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AN SCHULDEN WACHSEN

Wer Schulden hat, ist nicht automatisch gescheitert: Schulden und Armut werden oft vererbt.

Clemens Mitterlehner zeigt deshalb mit der ASB Schuldnerberatungen GmbH Schuldnern

nicht nur neue Perspektiven auf, sondern setzt sich auch für Finanzbildung im Kindesalter ein.

Text: Andrea Gläsemann

Fotos: David Visnjic

Wie seine Klienten auch

hat Clemens Mitterlehner,

Geschäftsführer der

staatlich anerkannten ASB

Schuldnerberatungen GmbH, Schulden

– und sieht darin eine wichtige gesellschaftliche

und wirtschaftliche Funktion:

„Ohne Schulden würde vieles nicht

funktionieren. Ich hätte mir beispielsweise

kein Haus kaufen können oder

die meisten Unternehmensgründungen

wären unmöglich.“ Eine Tatsache, die

den Unterschied macht: Denn während

Mitterlehner einen Kredit für ein eigenes

Heim aufgenommen hat, sind die Schulden

seiner Klienten ganz anderer Natur.

Verschuldungsgrund Nummer eins ist

in Österreich Arbeitslosigkeit bzw. Einkommensverschlechterung,

gefolgt von

gescheiterten Unternehmen und einem

schlechten Umgang mit Geld. Vor allem

Konsumkredite sieht Mitterlehner kritisch:

„Kontoüberziehungen und Konsumkredite

sind die Einstiegsdrogen in

die Überschuldung. Denn die Angebote

richten sich in der Regel nicht an gut Verdienende,

sondern an jene, die nicht viel

Einkommen haben und daher ohne Kredit

oder Kontoüberziehung nur wenig

konsumieren könnten.“

In Österreich erhielten 2018

62.862 Personen Unterstützung von einer

der zehn staatlich anerkannten Schuldenberatungen.

Die Durchschnittsverschuldung

(bei Personen, welche sich zur Erstberatung

begeben) beträgt dabei bei den

Klienten gesamt 67.654 € – wobei Männer

im Schnitt um knapp 27 % höhere

Schulden aufweisen als Frauen. „Ein sehr

großer Anteil der Schulden besteht aus

Kosten, Zinsen und Zinseszinsen. Schulden

verdreifachen sich im Durchschnitt

innerhalb von acht Jahren, wenn keine

Rückzahlung erfolgt. Es gab bei uns einen

Fall, bei dem aus anfänglichen 6.900 €

Schulden innerhalb von 13 Jahren 273.000

€ Schulden wurden“, so Mitterlehner. Die

Klienten würden oftmals erst viel zu spät

zur Schuldnerberatung gehen, eben dann,

wenn der einzig mögliche Ausweg in

einem Privatkonkurs besteht. „Im letzten

Jahr gab es so viele Privatkonkurse wie

nie zuvor. Und das ist gut, weil jede Zahl

in der Statistik für einen Menschen eine

Chance ist, schuldenfrei zu werden und

wieder an der Gesellschaft angemessen

teilnehmen zu können. Mitbetroffen sind

ja oft auch Kinder, die unverschuldet in so

eine Notlage geraten“, so Mitterlehner.

Als Grund der gestiegenen Zahl

nennt er die Schuldenreform 2017, welche

anders als beim alten Schuldrecht

keine Mindestquote (mindestens 10 % der

Schulden müssen zurückgezahlt werden)

mehr vorsieht und das Abschöpfungsverfahren

von sieben auf fünf Jahre verkürzt.

Bei diesem Prozess werden gewisse Summen

des Vermögens auf ein Extrakonto

gelegt, das Treuhandkonto. Das Gericht

bestimmt eine Person, die dieses Konto

verwaltet (Treuhänder) und mit dem

Geld die Gläubiger sowie die Verfahrenskosten

bezahlt. Die zweite Möglichkeit,

sich aus den Schulden zu befreien, besteht

in einem Zahlungsplan, bei dem der

Schuldner mit den Gläubigern aushandelt,

wie viel Geld in den nächsten sieben

Jahren maximal zurückgezahlt werden

kann. Der Zahlungsplan benötigt die Zustimmung

von mindestens der Hälfte der

Gläubiger.

