DPMA - Erfinderaktivitäten 2005/2006
DPMA - Erfinderaktivitäten 2005/2006
DPMA - Erfinderaktivitäten 2005/2006
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
gespeichert ist, in Aminosäuresequenzen von Proteinen<br />
übersetzt (translatiert). Ein Ribosom besteht aus einer<br />
großen und einer kleinen Untereinheit, die sich aus einer<br />
Vielzahl von Protein-Molekülen und aus ribosomalen RNA-<br />
Molekülen (rRNAs), zwei in der großen und einem in der<br />
kleinen Untereinheit, zusammensetzen. Das rRNA-Molekül<br />
der kleinen ribosomalen Untereinheit wird nach seinem<br />
relativen Gewicht in Svedberg-Einheiten („S“) als 16S<br />
rRNA bezeichnet. Die Basensequenz der 16S rRNA ist<br />
nun für eine bestimmte Organismenart sehr<br />
charakteristisch. Da Ribosomen in großer Zahl in den<br />
Zellen vorkommen, ist auch die Menge an 16S rRNA, die<br />
man aus jeder Zelle gewinnen kann, sehr hoch im<br />
Vergleich zu anderen Nukleinsäure-Typen, was vor der<br />
Erfindung der PCR analytisch von Vorteil war. Dies war der<br />
Grund für die bevorzugte Verwendung von 16S rRNA bei<br />
der Erstellung der molekularen Stammbäume der<br />
Bakterien (früher „Eubakterien“, siehe Figur 1) und der<br />
Archaeen (früher „Archaebakterien“).<br />
Figur 1: Klassischer 16S rRNA/rDNA-Stammbaum der Bakterien<br />
(damals „Eubakterien“); Legionellen gehören u.a. mit E. coli,<br />
Pseudomonas, Agrobacterium und Rhizobium zur Großgruppe<br />
„Purpurbakterien“ (ganz rechts unten), heute umbenannt in<br />
„Proteobakterien“ (aus DE 690 22 180 T2).<br />
Besonders Carl Woese von der Universität von Illinois<br />
gebührt das Verdienst, diese Bedeutung der 16S rRNA<br />
erkannt zu haben ([3], [4]). Die Abschnitte auf der<br />
bakteriellen Erbsubstanz, die die Information für die rRNA-<br />
Moleküle tragen, werden rRNA-Gene genannt, man kann<br />
aber auch die Begriffe rDNA-Gene oder rDNA finden;<br />
diese Gene codieren ausnahmsweise einmal nicht für<br />
Proteine. Da die genetische Information in RNA und DNA<br />
gleich ist, ist sowohl die Bezeichnung „16S rRNA-<br />
Stammbaum“, als auch „16S rDNA-Stammbaum“ korrekt.<br />
Figur 2: Vervielfältigung von rDNA-Abschnitten durch PCR;<br />
Bakterienzelle (1), DNA-Isolierung (2), rRNA-Gen-Abschnitt auf<br />
einem Bruchstück des Erbmaterials (3), PCR (4)-(8): Trennung<br />
der DNA-Doppelstränge in Einzelstränge bei 95°C (4), Anlagerung<br />
kurzer Primer bei 55°C (5), Verlängerung der Primer und<br />
Synthese neuer Zweitstränge (gestrichelt) durch das hitzestabile<br />
Enzym Taq-DNA-Polymerase bei 72°C (6), fertiggestellte DNA-<br />
Doppelstränge (7), Trennung der neuen Doppelstränge wiederum<br />
bei 95°C (8).<br />
Heute isolieren Bakterien-Stammbaumforscher meist keine<br />
rRNA-Moleküle aus Bakterien der Laborkulturen mehr, wie<br />
noch Carl Woese um 1980, sondern sie entnehmen eine<br />
Gesamt-Probe, die eine Vielzahl von Bakterien-Arten<br />
enthält, aus der Umwelt, z.B. aus dem Erdboden ([5]),<br />
isolieren direkt die gesamte DNA, die stofflich stabiler ist<br />
als RNA, und vervielfältigen die 16S rDNA-Gene durch<br />
PCR im Reagenzglas (siehe Figur 2), bis so viel DNA<br />
vorliegt, dass die Basensequenzen der in der Probe<br />
vorkommenden Bakterien-Arten bestimmt werden können<br />
(siehe S. 964 von [5]). Auf diese Weise gewonnene<br />
Basensequenzen bezeichnet man als „environmental<br />
sequences“; man gewinnt durch sie auch über solche<br />
Bakterien Erkenntnisse, die noch nicht im Labor kultiviert<br />
werden konnten.<br />
<strong>Erfinderaktivitäten</strong> <strong>2005</strong>/<strong>2006</strong> 93