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Berliner Kurier 02.09.2019

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**<br />

WAHL-SPEZIAL 5<br />

Linkekleinlaut: Wir habenPolitik<br />

vonoben gemacht<br />

Partei entsetzt über Absturzinder Gunst der Wähler im Osten<br />

Foto: dpa<br />

Kathrin Dannenberg,<br />

Spitzenkandidatin<br />

der<br />

brandenburgischen<br />

Linken<br />

Sie können es offensichtlich kaum fassen: Linke-Politiker in Sachsen<br />

blicken betroffen auf ihreZahlen.<br />

Potsdam/Dresden –Bei der<br />

Linken herrscht nach den<br />

Landtagswahlenn in Branden-<br />

nacktes<br />

burg und Sachsen<br />

Entsetzen. Die Partei, die<br />

einst als Ost-Partei par exceljeweils<br />

acht<br />

lence galt, hat<br />

Prozentpunkte verloren und<br />

dümpelt hier wie dort nach<br />

den ARD-Hochrechnungen<br />

nur noch bei zehn Prozent<br />

herum. In Sachsen ist die<br />

neue Protestpartei AfD fast<br />

dreimal so stark. Bei der Eudie<br />

Linke le-<br />

ropawahl hatte<br />

diglich knapp sechs Prozent<br />

erzielt.<br />

Kathrin Dannenberg, Spitder<br />

Branden-<br />

zenkandidatin<br />

burgischen Linken, zeig-<br />

te sich<br />

enttäuscht.<br />

„Wir haben Politik<br />

von<br />

oben gemacht,<br />

wir wa-<br />

zu wenig<br />

ren<br />

inden Regionen,<br />

haben zu<br />

wenig mit den<br />

Menschen geredet. Das ist ein<br />

Thema, das wir verpasst<br />

haben und das wir zu spät begonnen<br />

haben“, räumte sie in<br />

der ARD ein. Was die soziale<br />

Frage und die soziale Spaltung<br />

betreffe, seien die Menschen<br />

nicht erreicht worden.<br />

Der Vorsitzende der Linksfraktion<br />

im Bundestag, Dietmar<br />

Bartsch, twitterte: „Meine<br />

Partei hat an diesem Sonntag<br />

ein beispielloses Desaster<br />

erlebt, obwohlviele engagiert<br />

gekämpft haben.“ Sie müsse<br />

nun „strategische, programmatische<br />

und weitere Grundfragen<br />

stellen und beantworten“.<br />

Der Spitzenkandidat der<br />

sächsischen Linken, Rico<br />

Gebhardt, sagte im MDR: „Es<br />

ist eine Katastrophe, die wir<br />

da eingefahren haben. Das Ergebnis<br />

kann uns inkeinster<br />

Weise zufrieden stellen.“<br />

Brandenburgs Sozialministerin<br />

Susanna Karawanskij<br />

sprach von einem „bitteren<br />

DasblankeEntsetzen steht auch den Genossen in Potsdam ins Gesicht geschrieben.<br />

