Christkatholisch 2019-18
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<strong>Christkatholisch</strong> <strong>18</strong>/<strong>2019</strong> Thema<br />
5<br />
Kleine biblische Zoologie – Folge I<br />
Das goldene Kalb<br />
Randbemerkung<br />
Hunger<br />
Alois Schmelzer<br />
Jede Generation definiert ihre Beziehung<br />
zu den Tieren neu. Damit verbunden<br />
sind immer auch Fragen nach<br />
dem Sinn des Lebens, dem Sinn der<br />
Welt, nach Plan, Zufall und Notwendigkeit.<br />
Fragen, auf die Religion und<br />
Naturwissenschaften Antworten suchen.<br />
Unser Umgang mit Tieren ist<br />
auch geprägt vom Einfluss, den wir<br />
auf die Umwelt ausüben. Die biblischen<br />
Geschichten im Alten Testament<br />
zeugen von Zeiten, in denen die<br />
Tiere den Menschen beherrschten.<br />
Sofern es sich nicht um Haustiere<br />
handelte, musste der Mensch die Begegnung<br />
mit den «wilden» Tieren<br />
fürchten. Konnte man in jenen Zeiten<br />
von einer Herrschaft des Tieres über<br />
den Menschen sprechen, so hat sich<br />
die Situation heute radikal geändert –<br />
seine Herrschaft über das Tier ist absolut.<br />
Kein Wunder, wurden in den<br />
alten Kulturen Tiere als Götter angebetet.<br />
Kein Wunder auch, dass die<br />
Israeliten mit der Anbetung des goldenen<br />
Kalbes in genau diesen Götzendienst<br />
zurückfiel – ein Verhalten,<br />
das Gott zutiefst missfiel (siehe<br />
2. Mose 32).<br />
Adam erhielt den Auftrag, den Tieren<br />
einen Namen zu geben: «Und Gott<br />
der Herr machte aus Erde alle die Tiere<br />
auf dem Felde und alle Vögel unter<br />
dem Himmel und brachte sie zu dem<br />
Menschen, dass er sähe, wie er sie<br />
nennte; und der Mensch ab einem jeden<br />
Vieh und Vogel unter dem Himmel<br />
und Tier auf dem Felde seinen<br />
Namen…» (1. Mose 2,20a). Diesen<br />
Auftrag erfüllte Adam. Allerdings<br />
geht die heutige zoologische Nomenklatur<br />
auf ein Konzept des schwedischen<br />
Naturforschers Karl von Linné<br />
(1707-1787) zurück. Das ist zu beachten,<br />
wenn wir über Tiere nachdenken,<br />
von denen wir in biblischen Texten<br />
lesen. Bereits in den beiden Schöpfungsberichten<br />
finden wir Ansätze zu<br />
einer zoologischen Systematik. So<br />
werden im älteren Schöpfungsbericht<br />
des Jahwisten (1. Mose 2, 4b-25)<br />
Haustiere, Vögel und Tiere des Feldes<br />
unterschieden. Die jüngere priesterschriftliche<br />
Schöpfungsgeschichte<br />
(1. Mose 1,1-2,4a) unterscheidet Wassertiere,<br />
geflügelte Tiere, Tiere des<br />
Landes und Gewürm (Kriech- und<br />
Kleintiere).<br />
Jürg Meier<br />
Jürg Meier ist Titularprofessor für<br />
Zoologie an der Universität Basel<br />
und ehrenamtlicher Seelsorger in<br />
der Neuapostolischen Kirche. Er<br />
erforschte während Jahrzehnten<br />
Giftschlangen und Schlangengifte.<br />
Er beschäftigt sich zudem mit<br />
Grenzfragen zwischen Biologie<br />
und Theologie.<br />
Ich stand mit meinen Einkäufen<br />
für die OffenBar am Barfüsserplatz<br />
und wartete aufs Tram, als<br />
mich ein junger Mann in zerlumpten<br />
Kleidern und total ausgetretenen<br />
Flipflops um etwas Geld<br />
anbettelte. Nun, diese Szene ist<br />
schon fast alltäglich und spielt<br />
sich so in Basel und wohl in jeder<br />
beliebigen Stadt ab. Ich hatte einen<br />
prallgefüllten Einkaufswagen<br />
mit, er nur das, was er am<br />
Leib trug. Ich gab ihm zwei Franken,<br />
wofür er sich artig bedankte<br />
und gleich zum nächsten der<br />
Wartenden wechselte. Er wurde<br />
nicht abgewiesen, der gutgekleidete<br />
Mann, etwa Mitte fünfzig<br />
schien ein intensives Gespräch mit<br />
ihm zu führen und ich hörte von<br />
ihm nur einmal die deutliche Frage<br />
«hän Si Hunger?». Der Jüngere<br />
nickte und darauf zeigte der Ältere<br />
auf das gegenüberliegende<br />
Restaurant «Zum braunen Mutz»<br />
und schritt gleich los. Der Jüngere<br />
folgte ihm ein paar Schritte,<br />
blieb dann aber unvermittelt stehen,<br />
bis der andere ihm ein energisches<br />
Zeichen gab, ihm doch zu<br />
folgen. Ich sah die beiden dann<br />
im «braunen Mutz» verschwinden<br />
und stellte gerührt fest, dass<br />
der Herr im guten Anzug den<br />
zerlumpten Jüngling wohl zum<br />
Essen eingeladen hatte.<br />
Das alles hat sich in wenigen Minuten<br />
abgespielt und als ich dann<br />
mit meinen Einkäufen ins Tram<br />
stieg, fragte ich mich, ob ich das<br />
auch tun würde, wenn ich die Zeit<br />
dazu hätte oder ob ich sie mir dafür<br />
überhaupt nehmen würde, ja<br />
wär mir der Preis dafür nicht zu<br />
hoch? Wie geht es Ihnen dabei?<br />
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