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Anja Matzker.DEKALOG HEUTE

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DAS ZEHNTE GEBOT<br />

ULF STOLTERFOHT<br />

whitehead gönnt sich, bülow ecke potsdamer, eine pansensuppe<br />

und befindet sie für heiß. leo trotzki über streikzwulle und klopfwolf.<br />

das frühjahr verbringt man in bozen. zur mandelblüte bereits<br />

in mainz, schruns oder edenkoben. was ich aber vor allem andern<br />

begehre, das ist die revolution! heinrich an ewald: warte nur, balde.<br />

ichs. hier, was es sagt: gerede der esten, lettengeschnetz,<br />

litauer textschwein – das sollen realia sein? und wie siehts<br />

mit nebenerleb und geländergewinn aus? mit abspreiz und<br />

verwendungssteif? und wäre es »kaum ein hauch« also auch?<br />

bitte bleiben sie dran. es könnte sich für beide seiten lohnen.<br />

8 —<br />

wann immer ich im gedicht realia behaupte, ist es<br />

schieres einverleiben, glückhaft erfülltes begehren.<br />

bitte bleiben sie am gerät, wenn ich im folgenden beispiele<br />

nenne. etwa einbrenne. senge. schlachtabfälle.<br />

nebenbei: es war ein schlachtabfall, der behauptete, es<br />

gäbe keine schlachtabfälle. oder, fast noch krasser: »gras,<br />

mit einem hang zu gar keinem gras« (thomas kunst), sowie<br />

mungo parks verstummter tukan. yaounde-groove vs.<br />

douala-jive. hans-arno breckners »n’goma dansi« bzw. was<br />

im abgang folgte: entengang. schwanenlieder. schmerzensdrang.<br />

und sobald der frost kommt, dieses ziehen in den<br />

gliedern. zeh, der auf abgestorbensein besteht. die steinalte<br />

»achtung, nase«-geschichte. dann urplötzlich (wetterwende,<br />

wandeltruppe, scheide in sachen fahrenheit), aber<br />

folgerichtig: die fiebrigen auen des ganges. alle männer bedrängte<br />

die ruhr. dann löste typhus fleckfieber ab, und<br />

sie erlitten den fluß. doch tranken sie erheblich rum und<br />

scherten sich nicht drum etc. pp. – stopp! wir präsentieren<br />

nun exklusiv und mit einigem stolz: die normative kraft<br />

des ungebetnen gasts – oder besser: des logisch-lyrischen<br />

9 —<br />

wo kein urheber, da wenig begehr. kann man das so sagen?<br />

kann man sagen: die vg wort macht die dichtung<br />

zu einem unerfreulichen ort? kann man sagen: ich begehre,<br />

die lyrik monika rincks geschrieben zu haben? aber<br />

natürlich kann man das sagen. wer wollte es verbieten?<br />

»biker, mich reizt deine geile gestalt« – diese zeile biete<br />

ich zum tausch. oder such dir etwas anderes aus: »ich<br />

berge einen schwulen sudeten in mir, und einen anhaltiner<br />

schwaben.« wäre das was? das geht dann hoch bis<br />

zur kompletten strophe. hier folgt ein ausgesuchtes muster:<br />

ȟber skype ist ein pakistanischer lyriker zugeschaltet. er<br />

raucht und hustet gehaltvoll. sein urdu aber weist gewisse<br />

unregelmäßigkeiten auf, fast möchte man sagen: zuhauf.<br />

geschwenkte metaphern, mit dehnungen und sperrung. der<br />

titel des ganzen: »die trafikantin – erzählung in stanzen«.<br />

diese strophe war gratis, bedien dich, sie ist ein geschenk.<br />

und dir erwächst keine verpflichtung daraus. nun folgt<br />

eine leider gottes bereits gemeldete sequenz: »hennenheber<br />

/ hasenziemer / pochwerk olle hose«. doch sogar das<br />

läßt sich außergerichtlich klären. und etwas komisches<br />

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