5-19_DER Mittelstand_web
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20 EUROPA<br />
<strong>DER</strong> MITTELSTAND. 5 | 20<strong>19</strong><br />
Harter Brexit<br />
– vor allem<br />
für die Briten<br />
Mit der Wahl von Boris Johnson als<br />
Nachfolger von Theresa May als<br />
britischer Regierungschef haben sich<br />
die Aussichten auf einen weichen Brexit<br />
deutlich verschlechtert. Ob der zwischen<br />
Großbritannien und den USA angestrebte<br />
Freihandelsvertrag den harten Brexit<br />
abmildern kann, darf bezweifelt werden. Das<br />
Parlament hat ein Gesetz durchgedrückt, das<br />
einen weiteren Aufschub des Brexit-Termins<br />
31. Oktober möglich macht.<br />
Im Gegensatz zu seiner Vorgängerin steht Johnson für einen unnachgiebigen<br />
Kurs gegenüber Brüssel. Seinen Worten nach ist ein<br />
ungeregelter Brexit zum 31. Oktober 20<strong>19</strong> unvermeidbar, sollte die<br />
EU-Kommission sich weiter weigern, erneut in Verhandlungen einzuwilligen.<br />
Für Brüssel wiederum ist die Annahme des Austrittsabkommens<br />
unverhandelbar. Die EU hatte bereits vor dem Amtsantritt<br />
Johnsons betont, dass es keine Nachverhandlung über den Austrittsvertrag<br />
selbst geben könne. Auch die Bundesregierung sieht<br />
keinen Anlass, das nach langwierigen Konsultationen vereinbarte<br />
Paket erneut aufzuschnüren, wie Kanzlerin Merkel bei Johnsons<br />
Die Bundesregierung sieht keinen<br />
Anlass, das nach langwierigen Konsultationen<br />
vereinbarte Paket erneut<br />
aufzuschnüren.<br />
Antrittsbesuch in Berlin betonte. Ein Ausweg aus der verfahrenen<br />
Situation ist derzeit nicht erkennbar. Die EU-27 und Großbritannien<br />
steuern auf einen harten Brexit zu, wobei die wirtschaftlichen Schäden<br />
des No-Deal-Szenarios enorm wären.<br />
Die Fronten zwischen Brüssel und London verhärten sich zusehends.<br />
Das strikte Festhalten am Austrittstermin Ende Oktober hat<br />
für Boris Johnson erkennbar höhere Bedeutung als ein möglichst reibungsarmer<br />
Übergang in die Zeit nach der Mitgliedschaft. Er stellt so<br />
nicht nur die britische Volkswirtschaft vor große Herausforderungen,<br />
sondern ganz Europa. Dabei ist die EU der wichtigste Handelspartner<br />
der Briten. Mit ihr wickeln sie rund 40 Prozent ihres Handels ab.<br />
Durch die EU-Mitgliedschaft verringern sich die Kosten des Handels<br />
zwischen Großbritannien und der EU. Waren und Dienstleistungen<br />
werden für britische Verbraucher billiger, und britische Unternehmen<br />
können mehr exportieren. In der EU hatte Deutschland von 2010 bis<br />
2018 den höchsten Anteil am Warenhandel mit Großbritannien. Außerhalb<br />
der EU sind die USA mit zehn Prozent der Importe und Exporte<br />
wertmäßig der größte Handelspartner der Briten.<br />
Harter Brexit trifft auch Deutschland<br />
Die mit dem ungeordneten Austritt verbundene plötzliche Einführung<br />
von WTO-Zöllen und Grenzkontrollen würde nicht nur Großbritannien,<br />
sondern auch den Rest Europas treffen. Hierzulande würde<br />
der Export von Autos, Maschinen und chemischen Erzeugnissen und<br />
Lebensmitteln schrumpfen. Schätzungsweise wären bis zu 100.000<br />
Arbeitsplätze in Deutschland gefährdet. Die Bundesregierung hat<br />
zwischenzeitlich Notfallpläne mit mehr als 50 Gesetzen verabschiedet,<br />
um die Folgen abzumildern. Höhere Kosten für Unternehmen<br />
und Verbraucher wären unvermeidlich, gut eingespielte Lieferketten<br />
müssten umgebaut werden.<br />
Foto: © franckreporter von www.istockphoto.com