Therapeutisches Reiten in der Traumaarbeit - Kristina Hänel
Therapeutisches Reiten in der Traumaarbeit - Kristina Hänel
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1 <strong>Therapeutisches</strong> <strong>Reiten</strong> als neuer Ansatz <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Traumaarbeit</strong><br />
1.1 Projekt Leihgestern<br />
Obwohl bereits <strong>in</strong> zahlreichen Projekten mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Erwachsenen, die Gewalterfahrungen<br />
haben, erfolgreich gearbeitet wird, ist bisher das Therapeutische <strong>Reiten</strong> als spezifischer Ansatz <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Traumaarbeit</strong> noch nicht explizit benannt worden. Im Projekt Leihgestern wird dieser Ansatz <strong>in</strong><br />
den Mittelpunkt gestellt. Im Rahmen me<strong>in</strong>er Tätigkeit als Ärzt<strong>in</strong> und Sexualtherapeut<strong>in</strong> habe ich<br />
seit ca. 20 Jahren mit Frauen zu tun, die <strong>in</strong> ihrer K<strong>in</strong>dheit sexualisierte Gewalt erlebt haben.<br />
Zunächst arbeitete ich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Beratungsstelle <strong>der</strong> Pro Familia, war dann Mitbegrün<strong>der</strong><strong>in</strong> des<br />
Vere<strong>in</strong>s Wildwasser Gießen, <strong>der</strong> sich die Beratung, Betreuung und Prävention bei sexuellem<br />
Missbrauch an Mädchen und Frauen zum Ziel gemacht hat, sowie 11 Jahre Lehrbeauftragte an <strong>der</strong><br />
Universität Gießen im Fachbereich Erziehungswissenschaft zum Thema sexuelle Traumatisierung<br />
im K<strong>in</strong>desalter. Die Idee für das Projekt entstammt dieser langjährigen praktischen Erfahrung, <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> ich mir oft e<strong>in</strong>en zusätzlichen Zugang zu den Klient<strong>in</strong>nen gewünscht habe neben <strong>der</strong> verbalen<br />
Intervention. Zudem war es mir persönlich e<strong>in</strong> Anliegen neben <strong>der</strong> immer auch belastenden Arbeit<br />
<strong>der</strong> Aufdeckungs- und Er<strong>in</strong>nerungsarbeit noch mehr im Bereich <strong>der</strong> Heilung, des Rückgriffs auf die<br />
noch vorhandenen Ressourcen arbeiten zu können, wie mir das beim Therapeutischen <strong>Reiten</strong><br />
möglich ist.<br />
Das Projekt Leihgestern wurde im Sommer 1998 gestartet. Es f<strong>in</strong>det auf me<strong>in</strong>er Hofreite <strong>in</strong><br />
L<strong>in</strong>den-Leihgestern statt, e<strong>in</strong>er Kle<strong>in</strong>stadt mit dörflichem Charakter, 7 km von Gießen entfernt. Auf<br />
dem Hof bef<strong>in</strong>den sich drei Boxen für die Pferde, e<strong>in</strong> gepflasterter Innenhof mit<br />
Anb<strong>in</strong>dmöglichkeiten, e<strong>in</strong> Rasenreitplatz von ca. 20x40 Metern, <strong>der</strong> überwiegend nur bei guter<br />
Witterung genutzt werden kann, sowie e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e, im Durchmesser knapp 15 Meter große<br />
Reithalle, <strong>in</strong> <strong>der</strong> bei schlechter Witterung gearbeitet wird. Des Weiteren nutzen wir die umliegenden<br />
Feld- und Wiesenwege für Spaziergänge und Kutschfahrten sowie das nahegelegene Gelände des<br />
Reitvere<strong>in</strong>s. Es besteht zusätzlich die Möglichkeit, die Reithalle des Gießener Reitvere<strong>in</strong>s für das<br />
Therapeutische <strong>Reiten</strong> zu nutzen, dort f<strong>in</strong>det regelmäßig zweimal wöchentlich die Hippotherapie<br />
des Vere<strong>in</strong>s für <strong>Therapeutisches</strong> <strong>Reiten</strong> Mittelhessen e.V. statt, dem auch unser Projekt angehört.<br />
1.2 Sett<strong>in</strong>g<br />
Ich arbeite mit e<strong>in</strong>er Kolleg<strong>in</strong> zusammen, die aus dem Voltigiersport kommt, während ich<br />
überwiegend vom <strong>Reiten</strong> geprägt b<strong>in</strong>. Das bietet den Vorteil, dass die Therapie nicht ausfallen<br />
muss, wenn e<strong>in</strong>e von uns verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t ist. Sowohl K<strong>in</strong><strong>der</strong> als auch Pferde kennen uns beide genauso<br />
gut. Allerd<strong>in</strong>gs versuchen wir, sowohl <strong>in</strong> Gruppen- als auch <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelsituationen e<strong>in</strong>e<br />
Rollenverteilung durchzuhalten, die besagt, dass e<strong>in</strong>e die Aktive ist, während die an<strong>der</strong>e die<br />
Beobachtungsposition hat. (vergl. hierzu KRÖGER S. 64) Vor und nach den Stunden tauschen wir<br />
unsere Beobachtungen aus, um die Planung für die nächsten E<strong>in</strong>heiten vornehmen zu können, z.B.<br />
überlegen wir, welchem K<strong>in</strong>d wir welches Pferd anbieten, welche Schritte als nächstes anstehen<br />
und welche Übungen wir dazu e<strong>in</strong>setzen können. Auch ist es immer wie<strong>der</strong> spannend, wie die<br />
an<strong>der</strong>e die gemachten Fortschritte bzgl. Motorik, Wahrnehmung, Kognition, Verhalten e<strong>in</strong>schätzt,<br />
wo sie welche Defizite wahrnimmt, etc. Obwohl wir uns dreimal wöchentlich sehen, kommt es<br />
immer wie<strong>der</strong> vor, dass wir zusätzlich noch telefonieren, weil noch diese o<strong>der</strong> jene E<strong>in</strong>zelheit aus<br />
<strong>der</strong> Therapie e<strong>in</strong>gefallen ist, die dann besprochen wird.<br />
In <strong>der</strong> E<strong>in</strong>zelarbeit kommen die K<strong>in</strong><strong>der</strong> für e<strong>in</strong>e halbe Stunde. Die Pferde s<strong>in</strong>d geputzt und<br />
gesattelt o<strong>der</strong> für e<strong>in</strong>fache Sitzübungen an <strong>der</strong> Longe gegurtet. Nach dem Aufwärmen geht das K<strong>in</strong>d<br />
auf das Pferd. Es bef<strong>in</strong>det sich ca. 25 M<strong>in</strong>uten auf dem Pferd. Je nach Möglichkeiten des K<strong>in</strong>des<br />
wird im Schritt, Trab o<strong>der</strong> Galopp gearbeitet. Die K<strong>in</strong><strong>der</strong> werden zum Teil geführt, wenn nötig auch<br />
von e<strong>in</strong>er zweiten Person gesichert, machen Übungen an <strong>der</strong> Longe o<strong>der</strong> reiten selbständig.<br />
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