FORBESFür uns istIntegrationRUBRIK THEMAFORBES NR. 8—1916kein Thema.Gut so! Das Zusammenarbeiten unterschiedlicher Nationen warbei McDonald’s noch nie ein Thema. Und darauf sind wir stolz.Seit der Eröffnung unseres ersten Restaurants in Österreich 1977arbeiten Menschen verschiedenster Kulturen bei und mit uns.Heute sind bei uns rund 9.600 Mitarbeiter aus 91 Nationen tätig,die bei uns gleiche Berufschancen finden und ergreifen können,unabhängig von Alter, Geschlecht und Erfahrung. Das werden wirauch in Zukunft so leben. Denn reden allein ist bei McDonald’s keinThema. Es braucht nachhaltiges Engagement – für Mensch, Umweltund Gesellschaft. Wir machen’s. Und nennen das Machhaltigkeit.Mehr auf www.machhaltigkeit.atMcD_Anzeige_S4G_Integration_Forbes_Paper_274x421.indd 1 28.08.19 14:56
FORBESABSTURZ UND AUFSTIEGVon einem Tag auf den anderen stand Ingeborg Ankele auf der Straße. Drei Monate langkämpfte sie um Sicherheit und Einkommen, bis sie ihre nunmehrige Arbeit beim UnternehmenShades Tours fand. Heute wäre sie vorbereitet.Text: David HannyFotos: David VisnjicNach der Trennung von ihrem damaligen Freund zog Ingeborg Ankele (Mitte) aus der gemeinsamenWohnung aus – mit bösen Konsequenzen. „Als die Haustür ins Schloss fiel, wusste ich: Jetzt bin ichobdachlos.“ Ähnlich wie Ingeborg erging es in Österreich weiteren rund 16.000 Obdachlosen.Wenn Ingeborg Ankele vonihrer Zeit als Obdachloseerzählt, tut sie das mit einerSachlichkeit, die man voneiner Betroffenen nicht erwarten würde.Ihre „Krise“ liegt eineinhalb Jahre zurück,dennoch wirkt sie ruhig. Als wir sie treffen,lehnt sie in grünem Trägershirt unddunkler Stoffhose an einem Brunnen inder Wiener Innenstadt.Ankele ist Tourguide bei ShadesTours. Das Unternehmen bietet Führungenan, im Zuge derer Interessiertenerklärt wird, was es heißt, obdach- undwohnungslos zu sein. An diesem Septembertaghat sich eine Gruppe von insgesamt15 Leuten um sie versammelt.Ankele erzählt detailreich von Hintergründen,Gefahren, Alltagsgeschichtenund dem österreichischen Sozialsystem.Dass sie jemals obdachlos sein würde,hätte sie selbst nie gedacht, sagt sie.Bis Februar 2018 lebt Ankele mitihrem damaligen Freund zusammen – zudiesem Zeitpunkt dauerte die Beziehungbereits zwölf Jahre an. Eines Sonntagabendsist sie dann aber plötzlich zuEnde: Nach einem Streit emotional aufgeladenzieht Ankele aus. Ersparnissehat sie keine – und ihr Einkommen alsFußpflegerin hat sie in die Renovierungder gemeinsamen Wohnung investiert.„Als die Haustür ins Schloss fiel,wusste ich: Jetzt bin ich obdachlos“,erinnert sie sich. Zu Freunden oder derFamilie will sie nicht, sie schämt sichzu sehr. Stattdessen macht sich Ankelezur Gruft auf, einer Betreuungseinrichtungfür Obdach lose der Wiener Caritas.Dort bekommt sie ein Bett für die Nachtund Beratung von Sozialarbeitern. Waspassiert ist, realisiert sie jedoch erst amzweiten Tag. Die folgenden drei Monateverbringt sie in Notschlafstellen undTageszentren für Hilfsbedürftige. Sie erlebtviele Tiefs und wenige Hochs. Trotzder schwierigen Situation versucht sie,sich zu engagieren, bringt sich bei derVerwaltung der Kleiderspenden in derGruft sowie der dortigen Essensausgabeein. Nach drei Monaten ohne Dach überdem Kopf bekommt Ankele ein Bett ineinem der 21 Übergangswohnheime inWien. Doch nun wartet die noch größereHe rausforderung auf sie: Sie muss eineeigene Wohnung finden. Nur mit Sozialhilfeund ohne Job sei das fast unmöglich,so Ingeborg Ankele.Über ihren Bekanntenkreis erfährtsie vom Unternehmen ShadesTours, das Gründerin Perrine Schober2015 ins Leben gerufen hat. Shades Toursbietet Stadtführungen zu den Themen„Armut & Obdachlosigkeit“, „Flucht &Integration“ sowie „Drogen & Sucht“.Das Ziel: Aufklärung anhand persönlicherGeschichten und Fakten. Nachetwas Training und mehreren Anläufenwird Ankele zum Tourguide. Seit einemJahr führt sie nun monatlich Gruppendurch die Wiener Innenstadt und erklärt,was sie in ihrer Zeit als Obdachloseerlebt hat. Sie ist geringfügig angestellt,verdient knapp über 400 € pro Monat –zusätzlich bekommt sie Notstandshilfe.Seit zwei Monaten lebt sie in Wien-Simmering.Geldmangel, UnwissenheitDie Art und Weise, wie IngeborgAnkele obdachlos wurde, ist kein Einzelfall:Von den 16.000 Obdachlosen, die eslaut Schätzungen