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24 BIEL BIENNE 25./26. SEPTEMBER <strong>2019</strong> CINÉMA<br />
BIEL BIENNE 25/26 SEPTEMBRE <strong>2019</strong><br />
Grâce à Dieu HHH(H)<br />
Drei der einstigen Opfer<br />
beraten, wie sie gegen<br />
die mächtige katholische<br />
Kirche vorgehen wollen.<br />
Trois des victimes d’abus<br />
au sein de l’Église mènent<br />
un combat désespéré pour<br />
être écoutées.<br />
Kinder werden von<br />
Hochwürden gesegnet ...<br />
und dann?<br />
Des enfants bénis par un<br />
révérend... et ensuite?<br />
Wie die Kirche versucht,<br />
Fälle von Missbrauch unter<br />
den Teppich zu kehren.<br />
VON<br />
MARIO<br />
CORTESI<br />
Der Inhalt ist fiktiv, beruht<br />
aber auf wirklichen Begebenheiten.<br />
Auch die Namen sind<br />
authentisch: Der Erzbischof<br />
von Lyon, Philippe Barbarin,<br />
einst als Papst-Nachfolger<br />
gehandelt, wurde im März<br />
<strong>2019</strong> wegen Vertuschung<br />
von sexuellen Übergriffen<br />
in der katholischen Kirche<br />
zu einer kleinen, bedingten<br />
Strafe verurteilt. Und Pater<br />
Bernard Preynat, der Dutzende<br />
von neun- bis zwölfjährigen<br />
Pfadfinder-Kinder bis 1993<br />
missbraucht hatte und noch<br />
vor Gericht stehen wird, inzwischen<br />
aber wenigstens die<br />
Priesterwürde eingebüsst hat.<br />
Aufklärung. Die Strafen<br />
sind minimalistisch. Das<br />
wusste der 51-jährige Filmemacher<br />
François Ozon («Frantz»,<br />
«8 femmes») noch nicht, als<br />
er sein Oeuvre drehte. Er wäre<br />
wohl noch zorniger und polemischer<br />
gewesen! So fokussiert<br />
er in seinem fast zweieinhalbstündigen<br />
Film denn auch<br />
nicht auf die Verfehlungen der<br />
Kirche, sondern stellt drei der<br />
vielen, jetzt erwachsenen Opfer<br />
in den Mittelpunkt. Zeigt ihren<br />
vorerst aussichtslosen Kampf<br />
um Gehör, Aufklärung und Gerechtigkeit,<br />
ihre authentischen<br />
Zeugnisse, was ihnen in den<br />
80er-Jahren widerfahren ist.<br />
Zwei der Figuren basieren auf<br />
realen Charakteren, während<br />
die dritte fiktiv und aus zahlreichen<br />
anderen Opfern zusammengesetzt<br />
ist. Sie alle möchten<br />
ihrem Leben wieder einen Sinn<br />
geben, indem sie die Scheinheiligkeit<br />
der katholischen Kirche<br />
entlarven. Eindrücklich: dass<br />
die Korrespondenz zwischen<br />
Kirche und Opfer mit einer<br />
Voice-over-Stimme gelesen<br />
wird, die die Hinhalte-Taktik<br />
der Kirche prägnanter zeigt als<br />
in Dialogen.<br />
Selbstmitleid. Der Zuschauer<br />
muss sich vieles zumuten.<br />
Was auf ihn zukommt,<br />
ist schockierend, erschreckend.<br />
Was er verdauen muss, ist be-<br />
drückend. Die Vertuschungsmacht<br />
und der geölte Apparat<br />
der Katholischen Kirche, die<br />
Verharmlosung der Verbrechen<br />
durch die Diözese, der<br />
fehlbare Pater, der in Selbstmitleid<br />
verfällt und sich als<br />
Opfer seiner Krankheit und<br />
als Leidender sieht und vorerst<br />
eine Entschuldigung verweigert,<br />
und stattdessen mit<br />
seinem erwachsenen Opfer<br />
ein Vaterunser betet. Und der<br />
Kardinal als höchster Würdenträger,<br />
dem – als er von der<br />
Verjährung des Missbrauches<br />
erfährt – die Worte entwischen:<br />
«Gelobt sei Gott!»<br />
Scheisse. Ozon (Drehbuch<br />
und Regie) blickt in<br />
seinem vielschichtigen Werk<br />
auch in die Familien der<br />
Opfer, zeigt die Zerreissproben<br />
der Betroffenen, das Unverständnis<br />
einer Mutter («Jetzt<br />
noch in der Scheisse wühlen –<br />
das konntest du immer»). Die<br />
Opfer, die Angst haben, mit<br />
ihrer Anzeige von der Öffentlichkeit<br />
als Nestbeschmutzer<br />
der Kirche gebrandmarkt zu<br />
werden. Ihre Traumatisierung,<br />
