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EINE FRAGE DES WILLENS

Nicht nachhaltig, zu teuer: Das österreichische Pensionssystem kommt oft in die Kritik.

Viele rechnen nicht mehr damit, eine Pension zu bekommen. Das sei gefährlich,

sagt Franz Beck, Generaldirektor-Stellvertreter der Pensionsversicherungsanstalt – der

Generationenvertrag habe noch immer gehalten.

Text: Klaus Fiala

Foto: David Visnjic

Der Hauptsitz der österreichischen

Pensionsversicherungsanstalt

(PVA) ist ein auf

seine Art beeindruckendes

Gebäude. Im zweiten Wiener

Gemeindebezirk gelegen, erstreckt sich der

größte Sozialversicherungsträger Österreichs

über einen neunstöckigen Flachbau.

Fast ein Drittel der insgesamt 7.000 Mitarbeiter

der PVA sind in Wien tätig, neben dem

Hauptsitz findet sich hier auch die Landesstelle

Wien. Als größter Pensionsversicherer

des Landes ist die wichtigste Aufgabe der

PVA die Prüfung, Gewährung und Betreu-

in Österreich mit durchschnittlich 59,3

Jahren in den Ruhestand, Männer mit

61,3 Jahren. Das ist deutlich entfernt

vom gesetzlichen Pensionsantrittsalter,

das für Frauen bei 60, für Männer bei

65 Jahren liegt. Die Gründe: frühzeitige

Pensionierung, Invaliditätspensionen et

cetera. Kritiker fordern, das effektive

Antrittsalter zu erhöhen.

Doch Beck weiß, dass diese Maßnahme

bei der Bevölkerung überhaupt

nicht beliebt ist: „Es gab dazu Umfragen:

Die Leute sind noch eher bereit, höhere

Beiträge zu zahlen – weniger bereit sind

D A I L Y

„Wer ins System eingezahlt hat,

bekommt auch etwas heraus.

Der Generationenvertrag hat noch

immer gehalten.“

ung von Pensionsansprüchen. Seit 2015 sitzt

Franz Beck, Generaldirektor-Stellvertreter,

in seinem Büro mit Blick auf die Donau.

„Sein“ Thema, also Pensionen, sieht Beck

allzu oft zum Spielball verkommen.

„In der Bevölkerung ist es oft so,

dass die Pensionen als Reizthema verwendet

werden, egal ob das jetzt in öffentlichen

oder politischen Debatten

ist.“ Und tatsächlich drehte sich auch

ein signifikanter Anteil der Diskussionen

vor der letzten Nationalratswahl wieder

um Pensionszahlungen – nicht zuletzt,

weil im Sommer eine Erhöhung der

Pensionen um bis zu 3,6 % im kommenden

Jahr beschlossen wurde, die nicht

alle politischen Kräfte goutierten. Für

Beck ist das Thema aber hochrelevant

für das Funktionieren des Sozialstaats.

„Die Pensionen sind eine tragende Säule

unseres Systems. Wenn diese wankt, gerät

der soziale Zusammenhalt in Gefahr.“

Österreichs System basiert auf

dem Generationenvertrag: Dabei finanzieren

aktive Arbeitnehmer die Pensionen

ehemaliger Arbeitnehmer. Wenn

dann die heute aktiven Arbeitnehmer

morgen pensioniert werden, finanziert

wiederum die nächste Kohorte deren

Ruhestand. Doch in den letzten Jahren

kam das System zunehmend in die Kritik:

Steigende Lebenserwartung und

weniger Kinder lassen die Bevölkerung

überaltern – die Folge: Die Menschen

sind länger in Pension und werden zugleich

von weniger aktiven Arbeitnehmern

gestützt. Inwiefern Österreichs

Pensionssystem nachhaltig ist, sorgt regelmäßig

für Diskussionen.

Erst jüngst wurde wieder debattiert,

und zwar über eine neu veröffentlichte

Mercer-Studie, die dem Pensions

system der Republik sowohl

Angemessenheit als auch Nachhaltigkeit

abspricht. Tatsächlich zeigt ein

Blick in die Welt, dass Österreich bei

den Leistungen im Spitzenfeld liegt, die

Menschen gleichzeitig jedoch früher

in Pension gehen als in vielen anderen

(Nachbar-)Staaten. 2018 gingen Frauen

sie, länger zu arbeiten. Mit Abstand am

unbeliebtesten ist aber eine etwaige Kürzung

der Pensionshöhe.“ Die PVA sieht

die Situation überhaupt diametral anders:

Die Mercer-Studie gehe davon aus,

dass ein System mit vorrangig öffentlichen

Pensionen und einer kleinen kapitalgedeckten

privaten und betrieblichen

Altersvorsorge nicht nachhaltig sein könne

– Österreich beweise seit Jahrzehnten

das Gegenteil. Organisationen wie die

Arbeiterkammer geben der PVA da recht.