Die Quote spricht für sich: Knapp

90 % der Abschöpfungsverfahren verlaufen

erfolgreich. Neben den mehrere

Jahre dauernden Prozessen gibt es auch

einfache Sofortmaßnahmen: „Beispielsweise

kann sich jeder Stromkunde auf

die sogenannte Grundsicherung berufen,

wonach jeder mit Strom versorgt werden

muss. Viele setzen auch aus Angst vor

der Bank ihre Prioritäten falsch: Dann

wird eher der Kredit zurückbezahlt, anstatt

sich notwendige Medikamente zu

kaufen oder die Miete zu zahlen, weil

sie – fälschlicherweise – denken, dass sie

wegen Bankschulden eingesperrt werden

könnten. Da die Angst zu nehmen und

Perspektiven zu geben ist ein wichtiger

Schritt in der Beratung“, so Mitterlehner.

Denn Schulden führen vielfach zu

chronischem Stress, welcher zu Depressionen

oder Magen-Darm-Problemen

führen kann. Laut dem Österreichischen

Schulden report 2019 ist bei jeder siebten

Person, die die Schuldenberatung aufsucht,

aufgrund von Krankheit und Sucht

eine Schuldenregulierung nicht möglich.

Um Verschuldung in der Bevölkerung

vorzubeugen, setzt Mitterlehner

auf Bildung und Aufklärung: „Je fundierter

die Ausbildung eines Menschen,

desto geringer ist das Risiko, sich zu

überschulden. Zweiter Punkt und mein

Appell an das Elternhaus und die Schule:

Geld zum Thema machen. Taschengeld

hat eine wichtige Funktion. Kinder

müssen lernen, mit Geld umzugehen, und

da eignet sich Taschengeld sehr gut zum

Ausprobieren.“

Deshalb setzt sich Mitterlehners

Schuldenberatung mit eigens dafür erschaffenen

Ansätzen und Modellen wie

dem Finanzführerschein für das Thema

ein. Beim Finanzführerschein gehen

Schuldenberater in die Schulen und versuchen,

Kinder in ihren „teachable moments“

– wie Mitterlehner sagt – zu erreichen:

„Mit 15 Jahren ist zum Beispiel

die Finanzierung eines Mopeds ein großes

Thema. Und so gibt es dann genau

dazu Angebote wie E-Learning oder Unterrichtsblöcke

mit einem Trainer oder

dem Klassenlehrer. Am Ende gibt es einen

Wissens-Check in Quizform, und die

Jugendlichen erhalten dann den Finanzführerschein.“

Er sieht diese Arbeit als

Basisfinanzbildung an, welche Kindern

das Rüstzeug mitgeben soll, verantwortungsbewusst

mit Geld umzugehen – damit

etwaige Schulden nicht zum Problem

werden, sondern im besten Fall, wie bei

Mitterlehner, mit dem Schaffen eines Eigenheims

enden.

Clemens Mitterlehner ist

studierter Sozialwissenschaftler

und Sozialarbeiter. Mit der ASB

Schuldnerberatungen GmbH bietet

er in Linz und Wien kostenlos

Schuldenberatungen an.

„Geld zum Thema machen“, rät Clemens Mitterlehner im Kampf gegen

Schulden. „Taschengeld hat eine wichtige Funktion. Kinder müssen lernen,

mit Geld umzugehen“, so der Chef der Schuldnerberatungen.

DURCHSCHNITTSVERSCHULDUNGEN DER

KLIENTEN UND KLIENTINNEN 2019

120.000

100.000

80.000

60.000

40.000

20.000

0

67.654 €

KlientInnen

gesamt

147.797 €

Ehemals

Selbstständige

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