die sich bis in ihr heutiges<br />
Sexleben zieht. Ihr Schmerz<br />
und ihre Wunden. Und die<br />
eternelle Frage, die einem<br />
(gläubigen) Betroffenen am<br />
Filmschluss gestellt wird:<br />
«Glaubst du noch an Gott?» n<br />
Comment l’Église catholique<br />
tente de cacher sous le tapis<br />
des cas d’abus sexuels.<br />
PAR<br />
MARIO<br />
CORTESI<br />
Le contenu est fictif, mais il<br />
s’appuie sur des faits véridiques.<br />
Et les noms sont authentiques:<br />
l’archevêque de Lyon Philippe<br />
Barbarin, à un moment pressenti<br />
comme successeur du<br />
pape, a été condamné, en<br />
mars <strong>2019</strong>, pour dissimulation<br />
d’abus sexuels commis au sein<br />
de l’Église catholique, à une<br />
petite peine avec sursis. Et le<br />
père Preynat, qui a abusé sexuellement<br />
de douzaines de jeunes<br />
scouts, des garçons de neuf à<br />
douze ans, jusqu’en 1993, et qui<br />
doit encore passer en jugement,<br />
n’exerce au moins, pour l’heure,<br />
plus d’activité pastorale.<br />
Darsteller/Distribution: Melvil Poupaud,<br />
Denis Ménochet, Swann Arlaud<br />
Regie/Mise en scène: François Ozon (2018)<br />
Länge/Durée: 137 Minuten/137 minutes<br />
Grosser Jurypreis in Berlin <strong>2019</strong><br />
Grand Prix du Jury à Berlin en <strong>2019</strong>.<br />
Im Kino Rex 1/Au cinéma Rex 1<br />
Explications. Les peines<br />
sont minimalistes. Cela,<br />
François Ozon ( «8 femmes»,<br />
«Franz») ne le savait pas encore<br />
quand il a tourné son œuvre.<br />
Il en aurait été d’autant plus<br />
fâché et polémiste. Dans ce<br />
film de près de deux heures<br />
trente, il ne se concentre<br />
pas sur les manquements de<br />
l’Église, mais sur trois des nombreuses<br />
victimes, aujourd’hui<br />
adultes. Il montre d’abord leur<br />
combat désespéré pour être<br />
écoutées, pour de la justice et<br />
des explications, pour retrouver<br />
les vrais témoins et montrer<br />
ce qu’elles ont subi dans les<br />
années 80. Deux des acteurs<br />
incarnent les vrais protagonistes,<br />
tandis que le troisième<br />
est fictif, représentatif d’autres<br />
nombreuses victimes.<br />
Chacun d’eux veut redonner<br />
un sens à sa vie, en<br />
dénonçant l’hypocrisie de<br />
l’Église catholique. Impressionnante:<br />
la correspondance<br />
entre le clergé et les victimes,<br />
dite en voix off, illustrant<br />
les manœuvres dilatoires de<br />
l’Église bien mieux que des<br />
dialogues.<br />
Apitoiement. Le spectateur<br />
doit deviner beaucoup<br />
de choses. Mais ce qu’il voit<br />
est choquant, effrayant. Ce<br />
qu’il doit digérer est accablant.<br />
Le pouvoir de dissimulation<br />
et les rouages bien huilés de<br />
l’Église catholique, la banalisation<br />
des actes de pédophilie<br />
par le diocèse, le prêtre fautif,<br />
qui tombe dans l’apitoiement,<br />
se dit victime d’une maladie<br />
et prétend souffrir, qui refuse<br />
de s’excuser et récite un Notre<br />
Père avec sa victime devenue<br />
adulte. Et le cardinal en plus<br />
haut dignitaire qui, lorsqu’il<br />
apprend que le crime est prescrit,<br />
laisse échapper ces mots:<br />
«Grâce à Dieu!».<br />
Merde. L’œuvre à plusieurs<br />
niveaux de François Ozon (scénario<br />
et réalisation) évoque aussi les<br />
familles des victimes, les tensions<br />
pour les personnes touchées,<br />
l’incompréhension d’une mère<br />
(«Encore maintenant remuer la<br />
merde, ça tu sais toujours»). Les<br />
victimes qui craignent qu’avec<br />
leur plainte, leur environnement<br />
ne les accuse de dénigrer l’Église.<br />
Le traumatisme qui les poursuit<br />
jusque dans leur vie sexuelle.<br />
Leurs douleurs, leurs blessures.<br />
Et l’éternelle question posée<br />
à l’une des personnes concernées<br />