Und auch Beck sieht die Debatte

gelassen: „Bereits als ich 1979 ins Berufsleben

eingestiegen bin, hieß es, wir

Jungen würden keine Pension mehr bekommen.

Diese Aussage hat sich nicht

geändert, aber bis heute gilt: Wer ins

System eingezahlt hat, wird auch etwas

herausbekommen. Der Generationenvertrag

hat immer gehalten“ – es hänge

lediglich vom politischen Willen ab, ob

er aufrecht bleibe. Doch auch die Übernahme

der Ausfallshaftung ermöglicht

das Funktionieren des Systems. Rund 3,7

Milliarden € betrug der Bundesbeitrag,

um die Lücke im System auszugleichen.

Zugegebenermaßen ist diese Summe in

den letzten Jahren jedoch gefallen: 2014

lag die Zahlung etwa noch bei 4,62 Milliarden

€.

Was Beck jedoch Sorge bereitet,

ist die Verdrossenheit, die die Diskussion

auslöst. Denn wenn junge Menschen

glauben, keine Pension mehr zu bekommen,

hätten sie keinen Anreiz, über eine

geregelte Arbeit in die Pflichtversicherung

einzutreten. Die Folge: Jobs, die

keine Pensionsvorsorge ermöglichen,

etwa in prekären Arbeitsverhältnissen,

werden in Kauf genommen. „Wenn Jugendliche

glauben, dass sie nichts arbeiten

müssen, weil sie eh keine Pension

bekommen, ist das gefährlich.“ Denn für

alle, die in einem geregelten Arbeitsverhältnis

stehen, wird automatisch Geld

aufs Pensionskonto eingezahlt.

Auch die „Teilzeit-Falle“, in der

sich insbesondere Frauen mit Kindern

„Wenn Jugendliche glauben, dass sie nichts arbeiten müssen,

weil sie eh keine Pension bekommen, ist das gefährlich“,

sagt Franz Beck, General direktor-Stellvertreter der Pensionsversicherungsanstalt

(PVA).

oft wiederfinden, ist ein Problem, vor

dem Beck warnt. „Wer lange Zeit wenig

einzahlt, wird am Ende auch wenig Pension

bekommen. So bekommen Frauen,

die viele Jahre in Teilzeit arbeiten, auch

nur geringe Pensionen.“ Frauen müssten

also versuchen, trotz Kindererziehung

möglichst Vollzeit zu arbeiten. Das Argument,

dass dafür die nötige Infrastruktur

fehlt – wegen zu wenigen oder zu teuren

Kinderbetreuungsplätzen –, versteht

Beck. Es sei Aufgabe der Politik, das zu

beheben, so der Jurist.

Rund 27 % der Österreicher sind

Pensionisten, die Pensionszahlungen

hatten 2017 einen Anteil von 14,4 % an der

Wertschöpfung des Landes (BIP). Mit 19

Milliarden € machen die Pensionen den

größten Ausgabenposten des Staates aus,

rund ein Viertel der Einnahmen der Republik

fließen in die Sicherung der Pensionszahlungen.

Damit ist klar, dass das

Thema auch in Zukunft eine hohe Relevanz

haben wird – auch, weil Pensionisten

eine große Wählergruppe darstellen.

Beck rät jungen Menschen, möglichst

lange möglichst hohe Beträge ins System

einzuzahlen – also in einem geregelten

Arbeitsverhältnis zu stehen. Zusätzliche,

private Vorsorgemethoden seien durchaus

eine Ergänzung; „ein Ersatz für das

staatliche System sind sie aber nicht.“

Beck spricht aus Erfahrung. 1979

als Jurist zur PVA gekommen, war er

stellvertretender Leiter der Personalund

Leiter der Rechtsabteilung in der

Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten.

Nach der Fusion der Pensionsversicherungsanstalten

war er 2004 für

fünf Monate Direktor der Grundsatzabteilung,

ab Dezember 2004 dann Landesstellendirektor

in St. Pölten. Seit 2015

ist er einer der beiden Stellvertreter des

aktuellen Generaldirektors Winfried

Pinggera. „Und am 1. Dezember 2019

gehe ich dann selbst in Pension.“

Franz Beck ist Generaldirektor-

Stellvertreter der österreichischen

Pensionsversicherungsanstalt

(PVA). Der Jurist ist

bereits seit 1979 dort tätig.

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