Therapeutisches Reiten in der Traumaarbeit - Kristina Hänel
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Limbischen System zuzuordnen ist, werden Affekte und Emotionen ohne zeitlichen Zusammenhang<br />
und ohne Struktur gespeichert, Er<strong>in</strong>nerungen werden ohne Zuordnungsmöglichkeit mit den<br />
dazugehörigen sensorischen E<strong>in</strong>drücken als Gefühls-Repräsentanz kodiert. Im Falle e<strong>in</strong>es<br />
traumatischen Erlebnisses gew<strong>in</strong>nt die Speicherung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Amygdala an zunehmen<strong>der</strong> Bedeutung.<br />
Ab e<strong>in</strong>em gewissen Punkt schaltet sich <strong>der</strong> Hippokampus ganz aus. Diesen Punkt me<strong>in</strong>t <strong>der</strong><br />
Volksmund mit dem Satz, „dem hat es die Sprache verschlagen.“<br />
An<strong>der</strong>s ausgedrückt, bef<strong>in</strong>det sich e<strong>in</strong> Mensch, <strong>der</strong> e<strong>in</strong> Trauma erfährt, <strong>in</strong> diesem Moment auf<br />
e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en Ebene <strong>der</strong> Realitätswahrnehmung. Stellen wir uns e<strong>in</strong>e L<strong>in</strong>ie vor, auf <strong>der</strong> sich unsere<br />
Realität abspielt . Im Moment des Traumas geraten wir auf e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Ebene <strong>der</strong><br />
Wahrnehmung . Bei wie<strong>der</strong>holten Traumata bef<strong>in</strong>det sich e<strong>in</strong> Mensch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Zustand<br />
ständigen Schwankens zwischen den verschiedenen Realitätsebenen.<br />
Das Bewusstse<strong>in</strong>, welche Ebene die normale ist, geht verloren.<br />
Spaltungsphänomene entstehen.<br />
Symptome und Folgen können sehr vielfältig se<strong>in</strong>, sie reichen von Angstzuständen,<br />
autoaggressivem bzw. aggressivem Verhalten, sexualisiertem Verhalten,<br />
Sprachentwicklungsstörungen, Auffälligkeiten im Bereich des Atmens (Asthma,<br />
Erstickungsanfälle) sowie <strong>der</strong> Nahrungsaufnahme (Anorexie, Bulimie, Esssucht) und <strong>der</strong><br />
Ausbildung von Suchtverhalten bis h<strong>in</strong> zu Schmerzzuständen unklarer Genese mit <strong>der</strong> Folge<br />
gehäufter operativer E<strong>in</strong>griffe. Wir können nicht aufgrund e<strong>in</strong>es Symptoms kausal auf traumatische<br />
Erfahrungen rückschließen. Es gibt aber typische Folgeersche<strong>in</strong>ungen, die ich <strong>in</strong> Anlehnung an<br />
HERMAN (S. 55 ff.) kurz skizzieren möchte.<br />
Übererregung<br />
Das Selbstschutzsystem sche<strong>in</strong>t sich <strong>in</strong> permanenter Alarmbereitschaft zu bef<strong>in</strong>den. Das<br />
Grundniveau ist e<strong>in</strong> Zustand ständiger Erregung. Dies betrifft sowohl den Schlaf- als auch den<br />
Wachzustand. Albträume, Angstzustände, Schlafstörungen, vegetative Störungen und<br />
psychosomatische Beschwerden treten auf.<br />
Intrusion<br />
Da ke<strong>in</strong>e Verarbeitung und E<strong>in</strong>ordnung des Erlebnisses im Hippokampus stattf<strong>in</strong>den kann, z.B.<br />
fehlt die zeitliche Zuordnungskategorie „es ist vorbei“, wird das traumatische Ereignis ständig<br />
wie<strong>der</strong>erlebt, als ob es gerade jetzt geschähe. Die Menschen sche<strong>in</strong>en wie von e<strong>in</strong>er „fixen Idee“<br />
besessen. Sie bef<strong>in</strong>den sich sozusagen <strong>in</strong> den Fesseln ihrer Er<strong>in</strong>nerung. Kle<strong>in</strong>ste Auslöser, auch<br />
Trigger genannt, können zur <strong>in</strong>neren Rückkehr <strong>in</strong> die traumatische Situation führen. Dieses<br />
Phänomen wird auch als Flashback bezeichnet. Da re<strong>in</strong> physiologisch die Nervenverb<strong>in</strong>dung <strong>in</strong>s<br />
Limbische System schneller funktioniert als zum Hippokampus kann e<strong>in</strong>e harmlose Umarmung von<br />
h<strong>in</strong>ten bei e<strong>in</strong>er Frau, die vergewaltigt worden ist, Todesangst auslösen. Die Erkenntnis, dass es<br />
sich um ihren Ehemann handelt, <strong>der</strong> sie mit e<strong>in</strong>em Strauß Blumen überraschen wollte, braucht viel<br />
länger, um <strong>in</strong> ihr Bewusstse<strong>in</strong> zu dr<strong>in</strong>gen, als die Alarmierung ihres Warnsystems. Diese Reaktion<br />
ist von ihr nicht bee<strong>in</strong>flussbar, sie läuft automatisch ab.<br />
Konstriktion<br />
Wenn Flucht o<strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>stand nicht möglich s<strong>in</strong>d, bleibt nur die Kapitulation. Bei Tieren kennen<br />
wir diesen Zustand als Erstarren, wenn sie angegriffen werden. Auf psychischer Ebene f<strong>in</strong>det e<strong>in</strong>e<br />
E<strong>in</strong>engung des Bewusstse<strong>in</strong>s statt. Wenn die Schmerzen zu groß werden, können wir uns <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en<br />
<strong>der</strong> Trance ähnlichen Bewusstse<strong>in</strong>szustand versetzen. Bekannt ist z.B. das Unfallopfer, das mit dem<br />
abgetrennten Arm sche<strong>in</strong>bar „gefühlskalt“ zum nächsten Krankenhaus läuft und erst dort physisch<br />
und psychisch zusammenbricht. Ebenso schütten Frauen unter <strong>der</strong> Geburt Endomorph<strong>in</strong>e aus, sie<br />
dopen sich also sozusagen selbst, um die Schmerzen nicht <strong>in</strong> voller Stärke wahrnehmen zu müssen.<br />
Nach wie<strong>der</strong>holten, unaufgearbeiteten traumatischen Erfahrungen treten <strong>in</strong> diesem Zusammenhang<br />
Phänomene <strong>der</strong> Derealisation und Depersonalisation auf. „Da verließ ich me<strong>in</strong>en Körper. Ich stand<br />
drüben, neben dem Bett, und schaute dem Geschehen zu ... Ich stand neben mir, und auf dem Bett<br />
lag nur die Hülle ... Da war nur noch Leere.“ (zit. nach HERMAN, S.66) Die extremste Form <strong>der</strong><br />
Dissoziation liegt bei <strong>der</strong> so genannten Multiplen Persönlichkeitsstörung vor. Hier geht die<br />
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