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FRAU MACHT GELD
Helma Sick, die Grande Dame der Finanzberatung in Deutschland, ist seit 30 Jahren mit ihrem
Institut Frau & Geld aktiv. Sie ärgert sich über die Renaissance der Hausfrauenehe – und die Folgen
finanzieller Abhängigkeit.
Interview: Julia Herrnböck
Fotos: Thomas Dashuber
Das Statistische Bundesamt hat erhoben,
dass 2017 fast 50 Prozent der
Frauen in Deutschland nur Teilzeit
arbeiteten. 1991 war es noch ein Drittel.
In Österreich ist der Anstieg noch
größer. Wie sehen Sie diesen Trend?
Der Großteil dieser Frauen bleibt
auch in Teilzeit, wenn die Kinder schon
groß sind. Hinterher sind sie erstaunt,
weil sie so wenig Rente kriegen. Teilzeitarbeit
ist eben auch Teilzeitrente, das ist
ganz einfach, aber viele Frauen lesen die
oft keine Ahnung haben. Einige äußern
sogar die Idee, dass sie einfach einen reichen
Mann heiraten können, wenn es
mit dem Job nicht klappt. Ist das nicht
schrecklich? Das ist doch ein Rückfall in
die 1950er-Jahre!
Spielt da auch eine gewisse Bequemlichkeit
mit?
Wie soll sich die Arbeitswelt
ändern, wenn wir Frauen nicht mitmischen?
Es wird noch viel unbequemer,
D A I L Y
„Teilzeitarbeit ist eben auch
Teilzeitrente, das ist ganz einfach.
Aber viele Frauen lesen die
Renteninfo nicht.“
Renteninfo nicht. Gleichzeitig ist ihnen
bewusst, dass sie von der Teilzeitrente
nicht leben können. Sie wollen es aber
nicht so genau wissen, weil es sie deprimiert.
wenn das Lebensmodell Ehe scheitert
und sie jahrelang nicht gearbeitet hat,
die Kinder aus dem Haus sind und sie
keinen Unterhalt bekommt – von der
späteren Minirente ganz zu schweigen.
HELMA SICK
Warum bleiben oft sehr gut ausgebildete
Frauen jahrelang zu Hause?
Geringverdienerinnen haben die
Wahl nicht, sie müssen arbeiten. Erstaunlicherweise
gehen gerade Akademikerinnen
wieder vermehrt zurück
in die Nische der traditionellen Familie:
Papa geht arbeiten, Mama bleibt zu
Hause. Das wird nur in Deutschland und
Österreich so stark gelebt. Sobald das
erste Kind da ist, kommt häufig die große
Wende. Und dann kommt das zweite
Kind und aus den geplanten zwei bis drei
Jahren werden oft zehn und mehr.
Was braucht es, damit junge Frauen
heute ein stärkeres Bewusstsein
entwickeln, wie wichtig finanzielle
Eigenständigkeit ist?
Mehr Aufklärung. Ich werde häufig
von Universitäten und Hochschulen
zu Vorträgen eingeladen, weil die Professorinnen
merken, dass die Studentinnen
Gibt es das noch oft, dass Frauen
zehn Jahre zu Hause bleiben?
Oh ja. Ich verstehe auch nicht,
dass Arbeit nicht als das gesehen wird,
was es ist: ein Mittel, um eigenes Geld zu
verdienen, aber auch Teilhabe am sozialen
Leben, geistige Anregung. Ich finde,
dass es zur Würde eines Menschen gehört,
nicht abhängig zu sein vom Fortbestand
einer Lebensgemeinschaft.
Was entgegnen Sie Frauen, die sagen,
Kinderbetreuung sei mit Berufstätigkeit
nicht vereinbar?
In jedem Vortrag von mir sitzen
mindestens zwei Supermütter drin, die
mir sagen: „Die Mutter macht das einfach
am besten.“ Die Auswüchse sieht
man in diesen sogenannten Helikoptereltern,
die über allem schweben und die
Kinder zum Projekt erklären, weil ihr
eigenes Leben nicht unbedingt gelungen
ist. Das ist nicht kindgerecht. Private und
Helma Sick hält Vorträge, leitet Workshops und schreibt Bücher
dazu, wie Frauen besser mit ihrem Geld umgehen müssen.
Ihr bisher letztes Buch schrieb sie mit der ehemaligen Familienministerin
Renate Schmidt: „Ein Mann ist keine Alters vorsorge“,
erschienen 2015, wurde ein Bestseller.
öffentliche Erziehung sollten sich ergänzen,
und zwar möglichst früh.
Andererseits zerreißen sich Mütter,
die arbeiten gehen.
Ich plädiere daher für eine Familienarbeitszeit,
wo beide Elternteile
gleichermaßen ihre Wochenstunden
reduzieren können und in den ersten
Jahren einen Lohnausgleich vom Staat
bekommen.
Sie haben als junge Frau als Sekretärin
begonnen …
Ich wurde später Vorstandssekretärin,
dann wechselte ich ins Frauenhaus
als kaufmännische Leiterin. Vorher
habe ich wesentlich mehr verdient,
aber es war einfach eine Herzensangelegenheit.
Die Jahre im Frauenhaus waren
unglaublich eindrucksvoll. Dann haben
mein Mann und ich unseren Sohn adoptiert
und ich bin in Elternteilzeit gegangen.
Das war eine wichtige Zeit, aber es
gefiel mir nicht, dass ich finanziell abhängig
war.
Wie lange waren Sie zu Hause?
Vier Jahre. Ich habe in dieser Zeit
ein Abendstudium in Betriebswirtschaft
absolviert, um mich auf eine Selbstständigkeit
vorzubereiten. Mein Mann hat
mich dabei sehr unterstützt. Ich habe
mich weitergebildet, habe Seminare in
Frankfurt besucht und in Finanzbetrieben
hospitiert.
Ist Selbstständigkeit eine gute Alternative
für Frauen?
Unbedingt – wenn es die richtige
Geschäftsidee ist. Man darf sich allerdings
nicht mit dem 53. Nagelstudio an
der Ecke selbstständig machen.
Helma Sick gilt als Grande
Dame der Finanzberatung in
Deutschland. Seit 1986 leitet sie
das von ihr gegründete Institut
Frau & Geld.
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