Therapeutisches Reiten in der Traumaarbeit - Kristina Hänel

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KRÖGER). Kann eine Person sich nicht Hintenüber auf das Pferd legen oder nur für einen sehr kurzen Moment, so ist dies zunächst eine Schutzfunktion, möglicherweise aus Angst vor Kontrollverlust. z.B. Jasmin Jasmin kam mit vier Jahren zu uns. Zunächst in Einzeltherapie, später in die Gruppe. Jasmin wurde mit sieben Monaten aus der Herkunftsfamilie herausgenommen und lebt in einer Pflegefamilie. Die Vorkommnisse der ersten Monate sind nicht vollständig aufgedeckt. Fest steht, dass es in der Familie Vernachlässigung, Gewalt und Drogen gab. Ein weiteres Kind der Familie ist unter diesen Umständen zu Tode gekommen. Vermutet wird bei Jasmin zusätzlich eine sexuelle Traumatisierung. Sie wurde ursprünglich angemeldet mit der Symptomatik von Defiziten im Bereich der Grobmotorik, einem schlaffen Muskeltonus im oberen Bereich, Gleichgewichtsstörungen, Wahrnehmungsstörungen, Sprachstörungen und auffälligem Sozialverhalten. Jasmin war kaum in der Lage sich anfassen zu lassen, konnte nicht artikulieren, was sie wollte oder nicht wollte, das Wort Nein kam in ihrem Sprachschatz nicht vor. Nach einem Jahr Reittherapie und zusätzlicher Betreuung in der Frühförderung, Logopädie und Krankengymnastik haben sich die motorischen Auffälligkeiten von Jasmin annähernd gegeben. Probleme bestehen noch in den Bereichen Wahrnehmung und Kommunikation. Inzwischen nimmt Jasmin an einer integrativen Gruppe teil. Als wir ihr zu Beginn die oben beschriebene Übung vorstellten, war es ihr nicht möglich, sich nach hinten zu legen. Sie drehte sich daraufhin von selbst um, so dass sie verkehrt herum auf dem Pferd saß und konnte sich aus dieser Position heraus bäuchlings auf das Pferd legen. Nach einer längeren regressiven Phase, in der sie öfter am liebsten einfach verkehrt herum auf dem Pferd saß und die Kruppe streichelte, wurde es ihr später möglich, sich auch hintenüber hinzulegen. Allerdings bleibt sie nur für einen sehr kurzen Moment in dieser Position. 3.2.2 Macht/Ohnmacht Sexueller Missbrauch spielt sich immer in Beziehungen ab, in denen einen Machtgefälle besteht, Macht missbraucht wird. Das Erleben von Ohnmacht ist ein Grundgefühl des Opfers. Das Pferd ist ein spannendes Übungsfeld zu diesem Thema. Es ist einerseits übermächtig groß und verlangt andererseits klare Kommunikation, um den Menschen als Mächtigeren, als Leittier anzuerkennen. Als Übung hierzu eignet sich das Führen des Pferdes. Ein typisches Phänomen ist, dass missbrauchte Mädchen es schwer aushalten, nach der Tellington Jones Methode ein Pferd zu führen, d.h. das Kind/die Erwachsene läuft sozusagen als Leittier vorne weg, das Pferd folgt automatisch. Sehr oft habe ich erlebt, dass in dem Moment, wo sich etwas hinter dem Rücken des Kindes bewegt, in diesem Fall das Pferd, eine spontane tiefe Angstreaktion erfolgt, ein Sich- Ducken und der Versuch wegzulaufen. Dieses Weglaufen verstärkt die Reaktion des Pferdes, was meist sehr schnell zu einer „Grenzüberschreitung“ gegenüber dem Kind führt. Es lässt das Pferd an sich vorbei laufen und gibt sofort jedwede Aktivität auf. Lernaufgabe ist es hier, auszuhalten, dass das Pferd im Rücken ist und das Gefühl der Ohnmacht hinter sich zu lassen, um die „Führungsrolle“ übernehmen zu können, zu agieren statt zu reagieren. z.B. Meik Mit Meik, einem 9-jährigen Jungen haben wir hier eine entsprechende positive Erfahrung machen können. In der Herkunftsfamilie waren Alkohol, Vernachlässigung und Gewalt an der Tagesordnung. Meik ist inzwischen in einem Heim untergebracht. Er zeigt Emotionalstörungen, Sprachstörungen, Störungen im Sozialverhalten, Entwicklungsretardierung, Einnässen und sexualisiertes Verhalten. Seine Frustrationstoleranz ist extrem niedrig. In der Gruppe fällt er außerdem durch aggressives Verhalten auf, was in der Reittherapie nicht zum Ausdruck kommt. Da Meik ein sehr geringes Selbstvertrauen hat, war es schwierig, ihn zu motivieren, Übungen auf dem Pferd auszuprobieren, die er nicht auf Anhieb konnte. Z. B. mussten wir das Pferd grundsätzlich anhalten, damit er eine Mühle ausführen konnte, obwohl er von Motorik und Koordination her in 14
