DPMA - Erfinderaktivitäten 2005/2006
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Figur 2: Prinzip des Zweiwege-Formgedächtnis-Effektes; aus<br />
[40].<br />
Der Formgedächtniseffekt wurde zunächst bei<br />
Metalllegierungen gefunden [6], später auch bei<br />
Keramiken und Polymeren. Er ist keine spezifische Stoffeigenschaft<br />
einzelner Polymere und beruht darauf, dass<br />
eine bestimmte Polymerarchitektur mit einer speziellen<br />
Verarbeitungs- und Programmierungstechnologie<br />
kombiniert wird (Funktionalisierung des Polymers). Das<br />
Polymer wird dabei zunächst mit üblichen<br />
Verarbeitungsmethoden in seine permanente (dauerhafte)<br />
Form gebracht, anschließend deformiert und in der<br />
temporären (vorübergehenden) Form fixiert (z.B. durch<br />
Erwärmung der Probe, einer Deformation mit<br />
nachfolgendem Abkühlvorgang oder durch kaltes<br />
Verstrecken des Materials bzw. einer Deformation bei<br />
tiefer Temperatur). Dieser Vorgang wird als<br />
Programmierung bezeichnet.<br />
Durch Erwärmung des Materials (Polymers) über die<br />
sogenannte Schalttemperatur Ttrans wird der thermisch<br />
induzierte Formgedächtniseffekt ausgelöst (Temperatur als<br />
Stimulus). Die gespeicherte permanente Form wird infolge<br />
seiner Entropieelastizität rückgebildet. Dieser Schritt wird<br />
als Wiederherstellung bezeichnet. Eine Verringerung der<br />
Temperatur führt zum Erhärten des Polymers, jedoch nicht<br />
zur Rückbildung der temporären Form („Einwege“-<br />
Formgedächntnis-Effekt). Durch erneutes Programmieren<br />
(z.B. durch eine mechanische Deformation) kann dem<br />
Polymer-Werkstück wieder eine temporäre Form<br />
aufgezwungen werden, welche jedoch nicht zwangsläufig<br />
mit der vorhergehenden temporären Form übereinstimmen<br />
muss [3].<br />
Formgedächtnis-Polymere sind durch zwei grundlegende<br />
Eigenschaften gekennzeichnet. Sie besitzen<br />
Schaltsegmente, deren Phasenübergang (z.B. thermisch<br />
induziert) für den Formgedächtniseffekt ausgenützt wird<br />
und Vernetzungspunkte, die die permanente Form<br />
bestimmen [9]. Je nach Art der Vernetzung liegen<br />
thermoplastische Elastomere (weitmaschig vernetzte<br />
Polymere) oder Thermosets bzw. Duroplaste (engmaschig<br />
vernetzte Polymere) vor. Die Polymernetzwerke der<br />
Elastomere bestehen aus amorphen Kettensegmenten, die<br />
durch Verknüpfungspunke vernetzt sind. Die für<br />
Elastomere und damit für Formgedächntnispolymere<br />
weitmaschige Vernetzung kann irreversibel über kovalente<br />
(feste) chemische Bindungen oder reversibel physikalisch<br />
erfolgen. Diese physikalische Vernetzung erfolgt durch<br />
Verknäulung der Polymerketten oder durch<br />
intermolekulare Wechselwirkung zwischen den Ketten<br />
(z.B. Kristallisation einzelner Polymersegmente,<br />
Verglasung amorpher Bereiche, Wasserstoffbrückenbindungen).<br />
Ist die physikalische Vernetzung<br />
reversibel spaltbar (z.B. thermisch) und können die<br />
Materialien thermoplastisch verarbeitet werden, so<br />
bezeichnet man diese Polymere als thermoplastische<br />
Elastomere (Elastoplaste, Thermoplaste). Beispiele für<br />
physikalisch vernetzte Formgedächtnis-Polymere sind<br />
phasenseparierte lineare (Multi-) Blockcopolymere,<br />
beispielsweise Polyester-Urethane mit Hartsegmenten aus<br />
4,4´-Methyl-bis-(phenyl-isocyanat) (MDI) und 1,4-Butandiol<br />
mit Weichsegmenten aus Poly(ε-hydroxy-caproat) bzw.<br />
Poly(2-methyl-2-oxazolin) (Hartsegment-bildende Phase)<br />
und Polytetrahydrofuran (Weichsegment-bildende Phase),<br />
aber auch reines amorphes Polynorbornen. Beim<br />
Letzteren erfolgt die Ausbildung des physikalischen<br />
Netzwerkes durch „Verschlaufen“ der hochmolekularen,<br />
linearen Ketten [3].<br />
Die chemische Vernetzung erfolgt durch die Verwendung<br />
polyfunktioneller Monomerbausteine. Beispiele für<br />
chemisch vernetzte Formgedächntispolymere sind<br />
thermisch vernetztes Poly(ethylen-co-vinylacetat),<br />
Copolymersysteme aus Stearylacrylat und Ester der<br />
Methacrylsäure, die durch N,N´´-Methylenbisacrylamid<br />
kovalent vernetzt sind [3], vernetzte Copolymere aus<br />
Acrylat, Caprolacton und Glykolsäure [10] bzw. vernetzte<br />
76 <strong>Erfinderaktivitäten</strong> <strong>2005</strong>/<strong>2006</strong>