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FORBES

Ist die Einführung eines paneuropäischen

Versicherungsprodukts angesichts

der politischen Wetterlage in

den nächsten Jahren realistisch?

Ich denke schon, dass ein solches

Produkt kommen wird. Allerdings dauert

der Prozess jetzt schon lange, und

der Weg ist mit vielen Kompromissen gepflastert.

Damit steigt das Risiko, dass am

Ende etwas rauskommt, das für die Menschen

in Europa nicht wirklich transparent,

wertstiftend und vor allem verlässlich

ist. Und das wäre schlimm, denn

dieses allererste europaweite Produkt

muss für die Bürger in Rumänien genauso

attraktiv und sicher sein wie für jene

in Frankreich. Aktuell strebt man eine

Einführung zwischen 2022 und 2024 an.

Wenn da noch irgendetwas dazwischenkommt,

ist die Menschheit zwischenzeitlich

auf dem Mars gelandet.

Die globale Pensionslücke wird auf

eine Höhe von rund 60 Billionen € geschätzt.

Ist das klassische Vorsorgesystem,

wie wir es kennen, nicht mehr

finanzierbar?

Erst vor ein paar Tagen hat – zum

wiederholten Mal – eine internationale

Studie bestätigt, dass die Finanzierung

unseres staatlichen Pensionssystems

nicht nachhaltig ist. Nur Italien steht

demnach in Westeuropa schlechter als

Österreich da. Ich frage mich, wie oft man

das wiederholen muss, bis es bei den politischen

Entscheidungsträgern ankommt

und die Konsequenzen daraus gezogen

werden. Und da reden wir noch gar nicht

von Teilbereichen wie dem Gender Pension

Gap, also der Tatsache, dass Frauen in

Österreich um 34 Prozent weniger Pension

bekommen als Männer.

Schon jetzt kämpfen wir in einem

der reichsten Länder Europas mit Altersarmut

– genauso übrigens wie mit

Jugendarmut –, was eigentlich nicht zu

verstehen ist. Natürlich sind radikale

Maßnahmen nicht unbedingt das Populärste,

aber wenn immer weniger Junge

die Pensionen von immer mehr Älteren

finanzieren müssen, kann sich jeder ausrechnen,

dass das nicht ewig so weitergehen

kann.

Was raten Sie einem jungen Menschen,

der mit kleinen Mitteln schon

jetzt für seine Zukunft vorsorgen

möchte?

Die besten drei Vorsorgemodelle

sind immer noch Bildung, Bildung und

nochmals Bildung. Aber gleich danach

sollte die private Vorsorge kommen, und

da gibt es eine Vielzahl von Modellen,

die das auch mit kleinen Mitteln ermöglichen.

Grundsätzlich gilt die Binsenweisheit:

Je früher man damit beginnt, desto

mehr kommt am Ende raus. Jungen Menschen

empfehle ich, sich umfassend zu

informieren und erst dann zu entscheiden,

welches Modell für sie ganz persönlich

das Beste ist. Eine allgemeingültige

Antwort, die für jeden passt, gibt es nicht.

Was halten Sie von datenbezogenen

Modellen?

Unser ganzes Leben basiert immer

mehr auf digitalen Fußabdrücken,

Im Mai 2018 wurde Andreas Brandstetter für drei Jahre zum Präsidenten der Interessenvertretung der europäischen

Versicherer, Insurance Europe, gewählt. Zu einem europäischen Versicherungsprodukt sagt er: „Ich glaube schon,

dass so etwas kommt.“ Doch er sagt auch: „Der Weg ist mit vielen Kompromissen gepflastert.“

die wir in der Welt hinterlassen. Manchmal

ist das hilfreich, manchmal wirklich

beängstigend. Vielleicht nicht in Europa,

aber in China. Und natürlich spiegelt sich

das auch in der Versicherungswirtschaft

wider. Beim Auto haben wir das schon

heute: Wer etwa bewusst beim Autofahren

auf sein Handy verzichtet und damit

das Unfallrisiko verringert, der zahlt bei

uns weniger Prämien.

Oder auch in der Gesundheitsversicherung:

Da gibt es Angebote, die

es honorieren, wenn man jährlich zum

Fitnesscheck geht. Es bleibt aber eine

herausfordernde Übung, wie wir Daten

verantwortungsvoll einsetzen, um die

wirklichen Bedürfnisse unserer Kunden

besser zu erfüllen, ohne dabei ihre Privatsphäre

zu gefährden. Generell ist unsere

Devise: Ausschließlich unsere Kunden

besitzen ihre Daten, nicht wir! Das heißt,

dass ausschließlich unsere Kunden auch

selbst entscheiden, ob sie uns Daten ganz

bewusst überlassen – und falls ja, welche.

Wir haben allerhöchsten Respekt vor diesem

Thema.

Welche Rolle spielt künstliche Intelligenz

in diesem Zusammenhang –

und ganz generell für Ihr Geschäftsmodell?

Im Zusammenhang mit Datennutzung

keine, weil diese Mobilitäts- oder

Gesundheitsdaten zu keiner Zeit bei uns

landen, sondern bei einem externen Partner

bleiben. Wir setzen aber künstliche

Intelligenz im Hintergrund ein, um einfache,

repetitive Aufgaben durch Maschinen

erledigen zu lassen. Das hilft unseren

Kunden, weil die Erledigung bestimmter

Leistungen dadurch schneller geht. Wo

künstliche Intelligenz auch hilft, ist bei

der Datenanalyse oder der Erarbeitung

eines Risikoprofils – darauf kann dann

der Berater im Gespräch aufsetzen und

noch besser auf den Kunden eingehen.

Ich gehe aber davon aus, dass sich in Zukunft

hier noch viel ändern wird.

Sie haben zuletzt von 700 bis 800

Millionen € Kapital gesprochen, das

in Akquisitionen fließen könnte. Welche

Bereiche sehen Sie sich hier an?

Wir richten unser Augenmerk

hauptsächlich auf die Länder Osteuropas,

wo wir noch selektive Wachstumschancen

sehen. Andererseits ist nicht

gesagt, dass wir nur nach traditionellen

Versicherungen Ausschau halten. Wir

schauen uns auch Möglichkeiten zur Akquisition

von InsurTechs oder FinTechs

genau an, und ebenso Unternehmen, die

auf anderen Ebenen unser Angebot ergänzen

könnten.

Im Handelsblatt haben Sie im September

2018 Folgendes gesagt: „Wir

rechnen damit, dass die Zinsen im

dritten oder vierten Quartal 2019

steigen werden.“ War das damals

Wunschdenken?

Nein, aber leider schlichtweg eine

falsche Annahme. Wir haben uns jedenfalls

unabhängig davon auf eine sehr lange

Phase mit sehr niedrigen Zinsen eingestellt.

Andreas Brandstetter ist seit

2011 Vorstandsvorsitzender der

Uniqa Insurance Group AG. Seit

2018 ist er zudem Präsident der

Interessenvertretung Insurance

Europe.

D A I L Y

UNIQA

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