von Shades Tours unddes Fonds Soziales Wien (FSW) in Österreichgibt, sind laut einer repräsentativenBefragung des FSW 32 % auf eine plötzlicheTrennung oder Scheidung zurückzuführen.Einzig Arbeitslosigkeit undGeldmangel sind mit 42 % noch weiterverbreitete Gründe für Obdachlosigkeit.26 % sind zu leichtsinnig mit Geld umgegangen,und bei mehr als je einem Fünftelwar die physische oder psychischeGesundheit mit ein Grund. Besondersgefährdet seien dabei Menschen über 50,die keinen neuen Job mehr finden, sowiejunge Menschen unter 30, die Schwierigkeitenmit dem Elternhaus oder ihrerAusbildung haben. Auffallend ist auchdas Geschlechterverhältnis: Drei Viertelder Obdachlosen sind laut den Daten vonShades Tours Männer, nur ein Viertelsind Frauen. Dies sei laut Ankele daraufzurückzuführen, dass Frauen oft in sogenannter„versteckter Obdachlosigkeit“leben und damit nicht erfasst würden.Versteckte Obdachlosigkeit heißt, dassdie Person zwar nicht gemeldet ist, aberdennoch nicht auf der Straße lebt, sondernin einer Wohnung – nicht selten inForm einer Zweckbeziehung. Ankele seiwährend ihrer Obdachlosigkeit selbstmehrmals von unbekannten Männernangesprochen worden, ob sie für ein Bettin einer Wohnung nicht putzen und kochenwürde, erzählt sie.Dass solche Tatsachen kaumkommuniziert werden, stört PerrineSchober, Gründerin von Shades Tours.„In der Schule waren Armut und Obdachlosigkeitnie ein Thema“, meintsie. „Und dann ist man als erwachsenerMensch plötzlich damit konfrontiert.“Daher gründete sie im Jahr 2015 ShadesTours – das Prinzip der Obdachlosentourkannte sie dabei bereits aus andereneuropäischen Städten wie Barcelonaoder London. Trotz des klaren Bildungsauftragsund der sozialen Komponenteist Shades Tours ein ganz normalesUnternehmen, dessen Mitarbeiter undTourguides eine Dienstleistung erbringen.Die Tätigkeit bei Shades Tours sollin erster Linie dabei helfen, zusätzlichesGeld anzusparen, um wieder unter einDach zu finden. Zu den elf Guides kommennoch drei Büroangestellte in derAdministration, einer davon war einstselbst Tourguide.Fluch und SegenVor der Gründung von ShadesTours war Schober bei der FranzösischenZentrale für Tourismus in Wienangestellt – und obwohl sie wusste, dassder Schritt in die Selbstständigkeit keineinfacher sein würde, war der Umstieghart. Schober drehte jeden Cent zweimalum, was so weit ging, dass sie vor jedemArztbesuch überlegte, ob er nun wirklichnotwendig war, denn schließlich kosteter Zeit und Geld (Selbstbehalt).„Im ersten Jahr stand wirklichnur das Unternehmen im Vordergrund,mich selbst habe ich dabei oft vernachlässigt“,meint sie. Am Ende habe es sichaber ausgezahlt. „Wir schreiben heuervoraussichtlich schwarze Zahlen, undmittlerweile nehme ich mir auch wiederregelmäßig Urlaub.“ Wenn die Nachfragenach den Touren gleich bleibt, wirdShades Tours dieses Jahr zwischen100.000 und 150.000 € Umsatz machen –das sei zwar nicht viel, decke aber dieKosten, so Schober. Seit der Gründungvor dreieinhalb Jahren nahmen 30.500Personen an Shades-Tours-Führungenteil. Ihren Guides bietet Shades Toursvor allem eines: eine Perspektive. Genaudaran mangelt es vielen Obdachlosenlaut Schober nämlich. Und das bringtsie in eine Abwärtsspirale, aus der sienur schwer wieder ausbrechen können.„Man muss wirklich sagen: Es gibt Hoffnung,es zahlt sich aus“, so Schober. Damites gar nicht erst zu einer prekärenSituation kommt, sei auch der sozialeRückhalt wichtig: „Ein guter Kontakt zuFamilie und Freunden kann viel verhindern.Und am allerwichtigsten ist, mitSozialarbeitern zu reden.“Die Erfahrung, dass es ohne Hilfevon außen nicht geht, hat auch IngeborgAnkele gemacht. Nur dank der Hilfe vonSozialarbeitern bekam sie ihren Platzim Übergangswohnheim. Und der gabihr wiederum ein Ziel: eine eigene Wohnung.Ohne eine gewisse Sicherheit seiSparen in der Obdachlosigkeit unmöglich,meint Ankele. Heute legt sie regelmäßigetwas Geld beiseite; auf eine unerwarteteTrennung wäre sie vorbereitet.In Zukunft möchte sie neue Tätigkeitenübernehmen und nicht mehr nur Tourguidesein. Was sie aus den vergangenenzwei Jahren gelernt hat? „Man muss aufdas Unerwartete vorbereitet sein.“ Und:„Man darf sich niemals selbst aufgeben –ganz egal, wie schlimm die Situation erscheint.“D A I L Y SHADES TOURSFORBESDACH.COM17