den Sexualkunde-<br />
Atlas für den Schulunterricht<br />
vor, der vonder Bundeszentrale<br />
für gesundheitliche Aufklärung<br />
(BZgA) herausgegeben wurde.<br />
Vor 50 Jahren kam Aufklärung auf den Stundenplan<br />
Die Geschichte von Bienchen<br />
und Blümchen. So<br />
sah Sexualerziehung in<br />
Deutschland oft noch bis in die<br />
60er Jahre aus –wenn es sie<br />
überhaupt gab. Dann begann eine<br />
kleine Revolution. Vor 50<br />
Jahren, am 10. Juni 1969, erschien<br />
der Sexualkunde-Atlas.<br />
In der Bundesrepublik war er<br />
das erste offizielle Schulbuch<br />
zum Thema Aufklärung. Seitdem<br />
hat sich in Wellenbewegungen<br />
eine Menge getan. Luft<br />
nach oben sehen Sexualpädagogen<br />
aber bis heute.<br />
Ein Querformat mit weißem<br />
Einband: So unscheinbar kam<br />
der Sexualkunde-Atlas, herausgegeben<br />
von der Bundeszentrale<br />
für gesundheitliche Aufklärung<br />
(BZgA), vor 50 Jahren auf<br />
den Markt. Auch die bauchigbunte<br />
Grafik auf dem Titelbild<br />
ließ nicht ahnen, worum es<br />
ging. Doch schnell wurde das<br />
Schulbuch, das es auch im freien<br />
Verkauf gab, zum Bestseller.<br />
Es war die Zeit der Aufklärungsfilme<br />
von Oswald Kolle<br />
und der Studentenbewegung,<br />
die unter anderem die „freie<br />
Liebe“ propagierte.<br />
Doch Kinder und Teenager<br />
aufklären? Für viele Eltern hörte<br />
da der Spaß auf. So kam es in<br />
Westdeutschland einem Paukenschlag<br />
gleich, als die Kultusministerkonferenz<br />
1968 gegen<br />
Widerstände einen ersten<br />
Erlass zur Sexualaufklärung an<br />
Schulen erließ. Die DDR war<br />
weniger verklemmt. Sexuelle<br />
Bildung stand bereits seit 1959<br />
im Lehrplan. Auch West-Berlin<br />
hatte aus dieser Zeit Regelungen,<br />
Hessen seit 1967.<br />
„Aber sonst gab es an Schulen<br />
im Grunde keine Aufklärung“,<br />
sagt die Freiburger Sexualpädagogin<br />
und Forscherin Renate-<br />
Berenike Schmidt. Sexualerziehung<br />
sei meist durch Pfarrer<br />
oder Lehrkräfte für Religion geleistet<br />
worden. „Aufklärung<br />
stand da nicht im Vordergrund.<br />
Es ging um Erziehung zur<br />
Schamhaftigkeit.“<br />
Heute ist Sexualkunde in<br />
Sachkunde- und Biologie-Stunden<br />
fest verankert. „Fächerübergreifend<br />
ist das Prinzip in<br />
der Schule aber mehr oder weniger<br />
gescheitert“, bedauert<br />
Wissenschaftlerin Schmidt.<br />
Noch immer werde Sexualpädagogik<br />
auch bei der Lehrerausbildung<br />
eher stiefmütterlich<br />
behandelt.<br />
Das mag überraschen. Denn<br />
die jüngste BZgA-Studie zur<br />
Jugendsexualität aus den Jahren<br />
2014/15 belegt, wie wichtig<br />
Schule neben dem Elternhaus<br />
1961 kam dieses<br />
Aufklärungs-Buch<br />
auf den Markt.<br />
noch immer für sexuelle Bildung<br />
ist. 80 Prozent der befragten<br />
Jugendlichen gaben an, ihr<br />
Wissen über Sexualität, Verhütung<br />
oder Schwangerschaft<br />
auch aus dem Unterricht zu<br />
haben. Für Jungen war die<br />
Schule sogar der wichtigste<br />
Lernort dafür.<br />
Beate Proll ist Berichterstatterin<br />
für die Kultusministerkonferenz<br />
für Gesundheitsförderung<br />
und Prävention. Sie hält<br />
sexuelle Bildung an Schulen<br />
heute sogar für wichtiger denn<br />
je. „Dabei geht es auch darum,