WOLL Magazin Warstein Möhnesee Rüthen Sommer 2019
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"Ein Mann der<br />
Widersprüche"<br />
hausen, wollte seine Ruhe haben. Doch<br />
schon bald folgten weitere Neubauten.<br />
„Das Dorf holte ihn ein“, sagt Dr. Witt<br />
lächelnd. „Daraufhin hat er sein ganzes<br />
Grundstück zuwuchern lassen und Bäume<br />
gepflanzt. Das war seine Art, Abstand zu<br />
halten.“ Einen Abstand, den er auch dann<br />
und wann einmal überwunden hat. „Einmal<br />
brachen Jugendliche in sein Haus ein,<br />
machten es sich im Wohnzimmer gemütlich<br />
und tranken sein Bier“, erzählt Dr.<br />
Forssbohm. „Und was machte Sylvanus? Er<br />
nahm ein Bier und setzte sich dazu!“<br />
BUCHKRITIK:<br />
DIE MACHT DER<br />
GEGENREDE<br />
Das „Lesebuch Erwin<br />
Sylvanus“ beinhaltet<br />
Sylvanus' von nationalsozialistischen<br />
Gedanken durchtränkte<br />
Geschichten,<br />
anrührende und<br />
feinsinnige zwischenmenschliche<br />
Beobachtungen<br />
späterer Jahre, Appelle<br />
an die Menschlichkeit, amüsante<br />
wie nachdenklich machende<br />
Briefwechsel und nicht zuletzt Kommentare<br />
von Zeitzeugen; es ist die Chronologie<br />
eines menschlichen Wandels. Sie zeigt,<br />
welch großen Stellenwert Widerworte<br />
einnehmen. Wie wichtig es ist, menschenfeindlichen<br />
Gesinnungen Einhalt zu<br />
gebieten und immer wieder das Gespräch<br />
zu suchen. Das Buch soll mit seinen 159<br />
Seiten Lust machen, sich eingehender mit<br />
dem Schriftsteller zu beschäftigen - dies<br />
ist Dr. Witt und Dr. Forssbohm aufs<br />
Trefflichste gelungen! ■<br />
Dr. Ulrike Witt wurde am 1963<br />
in Soest geboren und wuchs<br />
in Völlinghausen auf. Nach<br />
dem Abitur am Conrad-von-<br />
Soest-Gymnasium studierte<br />
sie in Göttingen Mittlere und<br />
Neuere Geschichte, Soziologie<br />
und Publizistik. 1993 folgte die<br />
Promotion. Seit 2014 leitet Dr.<br />
Ulrike Witt das Projektbüro<br />
Südniedersachsen.<br />
Anfang <strong>2019</strong> erschien das<br />
„Lesebuch Erwin Sylvanus“, eine<br />
Biografie soll noch folgen. Mehr<br />
Informationen zu „Erwin Sylvanus<br />
- Das Projekt“ unter<br />
https://erwinsylvanus.blog/<br />
Erwin Sylvanus wuchs in Dortmund<br />
und Soest auf, wo er 1917 geboren<br />
wurde und 1985 starb. Ab 1934<br />
war er Mitglied der Hitlerjugend.<br />
1937 meldete er sich freiwillig zum<br />
Reichsarbeitsdienst und zum Heer,<br />
aus dem er 1938 aufgrund einer<br />
Tuberkuloseerkrankung entlassen<br />
wurde. Seit den 30ern journalistisch<br />
tätig, versuchte er nun auf diese<br />
Art seinen Lebensunterhalt und<br />
den seiner Mutter zu sichern.<br />
1941 trat Sylvanus in die NSDAP<br />
ein. Er verfasste im Lauf der Jahre<br />
zahlreiche kriegsverherrlichende<br />
„Blut- und Boden“-Schriften. Nach<br />
1945 wandte er sich immer mehr<br />
von der Nazi-Ideologie ab und dem<br />
Humanismus zu.<br />
1954 ließ er sich in Völlinghausen<br />
nieder. Im Dezember fand die<br />
Uraufführung des „Soester<br />
Friedensspiels“ unter der<br />
Trägerschaft des Aldegrever<br />
Gymnasiums in Soest statt. 1957<br />
verfasste Sylvanus das Holocaust-<br />
Drama „Korczak und die Kinder“,<br />
das in Göttingen uraufgeführt<br />
und weltweit berühmt wurde.<br />
50 - <strong>WOLL</strong> <strong>Sommer</strong> <strong>2019</strong>