Ergebnis“. Klar sei, „dass es<br />

auf jeden Fall ein Weiter so<br />

nicht gibt“, sagte sie im RBB.<br />

Die Linke war in den vergangenen<br />

Jahren gegenüber der<br />

AfD immer stärker ins Hintertreffen<br />

geraten. Außerdem<br />

waren die Partei- und Fraktionsführung<br />

permanent in persönliche<br />

und strategische Auseinandersetzungen<br />

verstrickt,<br />

allen voran über die Flüchtlingspolitik,<br />

so dass immer unklarer<br />

wurde, wofür die Partei<br />

eigentlich steht.<br />

Zuletzt verzichteteFraktionschefin<br />

Sahra Wagenknecht auf<br />

eine erneute Kandidatur; die<br />

Neuwahl des Fraktionsvorstandes<br />

wurde aus Angst vor erneuten<br />

Konfliktenauf die Zeit nach<br />

der Thüringer Landtagswahl<br />

am 27. Oktober verschoben. Im<br />

nächsten Jahr steht auch die<br />

Neuwahl des Parteivorstandes<br />

an. Parteichefin Katja Kipping<br />

sagte: „Solche Zahlen schmerzen,<br />

das istganzklar.“ImOsten<br />

habe sich 30 Jahre lang etwas<br />

„in besonderer Art und Weise“<br />

ausgetobt, wasden Rechten den<br />

Boden bereitethabe, dassei der<br />

Marktradikalismus. Dieser erziehe<br />

Menschen dazu, den Ellenbogen<br />

einzusetzen. „Und<br />

von dieser Saat profitiert jetzt<br />

leider die AfD.“<br />

Ein kleiner Lichtblick aus<br />

linker Perspektive: Die Umfragen<br />

für die Linke im von Bodo<br />

Ramelow regierten Thüringen<br />

sind passabel. Denkbar ist,<br />

dass die rot-rot-grüne Koalition<br />

dort nach dem Wahltag<br />

weiter regieren kann.<br />

Markus Decker<br />

Spurten zu den Wahlurnen<br />

Es gaben deutlich mehr Wähler in Brandenburgund<br />

Sachsen ihreStimmen ab, als noch im Jahr 2014<br />

Potsdam/Dresden –Wahlmüdigkeit<br />

–das war gestern. Bei<br />

den Landtagswahlen in Brandenburg<br />

und Sachsen war auffällig,<br />

dass die Wahlbeteiligung<br />

deutlich höher ausfiel als gewöhnlich.<br />

In Sachsen lag sie laut<br />

ARD bei 65 Prozent und damit<br />

deutlich höher als 2014: Damals<br />

waren nur gut 49 Prozent der<br />

Wähler an die Urnen gegangen.<br />

In Brandenburggaben laut ARD<br />

60,5 Prozent der Wahlberechtigten<br />

ihre Stimme ab –gegenüber<br />

47,9 Prozent vor fünf Jahren.<br />

Im Bundesländervergleich<br />

waren bei den vergangenen<br />

Landtagswahlen nirgendwo so<br />

wenige Wahlberechtigte in die<br />

Wahllokale gegangen wie in<br />

Brandenburg und Sachsen.<br />

Allerdings zeichnete sich bereits<br />

bei der Bundestagswahl<br />

vor zwei Jahren ein Aufwärtstrend<br />

ab: In Brandenburg stieg<br />

die Wahlbeteiligung seit 2014<br />

um mehr als fünf Prozentpunkte<br />

auf 73,7 Prozent, in Sachsen<br />

stieg sie um fast sechs Prozentpunkte<br />

auf 75,4 Prozent.<br />

Foto: dpa<br />

60,5 Prozent der Wahlberechtigten gaben in BrandenburgihreStimme ab.<br />

Noch auffälliger war der Anstieg<br />

der Wahlbeteiligung bei<br />

der Europawahl im Mai. Von<br />

2014 auf 2019 stieg der Wert in<br />

Sachsen um 14,4 Prozentpunkte<br />

auf 63,6 Prozent. Auch Brandenburg<br />

erlebte einen Anstieg<br />

um fast 13 Prozentpunkte auf<br />

59,5 Prozent.<br />

Auch interessant: Männer<br />

wählen anders als Frauen –zumindest<br />

wenn es um SPD und<br />

AfD bei der Landtagswahl in<br />

Brandenburg geht. Nach einer<br />

ersten Erhebung der Forschungsgruppe<br />

Wahlen haben<br />

24 Prozent der wahlberechtigten<br />

Männer die Sozialdemokraten<br />

gewählt, aber 29 Prozent<br />

der wahlberechtigten Frauen.<br />

Bei der AfD sah das Verhältnis<br />

der Geschlechter andersherum<br />

aus: Die Partei bekam die Stimmen<br />

von 30 Prozent der wahlberechtigten<br />

Männer, aber nur<br />

von 19 Prozent der wahlberechtigten<br />

Frauen.

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