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FORBES
amerikanischen. In den USA finanzieren
die Geldhäuser „nur“ 25 % der Wirtschaft,
in Europa sind es 75 %. In unserer
Region sind es sogar 90 %, weil es eben
keinen Kapitalmarkt gibt. Das ist ein gesellschaftliches
Thema, und ein Teil davon
liegt auch in Financial Literacy.
Sie wollen aus der Bank eine „Financial
Health Company“ machen.
Inwiefern wird sich die Rolle als Financier
der Wirtschaft in Zukunft
ändern?
Wir sind der Meinung, dass die
Unternehmen eine Alternative zur Bankfinanzierung
brauchen – und diese könnte
der Kapitalmarkt sein. Wir sehen uns
weiterhin als Berater und Partner unserer
Kunden, weil wir der Überzeugung
sind, dass eine persönliche Beziehung
enorm wichtig ist. Bei uns entscheiden
niemals Algorithmen über eine Kreditvergabe.
Und auch wenn in der Zukunft
wahrscheinlich viele Transaktionen über
das Handy abgewickelt werden, wird es
die Möglichkeit, einen Berater anzurufen
oder einen Termin auszumachen, bei
uns immer geben. Das unterscheidet uns
auch wesentlich von den Start-ups. Daran
wird sich nichts ändern.
Soll das FLiP über Financial Literacy
somit auch den Zugang von Privatpersonen
zum Kapitalmarkt stärken,
Menschen also ermutigen, Geld etwa
in Aktien zu investieren?
PL: Unbedingt. Wir wollen mit
dem FLiP sehr wohl den Zugang von
Privaten zum Kapitalmarkt stärken. Mit
der „Kapitalmarkt Challenge“ stellen
wir Schulen die erste digitale Unterrichtseinheit
zur Verfügung, die 14- bis
18-Jährigen den Kapitalmarkt erklärt
und Ihnen auch das Thema Vorsorge
näher bringt. Zudem bieten wir im FLiP
spezielle Kapitalmarkttouren an, dass
dieses Thema Jugendlichen verstärkt
näher bringt. Für Lehrer stehen auf unserer
Webseite spezielle Unterrichtsmaterialien
zum Download bereit.
In einer anderen Station wird der
Unterschied zwischen Wert und Preis
nähergebracht. Wie?
PL: Wir erklären, dass es drei
unterschiedliche Arten von Wert gibt:
den emotionalen, den situativen – wie
die Flasche Wasser in der Wüste – und
den materiellen. Und wir beginnen immer
mit der Inflation und fragen: Was
bedeutet es, wenn du 1.000 € in diesen
Tresor einsperrst, das Geld nicht anlegst
und keine Zinsen bekommst?
AT: Man darf nicht vergessen,
dass hier eine Generation in eine Welt
wächst, die wir nicht kennen. Wir leben
in einer Zeit, in der ich Geld kostenlos
bekomme, aber nichts verdiene,
wenn ich es investiere. Das ist eine
ganz dramatische Änderung. Ich kriege
nichts auf mein Sparbuch, also muss
ich ins Risiko gehen. Was heißt zum
Beispiel Sparen? Heute heißt Sparen,
nichts auszugeben. Ob das Geld im
Tresor liegt oder in einer Bank, ist egal.
Ich gebe es nicht aus, aber ich bekomme
auch nichts dafür.
„Amerika hat eine Kapitalmarktkultur – und damit kommt ein großes Problem auf Europa zu,
mit dem sich die Politik nicht ausreichend auseinandersetzt. Das Thema geht weit über die Finanzbildung
hinaus und zieht sich tief in die Politik, und zwar in allen Ländern“, so Andreas Treichl.
Ein anderes Thema ist die Überschuldung
respektive Armutsgefährdung.
In vielen Ländern, in denen die Erste
Group tätig ist, sind die Zahlen dramatisch,
in Rumänien etwa sind 40 %
der Menschen armutsgefährdet. Gibt
es Überlegungen, das FLiP an andere
Standorte zu bringen?
PL: Durchaus, und sehr konkret
in Rumänien. Dort werden wir zunächst
mit einer mobilen Version auf die Straße
gehen und denken parallel dazu schon an
einen Ausstellungsraum. In der Slowakei
und auch in Tschechien gibt es Interesse,
und wir bringen aktuell die mobile Version,
das FLiP2Go, auch in die Bundesländer,
weil nicht alle Schüler nach Wien
kommen können. Also ja, wir expandieren.
Hinter dem FLiP steht ein Anliegen.
Es fühlt sich an wie ein Vermächtnis …
AT: Ich glaube nicht, dass es ein
Vermächtnis ist. Ich glaube, es ist ein Teil
unseres Gründungsauftrags. Wir wollen
den Menschen in der Region, in der wir
tätig sind, zu Wohlstand verhelfen – dazu
gehört Financial Literacy. Wir glauben,
dass es Menschen zu Wohlstand verhelfen
kann, wenn sie von früh an mehr
über das Finanzleben wissen und die
Zusammenhänge verstehen. Es ist eine
konsequente, relativ kostenintensive Investition
in die Zukunft unserer Region.
Inwiefern passt das FLiP in die Feierlichkeiten
der Erste Bank anlässlich
des 200-jährigen Jubiläums?
PL: Ich sehe es als einen logischen
nächsten Schritt zur Zweiten
Sparkasse. Vor zehn Jahren wurde sie
für all jene gegründet, die aus irgendeinem
Grund eine falsche Entscheidung
getroffen haben und in eine schwierige
Situation gekommen sind. Mit dem FLiP
hoffen wir, so viel Interesse bei Jugendlichen
zu generieren, dass sie am besten
gar nicht erst in diese Lage kommen.
Andreas Treichl ist seit 1997
Generaldirektor der Erste Bank
und seit 2008 CEO der Erste
Group. Diese Position hat Treichl
bis Jänner 2020 inne, dann übernimmt
Bernhard Spalt den CEO-
Posten. Treichl wird dann Aufsichtsratsvorsitzender
der Erste
Stiftung – und will sich dabei
vorrangig dem Thema „Financial
Health“ widmen.
Philip List ist Direktor des Financial
Life Park (FLiP) am Erste
Campus.
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