der Lage gewesen wäre, es im Schritt auszuprobieren. Sobald er aber ein wenig ins Rutschen kam, bekam er soviel Angst, dass er seinen Körper nicht mehr ins Gleichgewicht korrigieren konnte, er schien wie gelähmt zu sein. Beim Reiten mit Zügel war es ihm anfangs nicht möglich, das Pferd zu lenken. Sobald dieses nur einmal nicht sofort auf eine zu vorsichtig gegebene Hilfe reagierte, schmiss er die Zügel weg, behauptete, er könne das gar nicht und war nicht mehr zu bewegen, es noch einmal zu versuchen. In dieser Phase ließ er sich dennoch darauf ein, das Pferd selbst auf die Wiese zu führen, auf der wir reiten wollten. Auf Anleitung probierte er die Kommandos „Halt“ und „Marsch“ aus und zu seinem Erstaunen reagierte das Pferd auf ihn. Aus dieser Position heraus hatte er es geschafft, klar und deutlich zu reden und auch seine Körpersprache war aus der ohnmächtigen und hypotonen Position heraus in eine aufrechte und klare Haltung gewechselt. Daraufhin hatte das Pferd ihn als Führungsperson akzeptiert. Dieser für ihn ungewohnten Erfahrung gab er im folgenden mehrmals Ausdruck mit dem Satz: „Das hört auf mich!“ In der folgenden Arbeit war es immer wieder möglich, auf dieser Erfahrung aufzubauen. Ganz langsam beginnt er nun auch in den anderen Bereichen in die aktive Rolle zu gehen, die Führung zu übernehmen. Die Zügel in die Hand nehmen Diese Formulierung (s. auch BAUM, SCHULZ) drückt treffend aus, welche Bedeutung das eigenständige Reiten in diesem Zusammenhang haben kann. Da Reiten nicht nur auf körperlicher Stärke und Sportlichkeit aufbaut, sondern entscheidend von der Kommunikation mit dem Partner Pferd abhängt, können auch Menschen mit Handicap sehr gute Reiterinnen und Reiter werden. Auf diesem Phänomen baut der Ansatz des Therapeutischen Reiten u.a. auf. In der Traumaarbeit gewinnt dieser Aspekt eine spezifische Bedeutung, weil nur reiten kann, wer den Willen hat, dem Pferd zu sagen, wo es langgeht und auch lernt, wie er diesen Willen durchsetzt. z.B. Raphael, Meik, Jasmin Raphael beispielsweise, ein multipel gehandicaptes Kind, der schmal und relativ klein ist, hat diesen Willen bereits entwickeln können. Bei Meik, der viel größer und körperlich stärker ist, bestehen noch Probleme in diesem Bereich. Wenn er versucht, ein Pferd in eine Richtung zu lenken und es nicht gleich funktioniert, gibt er auf. Das, was ihm beim Führen möglich ist, klare Signale zu senden, geht beim Reiten noch nicht. Er verfällt dann schnell in eine Ohnmachtshaltung, in der das Pferd die Oberhand gewinnt und den Weg bestimmt. Jasmin ist ein faszinierendes Beispiel. Sie, die es bisher nur in ganz vertrauter Umgebung schafft, ihren Willen kundzutun, ist nach einem Jahr Reittherapie mit ihren fünf Jahren bereits in der Lage, selbständig unsere Stute zu lenken, wenn eine Begleitperson zur Sicherheit nebenher geht. 3.2.3 Körperwahrnehmung-Körpergefühl Da in der traumatischen Situation die Realität verloren zu gehen scheint (s. Kap. 2.2) und zusätzlich Täter oft durch Lügen und Schuldzuschreibungen an das Opfer dieses Phänomen verstärken, ist es auch später oft nicht mehr klar, was als wahr angenommen werden kann. Ebenso ist der Körper, der Ort des Geschehens ist und vielleicht sogar in der Missbrauchssituation mit Erregung reagiert hat, kein verlässlicher Partner mehr. Berührungen, Bewegungsempfindungen, unterschiedlichen Sinnesreizen ausgesetzt zu Sein, ohne dass eine Gefahr weiterer Übergriffe besteht, ist Herausforderung und Heilungschance im Therapeutischen Reiten. z.B. Silvia Silvia ist 30 Jahre alt, Mutter von zwei Kindern, wurde von ihrem Partner verlassen und lebt von Sozialhilfe, von der sie auch die Reittherapie finanziert. Silvia leidet an einer Angstneurose, war lange suizidal und kann oft für einen längeren Zeitraum das Haus nicht verlassen. Silvia war über 10 Jahre in psychoanalytisch orientierter Einzeltherapie, die sie abbrach, weil die Symptomatik sich zunehmend verschlimmerte. Silvia brauchte ein Jahr, um sich bei mir für die Reittherapie anzumelden, an der sie seit ca. 1 ½ Jahren regelmäßig teilnimmt. Silvia hatte in ihrer Jugend Kontakt zu Pferden und ist auch geritten. Zu Beginn der Therapie hat sie viel erzählt. Sie wurde von ihrem Vater sexuell missbraucht, erinnerlich ab ca. dem dritten Lebensjahr bis sie 17 wurde. Ich 15
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Seite 7 und 8: Limbischen System zuzuordnen ist, w
Seite 9 und 10: 3 Praktische Arbeit im Projekt Leih
Seite 11 und 12: Nachdem die Pferde abgesattelt ware
Seite 13: z.B. Patricia Als Beispiel für die
Seite 17 und 18: ei Traumaopfern so intensiv seien,
Seite 19 und 20: z.B. Patricia, Silvia Patricia und
Seite 21 und 22: • Adele hat Wahrnehmungsstörunge
Seite 23 und 24: Gleichgewicht noch nicht sehr ausge
Seite 25 und 26: Schlussbemerkung Mein Entschluss, m
Seite 27: HUBER, M.: Multiple Persönlichkeit

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