(croyante) en conclusion<br />
du film: «Crois-tu encore<br />
en Dieu?»<br />
n<br />
André Téchinés<br />
Porträt einer<br />
desillusionierten<br />
Jugend.<br />
VON LUDWIG HERMANN<br />
Ein unvergesslicher Moment<br />
fürs FFFH-Publikum,<br />
als vor Beginn von «L’Adieu<br />
à la nuit» Hauptdarsteller<br />
Kacey Mottet Klein – leibhaftig<br />
geworden – auf die Bühne<br />
sprang: der Star, der 21-jährige<br />
Lausanner Jungschauspieler,<br />
hemdsärmelig, schlaksig, jungenhaft.<br />
Er versprühte für ein<br />
paar Minuten Filmglamour,<br />
kramte in Erinnerungen und<br />
sorgte mit ein paar Lachern für<br />
gute Stimmung im Saal.<br />
Mottet Kleins Anekdoten,<br />
der Anlass für das einzige Gelächter<br />
in den nächsten zwei<br />
Stunden. André Téchinés neues<br />
Werk ist ein ernstes, etwas steif<br />
geratenes Porträt über eine<br />
rebellische, desorientierte Jugend.<br />
Nein, zu lachen gibt es<br />
hier nichts. Ausser gegen Ende<br />
vielleicht, als die grossartige<br />
Catherine Deneuve aus Wut<br />
und Enttäuschung Trost im<br />
Alkohol sucht. In einem Zug<br />
leert sie eine Flasche Whisky<br />
und erntet vom Festival-Publikum<br />
spontanen Applaus. Zur<br />
moralischen Unterstützung?<br />
Pferdefarm. Es ist der erste<br />
Frühlingstag im Jahr 2015,<br />
und – bedeutungsvoll – es ist<br />
Mondfinsternis. Die 75-jährige<br />
Muriel (Deneuve) führt eine<br />
Pferdefarm in Südfrankreich.<br />
Abwechslung kommt in den<br />
Alltag der rüstigen Witwe, als<br />
ihr Enkel Alex (Mottet Klein),<br />
den sie grossgezogen hat, zu<br />
Besuch kommt. Nach frostiger<br />
Begrüssung gibt sich der junge<br />
Mann wortkarg, verschlossen,<br />
geistesabwesend. Was ist mit<br />
dem Kerl passiert? Ist er drogensüchtig?<br />
Wurde er kriminell?<br />
Geriet Alex in schlechte<br />
Gesellschaft? Seine einzigen<br />
Worte: «Unsere Gesellschaft<br />
ist verdorben!»<br />
Sehr bald schon kommt<br />
die clevere Grossmutter ihrem<br />
Enkel auf die Spur (und nimmt<br />
dem Film schon zu Beginn alle<br />
Spannung): Alex, der in Muriels<br />
Mandelplantage einen<br />
Gebetsteppich auslegt, zu<br />
Allah betet und seiner angereisten<br />
Freundin Lila (Oulaya<br />
Amamra) nie zu nahe kommt<br />
(nicht vor der Hochzeit!) – Alex<br />
und Lila wollen gar nicht (wie<br />
angekündigt) nach Kanada.<br />
Ihr Ziel ist Syrien. Als zum<br />
radikalen Islam konvertierter<br />
Muslim will sich Alex den IS-<br />
Kämpfern anschliessen. Lila,<br />
eine überzeugte Muslimin, will<br />
ihm bedingungslos folgen.<br />
Familiengeschichte. Ob<br />
Alex und Lila ihr Ziel erreichen,<br />
zeigt der 75-jährige<br />
französische Drehbuchautor<br />
und Regisseur André Téchiné<br />
(«Quand on a 17 ans») in einer<br />
etwas langfädig geratenen,<br />
voraussehbaren Familiengeschichte,<br />
die erst gegen<br />
Schluss zu fesseln und zu<br />
überzeugen weiss. Ähnliche<br />
Filme zum Thema «Flucht<br />
nach Syrien» wurden schon<br />
öfters im Fernsehen gezeigt –<br />
spontaner, attraktiver und mit<br />
mehr Überzeugungskraft. n<br />
L’Adieu à la nuit HH(H)<br />
Wiedersehen<br />
mit<br />
Catherine<br />
Deneuve<br />
in einer<br />
bewegenden<br />
Rolle.<br />
Retrouvailles<br />
avec<br />
Catherine<br />
Deneuve<br />
dans<br />
un rôle<br />
émouvant.<br />
Darsteller/Distribution: Catherine<br />
Deneuve, Kacey Mottet Klein, Oulaya<br />
Amamra<br />
Buch & Regie/Scénario & réalisation:<br />
André Téchiné (<strong>2019</strong>)<br />
Dauer/Durée: 103 Minuten/103 minutes<br />
Im Kino Rex 2/Au cinéma Rex 2<br />
André Téchiné trace<br />
le portrait d’une<br />
jeunesse<br />
désenchantée.<br />
PAR LUDWIG HERMANN<br />
Un moment inoubliable<br />
pour le public du FFFH, lorsque<br />
