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Therapeutisches Reiten in der Traumaarbeit - Kristina Hänel

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Gleichgewicht noch nicht sehr ausgeprägt war, konnten wir ihn zunächst nicht ohne Sattel reiten<br />

lassen. Irgendwann haben wir es aber auf se<strong>in</strong> großes Drängen h<strong>in</strong> probiert. Zunächst klammerte er<br />

sich ängstlich an <strong>der</strong> Mähne fest, hielt aber durch und wurde zunehmend gelöster. Er war so<br />

begeistert, dass er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em fort „ich liebe dich“ zu dem Pferd sagte. Dies Erlebnis war für se<strong>in</strong>e<br />

motorische Entwicklung auch für spätere Stunden e<strong>in</strong> wichtiger Schritt.<br />

z.B. Astrid<br />

Auch bei Astrid hatten wir anfangs große Bedenken. Ihr Hauptsymptom, das E<strong>in</strong>koten, ließ sich<br />

auf e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nere Grundhaltung übertragen, die <strong>in</strong> etwa lautete: „Ich b<strong>in</strong> Scheiße, aus mir kommt nur<br />

Scheiße raus.“ Wir versuchten, sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>zeltherapie soweit zu för<strong>der</strong>n, dass sie den an<strong>der</strong>en e<strong>in</strong><br />

Stück voraus ist, damit sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gruppe standhalten könnte. Auch organisierten wir ihre Stunden<br />

so, dass sie beim Misten helfen konnte, da wir sie mit dem Thema Scheiße <strong>in</strong> direkte Berührung<br />

br<strong>in</strong>gen wollten. Durch den Bewegungsdialog mit dem Pferd und die Bestätigung, die sie beim<br />

<strong>Reiten</strong> erfuhr, än<strong>der</strong>ten sich ihr Verhalten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule und Zuhause. Durch diese Vorerfahrung<br />

war Astrids Kontakt zum Pferd bereits positiv etabliert. Sie war oft diejenige, die das Pferd bei den<br />

Aufwärmübungen führte. Als die Gruppe begann, fiel zu Beg<strong>in</strong>n auf, dass sie sich mit Mayo<br />

identifizierte und ihn <strong>in</strong> Schutz nahm. Wenn er traben sollte, bot sie an, nebenher zu laufen und das<br />

Pferd zu führen. Das Mitlaufen fiel ihr anfangs durch ihr Übergewicht nicht leicht. Inzwischen ist<br />

sie rout<strong>in</strong>iert dar<strong>in</strong>. Zu den an<strong>der</strong>en K<strong>in</strong><strong>der</strong>n entwickelte sich erst allmählich e<strong>in</strong> Beziehung. Beim<br />

Putzen entstand zunächst immer die Situation, dass die Dreiergruppe <strong>der</strong> jüngeren Mädchen e<strong>in</strong><br />

Pferd putzte, Astrid das an<strong>der</strong>e, Mayo mit <strong>der</strong> Bürste <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hand im Hof herum lief und Benjam<strong>in</strong><br />

Quatsch machte. Irgendwann begannen Marianne und Astrid mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> zu putzen und Benjam<strong>in</strong><br />

auch mal mit den an<strong>der</strong>en beiden Mädchen. Astrid war meist diejenige, die auf Gerechtigkeit<br />

achtete. Sie lernte auch, Ihre Interessen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gruppe e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen und nicht nur über die<br />

Erwachsenen durchzusetzen. Astrid hat sich im Laufe <strong>der</strong> Zeit sehr verän<strong>der</strong>t. Die Eltern berichten,<br />

dass ihre Leistungen im Sport auffällig angestiegen seien, ihre Probleme <strong>in</strong> <strong>der</strong> Koord<strong>in</strong>ation haben<br />

sich gebessert. Sie liest flüssiger, fährt Fahrrad, geht Schwimmen, treibt zusätzlich zur Schule<br />

Sport. Astrid war immer bemüht, dem Pferd gerecht zu werden. Das hat sie motiviert. So versuchte<br />

sie, abzunehmen, <strong>in</strong>dem sie gesün<strong>der</strong> aß, z.B. gab sie ihr Taschengeld nicht mehr nur für<br />

Süßigkeiten aus, son<strong>der</strong>n kaufte stattdessen Leckerli für Pferd o<strong>der</strong> Hund. Vor e<strong>in</strong>igen Wochen<br />

erzählte Astrid uns, dass sie e<strong>in</strong>en Freund habe, mit dem sie jetzt gehe.<br />

Resümee<br />

Die große Herausfor<strong>der</strong>ung dieser Gruppe war und ist ihre Heterogenität. Das Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>klaffen<br />

<strong>der</strong> Fähigkeiten <strong>der</strong> Gruppenmitglie<strong>der</strong> <strong>in</strong> allen physischen und psychischen Bereichen, wie sie für<br />

die Arbeit <strong>in</strong> <strong>in</strong>tegrativen Gruppen typisch ist, ist hier beson<strong>der</strong>s stark ausgeprägt. Gerade diese<br />

starken Unterschiede haben sich aber als Motor für das Ausprägen e<strong>in</strong>es Geme<strong>in</strong>schaftsgefühls<br />

herausgestellt. Weniger <strong>der</strong> Leistungsdruck stand im Vor<strong>der</strong>grund als vielmehr die größtmögliche<br />

Entwicklung jedes e<strong>in</strong>zelnen K<strong>in</strong>des auf dem je eigenen Niveau. Als Hilfe hierfür hat sich im<br />

Ablauf bewährt, dass nicht allen K<strong>in</strong><strong>der</strong>n immer die gleiche Aufgabe gestellt wurde, was <strong>in</strong> dieser<br />

Gruppe auch gar nicht möglich gewesen wäre. Das e<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>d z.B. lernt auf dem Pferd zu stehen,<br />

während das an<strong>der</strong>e versucht, freihändig zu reiten.<br />

Gel<strong>in</strong>gt wie im beschriebenen Fall die Integration aller Gruppenmitglie<strong>der</strong>, gibt es nichts<br />

Schöneres als <strong>Therapeutisches</strong> <strong>Reiten</strong> mit Integrativen Gruppen.<br />

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