WOLL Magazin Warstein Möhnesee Rüthen Sommer 2019
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einst versunkenen Anwesen treten übrigens<br />
in sehr seltenen Fällen wieder ans Tageslicht.<br />
Aber zurück in die Vergangenheit: Auf dem<br />
Mühlenschulzen-Hof wurde Peter Schlinkert<br />
nicht nur gut bezahlt, sondern er wurde auch<br />
gut und freundlich bewirtet. Man betrachtete<br />
ihn fast schon als zum Hof zugehörig. Sein<br />
Rat auch zu landwirtschaftlichen Fragen<br />
wurde hoch geschätzt.<br />
Von Stockum aus trieb ihn oftmals ein „ …<br />
unnennbares Etwas, beim Zwielichte oder<br />
im nächtlichen Dunkel jedem unwiderstehlichen<br />
Hange zu folgen, der ihn die Höhen<br />
der Haar, an die Ufer der Möhne oder in die<br />
schauerliche Waldeinsamkeit der benachbarten<br />
Drostheide führte“. Mit Schlinkerts<br />
Weissagungen befasste sich Ludwig F. von<br />
Schmitz in seinem Buch „Peter Schlinkert.<br />
Seher im Möhnethale (1850)“ sehr intensiv.<br />
Dort ist auch von der „Schlacht am Birkenbaum“<br />
(zwischen Unna, Hamm und Werl)<br />
zu lesen. Ein Zeitgenosse Schlinkerts, der<br />
Seher „Bauer Jasper“ aus Dortmund sah sie<br />
ebenfalls voraus: „Am Birkenbaume wird<br />
die Armee des Westens gegen die Armee des<br />
Ostens eine furchtbare Schlacht kämpfen<br />
und nach vielen blutigen Opfern den Sieg<br />
erringen. Nach diesen Tagen des Unglücks<br />
und Jammers kehret aber Freude und Frieden<br />
in Deutschland ein…“<br />
Am 22. Januar 1854 wollen zahlreiche Büdericher<br />
gesehen haben, dass gegen Abend ein<br />
riesiges Heer, mit Infanterie, Kavallerie und<br />
zahlreichen Wagen, auf der Haar von Schlückingen<br />
nach Schafhausen gezogen ist. Das<br />
Ereignis wurde auch durch die überregionale<br />
Presse aufgenommen und schließlich sogar<br />
durch einen, durch die Regierung beauftragten<br />
Professor untersucht. Ob Schlinkert<br />
in seiner Vision diese Truppenbewegung als<br />
Schlacht gesehen<br />
hat und nicht eine<br />
künftige, ist fraglich.<br />
Die Weissagung<br />
einer Schlacht am Birkenbaum<br />
gibt es auch in anderen<br />
Quellen. Bereits 1701 wurde<br />
in einer von Jesuiten aus Köln<br />
veröffentlichten Prophezeiung darauf<br />
hingedeutet: „Am Birkenwäldchen, nahe<br />
Budberg, wird dieses Treffen beginnen“.<br />
Der Mythos der Schlacht am Birkenbaum<br />
beziehungsweise -wald wurde vielfach aufgegriffen.<br />
Die Stadt Werl hat beispielsweise<br />
eine Radtour danach benannt. Schlinkert<br />
wird noch eine andere Voraussage zugewiesen<br />
und zwar die einer „letzten großen<br />
Schlacht auf deutschem Boden bei dem Dorfe<br />
Schmerlecke“. Aus historischer Sicht sind die<br />
Geschichten des Seilermeisters wohl als gute<br />
Unterhaltung seiner Kundschaft und Bekannten<br />
zu interpretieren. In dieser Zeit dürften die<br />
Orte des Hellwegs wie Budberg, Holtum oder<br />
Schmerlecke im Möhnetal zwar bekannt gewesen,<br />
aufgrund der nicht vorhandenen Mobilität<br />
aber eher selten oder gar nicht von den Möhnetalern,<br />
vielfach Leibeigene, aufgesucht worden<br />
sein. Sie waren im wahren Sinne des Wortes<br />
„über dem Berg“. Die ständigen Truppenbewegungen<br />
der alten Heeresstraße waren damit<br />
einem charismatischen Erzähler wie Schlinkert<br />
wohl guter Stoff, um Prophezeiungen kundzutun<br />
und sich einen bis heute bestehenden Ruf<br />
zu erarbeiten. Ob man die Weissagungen des<br />
Sehers nun für bare Münze nimmt, ist jedem<br />
Einzelnen überlassen. Zutreffende Voraussagen<br />
über Brände auf diversen Gehöften in<br />
Echtrop und auch dem Mühlenschulzen-Hofe<br />
Jahrzehnte nach Schlinkerts Tod werden ihm<br />
ebenfalls zugesagt. Eine bemerkenswerte Persönlichkeit<br />
war der Seher auf jedem Fall. ■<br />
12 - <strong>WOLL</strong> <strong>Sommer</strong> <strong>2019</strong>