avant le début de «L’Adieu à la<br />
nuit», l’acteur principal Kacey<br />
Mottet Klein, en chair et en os,<br />
est monté sur scène. Le jeune<br />
premier lausannois de 21 ans,<br />
en bras de chemise, dégingandé,<br />
juvénile a, le temps de quelques<br />
minutes, fouillé dans ses souvenirs,<br />
dispersé quelques rires<br />
auprès d’un public tombé sous<br />
son charme.<br />
Les anecdotes de Kacey Mottet<br />
Klein restent le seul motif de<br />
se laisser aller au rire pour les<br />
deux heures à venir. La nouvelle<br />
œuvre d’André Téchiné est un<br />
film sérieux, un peu rigide, qui<br />
trace le portrait d’une jeunesse<br />
rebelle et désorientée.<br />
Non, il n’y a là aucun rire à<br />
se mettre sous la dent. À part<br />
peut-être vers la fin, lorsque la<br />
grandiose Catherine Deneuve<br />
cherche à noyer dans l’alcool sa<br />
colère et sa déception. Elle vide<br />
une bouteille de whisky dans<br />
un train et recueille auprès du<br />
public du Festival des applaudissements<br />
spontanés. Est-ce pour<br />
un soutien moral?<br />
Ferme équestre. C’est le<br />
premier jour de printemps de<br />
l’année 2015 et, significatif, il y a<br />
une éclipse de lune. Muriel (Catherine<br />
Deneuve), âgée de 75 ans<br />
dirige une ferme équestre dans<br />
le sud de la France. Un changement<br />
bienvenu débarque dans le<br />
quotidien de la veuve rustique, le<br />
visite de son neveu Alex (Kacey<br />
Mottet Klein) qu’elle a élevé.<br />
Après des salutations glaciales, le<br />
jeune homme est avare de mots,<br />
introverti, absent. Qu’est-ce ce<br />
qui a bien pu se passer? Est-il<br />
tombé dans la toxicomanie, la<br />
criminalité, ou souffre-t-il d’une<br />
mauvaise rencontre? Ses seuls<br />
mots: «Notre société est pourrie!»<br />
Maligne, la grand-mère découvre<br />
rapidement, trop rapidement,<br />
la réponse, ce qui enlève<br />
au film une bonne partie de son<br />
intrigue. Alex déroule un tapis<br />
de prière au milieu des amandiers,<br />
prie Allah et ne s’approche<br />
jamais de trop près (pas avant<br />
le mariage) de son amie Lila<br />
(Oulaya Amamra) qui vient de<br />
le rejoindre. Alex et Lila n’entendent<br />
pas du tout partir pour le<br />
Canada, comme annoncé, mais<br />
planifient un départ pour la Syrie<br />
et le djihad. Converti à l’Islam<br />
radical, Alex veut rejoindre l’État<br />
islamique. Lila, une intégriste<br />
musulmane, veut le suivre inconditionnellement.<br />
Histoire de famille. Alex<br />
et Lila atteindront-ils leur<br />
but… ? C’est ce que montre<br />
le réalisateur et scénariste français<br />
de 75 ans, André Téchiné<br />
(«Quand on a 17 ans») dans<br />
une histoire de famille cousue<br />
de fil blanc qui traîne un<br />
peu en longueur. La fiction<br />
n’est convaincante que vers<br />
la fin où elle devient palpitante.<br />
Des films partageant le<br />
même thème, celui de la fuite<br />
en Syrie, ont été diffusés à la<br />
télévision, en plus spontané,<br />
plus attrayant et avec plus de<br />
force de persuasion. n<br />
AUF EINEN BLICK… EN BREF…<br />
ausgezeichnet / excellent<br />
sehr gut / très bon<br />
gut / bon<br />
Durchschnitt / médiocre<br />
– verfehlt / nul<br />
Mario<br />
Cortesi<br />
Ludwig<br />
Hermann<br />
Parasite (Rex 2) () ()<br />
Once Upon a Time (Beluga) () <br />
Schaun das Schaf (Lido 2, Beluga) ()<br />
Les invisibles (Beluga) <br />
Tambour battant (Apollo) <br />
Mein Lotto Leben (Rex 2) () <br />
Downton Abbey (Lido 1, Rex 2, Lunch) () ()<br />
Ad Astra (Rex 1) ()<br />
The Goldfinch (Lido 2, Rex 2) ()<br />
Rambo V : Last Blood (Apollo) () <br />
Biel Bienne-Bewertung / Cote de Biel Bienne: HHHH ausgezeichnet / excellent HHH sehr gut / très bon HH gut / bon H Durchschnitt / médiocre – verfehlt / nul