Das Stadtgespräch Rheda-Wiedenbrück Ausgabe Januar 2020
Die Januar Ausgabe vom Stadtgespräch.
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W<br />
Warnung vor Neofaschismus<br />
1 Die Schülerinnen und Schüler der Israel-AG beim Einstein-Gymnasium berührten mit Auszügen aus dem »Der Tätowierer von<br />
Auschwitz« von Heather Morris.<br />
Pogromgedenken<br />
(Kem) »Männerarme mit Häftlingsnummern<br />
tätowieren ist eine Sache;<br />
aber die Körper von jungen<br />
Mädchen zu verunstalten, ist<br />
einfach furchtbar. Im Aufblicken<br />
sieht Lale einen Mann im weißen<br />
Kittel langsam an der Reihe Mädchen<br />
entlanggehen. Hin und wieder<br />
bleibt er stehen und inspiziert<br />
Gesicht und Körper einer verängstigten<br />
jungen Frau. Schließlich ist<br />
er bei Lale. Während Lale dem<br />
Mädchen so sanft wie möglich<br />
den Arm hält, nimmt der Mann<br />
ihr Gesicht und dreht es grob<br />
nach rechts und links. Lale sieht<br />
zu ihren angstvollen Augen auf.<br />
Ihre Lippen zucken, als wollte sie<br />
etwas sagen. Lale drückt ihr sachte<br />
den Arm, um sie davon abzuhalten.<br />
Sie schaut zu ihm, mit den<br />
Lippen formt er ein Schsch. Der<br />
Mann im weißen Kittel lässt ihr<br />
Gesicht los und geht weiter. »Gut<br />
so«, flüstert er, als er sich ans Tätowieren<br />
der übrigen drei Ziffern<br />
macht – 562«. Die Schülerinnen<br />
und Schüler der Israel-AG am Ein-<br />
stein-Gymnasium trugen auf der<br />
Gedenkveranstaltung zur Pogromnacht<br />
1938 auf dem Juden-Friedhof<br />
Schlüssel-Passagen aus dem<br />
Buch »Der Tätowierer von Auschwitz«<br />
von Heather Morris vor. 1942<br />
wurde Lale Sokolov nach Auschwitz<br />
deportiert. Seine Aufgabe<br />
war es, Häftlingsnummern auf<br />
die Unterarme seiner Mitgefangenen<br />
zu tätowieren. Dann, eines<br />
Tages, tätowierte er den Arm eines<br />
jungen Mädchens – und verliebte<br />
sich auf den ersten Blick in Gita.<br />
Eine Liebesgeschichte begann,<br />
an deren Ende das Unglaubliche<br />
wahr werden sollte: Sie überlebten<br />
beide.<br />
Bürgermeister Theo Mettenborg<br />
dankte den unter der Leitung<br />
von Thorsten Müller stehenden<br />
jungen Leuten, dass sie mit<br />
ihren berührenden Beiträgen die<br />
Erinnerungen der wenigen überlebenden<br />
Zeitzeugen an die Shoa<br />
wach halten. Sie hatte auch die<br />
Verschleppung und Ermordung<br />
von zahlreichen Menschen aus<br />
<strong>Rheda</strong>, <strong>Wiedenbrück</strong> und Herzebrock<br />
zur Folge.<br />
Und wer diese schlimmsten<br />
Ereignisse in der deutschen Geschichte,<br />
ausgehend vom Nationalsozialismus,<br />
»als ›Vogelschiss<br />
der Geschichte‹ bezeichnet, der<br />
hat keine guten Absichten im Blick<br />
auf unser Land und seine Aussöhnung<br />
mit Israel und seinen jüdischen<br />
Bürgern hier«, knüpft der<br />
Landtagspräsident André Kuper<br />
an. Gegen all die neonazistischen<br />
Ereignisse der jüngsten Zeit »stehen<br />
wir auf. <strong>Das</strong> lassen wir nicht<br />
zu! Da sind wir gefordert, auch<br />
hier in <strong>Rheda</strong>-<strong>Wiedenbrück</strong>«, appellierte<br />
er an die Öffentlichkeit.<br />
Ebenso eindringlich mahnten die<br />
Gesangsbeiträge des jungen Einstein-Oberstufenchors<br />
unter der<br />
Leitung von Ildefons Klein.<br />
Zur Erinnerung an die Gräueltaten<br />
des NS-Regimes legten der<br />
Landtagspräsident und der Bürgermeister<br />
gemeinsam mit der<br />
als Ehrengast eingeladenen Vorsitzenden<br />
der Jüdischen Gemeinde<br />
in Bielefeld, Irith Michelsohn,<br />
einen Kranz nieder. Sie beschloss<br />
die Gedenkfeier mit dem von ihr<br />
gesprochenen Kaddisch.<br />
32 <strong>Das</strong> <strong>Stadtgespräch</strong>