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hinnerk Oktober/November 2019

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MUSIK<br />

NACHGEFRAGT<br />

CHARLI<br />

S<br />

XCX:<br />

laut und leise<br />

„Was daran jetzt sexy sein<br />

soll, kann ich nicht nachvollziehen“,<br />

motzt Charlotte Emma<br />

Aitchison aus Cambridge, die sich<br />

beruflich Charli XCX nennt und seit<br />

dem Welterfolg des von ihr verfassten<br />

Icona-Pop-Knallers „I Love It“ zu<br />

Beginn der Zehnerjahre ein Popstar<br />

ist, wenn man sie auf die erotische<br />

Komponente des Covers ihres<br />

dritten, schlicht „Charli“ betitelten<br />

Albums anspricht.<br />

Sieht man sie dort doch oberhalb der Taille<br />

nackt, bekleidet lediglich von einem langen<br />

bunten Wurm, der vielleicht auch eine<br />

dünne Schlange sein könnte. Allerdings, da<br />

muss man der 27-Jährigen beipflichten,<br />

blickt sie nicht besonders lasziv auf dem<br />

Bild, sondern eher etwas weggetreten<br />

oder so, als meditiere sie. „Du und ihr alle<br />

haltet das für erotisch, weil der weibliche<br />

Körper durch die Medien total sexualisiert<br />

wurde“, setzt die erklärte Feministin<br />

(„Immer mehr Macht in der Musikindustrie<br />

liegt in den Händen von Frauen“) ihre Tirade<br />

nun fort. „Ich habe einen Körper, du hast<br />

einen Körper, meine Mutter hat auch einen<br />

Körper.“ Ja, und? „Ich bin doch einfach<br />

nur unbekleidet. Wäre ich alt, ein Mann<br />

oder hätte mein Körper eine andere Form,<br />

würdest du doch auch nicht sagen, dass<br />

das sexy aussieht.“ Da mag sie recht haben,<br />

aber Kunst ist halt nun einmal frei interpretierbar.<br />

Jedenfalls, so Charli, sich selbst<br />

wieder einigermaßen im Zaum habend,<br />

wollte sie sich auf dem Foto so zeigen, wie<br />

sie eben ist: unverstellt und echt. „Mir geht<br />

es um Ehrlichkeit und um Wahrheit. Dieses<br />

Ziel, aufrichtig zu sein, verfolge ich auch<br />

mit meinen neuen Liedern“, beteuert sie.<br />

Und besser, man fragt an dieser Stelle jetzt<br />

nicht auch noch, warum „Señorita“, der<br />

Sommerhit von Camila Cabello und Shawn<br />

Mendes, der Handanlegung<br />

acht verschiedener<br />

Songwriter/-innen<br />

bedurfte (von denen sie<br />

eine war), wo doch ein<br />

Kompositionspraktikant<br />

locker genügt hätte.<br />

Aber Widersprüche<br />

müssen ja nicht<br />

schlecht sein, und<br />

deshalb zelebriert die<br />

mittlerweile in Los Angeles<br />

lebende Charli die<br />

ihrigen. „Früher habe ich<br />

mich leicht geschämt, Popmusik zu lieben“,<br />

sagt sie, „aber da war ich 16 und wollte cool<br />

sein. Heute ist mir klar, dass es kaum etwas<br />

Cooleres gibt als guten Pop.“ Von dem<br />

„Charli“ glücklicherweise voll ist. Vier Jahre<br />

sind ins Land gezogen, seit Charlis vorheriger<br />

Platte „Sucker“ (mit den Hits „Boom<br />

Clap“ und „Break The Rules“), „in dieser<br />

Zeit habe ich unglaublich viele Erfahrungen<br />

gesammelt und bin gereift.“ Einerseits.<br />

„Andererseits wollte ich auch Partysongs<br />

auf dem Album haben, die zeigen, wie<br />

viel Spaß mir das Leben macht.“ Und so<br />

ist „Charli“ ein überzeugender Electro-<br />

Synthie-Pop-Spagat aus Abgehnummern<br />

wie „Click“ oder „Shake It“, ein bisschen<br />

Pop-Nostalgie wie auf „1999“, einem Duett<br />

mit Troye Sivan sowie persönlichen Songs<br />

wie „Gone“, einer Zusammenarbeit mit<br />

Christine and the Queens, die Unsicherheiten,<br />

Ängste und Zweifel aufgreift. „In<br />

dem Song geht es um<br />

das Gefühl, wertlos und<br />

einsam im Zimmer zu<br />

sitzen. Ich bin recht<br />

impulsiv und gehe gerne<br />

feiern, das heißt jedoch<br />

nicht, dass ich solche<br />

Phasen nicht kenne.<br />

Und bei Christine ist<br />

es ähnlich. Ich liebe sie<br />

einfach als Menschen<br />

und als Künstlerin, sie<br />

inspiriert mich extrem.“<br />

Besonders persönlich<br />

wird Charli XCX meist dann, wenn sie den<br />

Gang rausnimmt, so wie in „White Mercedes“,<br />

der das Hin- und Hergerissen-Sein<br />

in einer fünfjährigen On-Off-Beziehung<br />

zum Inhalt hat. „Inzwischen sind wir fest<br />

zusammen, also war die wacklige Phase<br />

nicht umsonst“, so Charli, lächelnd und<br />

mit dem Gespräch offenbar versöhnt.<br />

*Interview: Steffen Rüth

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