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Inspiration Nr. 1/2020

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EXPERT<br />

EISKLETTERN<br />

steilen und viel begangenen Wasserfällen geht es<br />

eher ums Hooken, also dem Einhängen der Eisgeräte<br />

in vorgeschlagene Einschlaglöcher, und<br />

ums Steigen.» Zwei Zacken geben mehr Auflagefläche<br />

und Stabilität. Wer dabei die Fersen leicht<br />

hängen lässt, spart zudem Kraft und verbessert<br />

den Halt der Frontalzacken im Eis. Ambitionierte<br />

Eiskletterer, die sich im steileren Eis wohlfühlen,<br />

sowie Mixed- und Drytooling-Fans, bevorzugen<br />

Steileissteigeisen mit einem Frontalzacken, sogenannte<br />

Mono-Zacken. Mit ihnen lässt sich präziser<br />

antreten, gleichzeitig besitzen sie im<br />

spröden Eis weniger Sprengkraft. Praktisch sind<br />

Modelle mit austauschbaren Frontalzacken, die<br />

sich je nach Tour umbauen lassen.<br />

EISSCHRAUBEN<br />

Eisschrauben dienen als Zwischensicherung, zum<br />

Bau eines Standplatzes sowie zum Bohren von<br />

Eis-Sanduhren, sogenannten Abalakovs, über die<br />

abgeseilt wird. «Zehn bis zwölf Schrauben pro<br />

Seilschaft sollten reichen», erklärt der Bächli-<br />

Abteilungsleiter. «Idealerweise in unterschiedlichen<br />

Längen von zehn bis 20 Zentimetern, die je<br />

nach Eisdicke zum Einsatz kommen.» Je nach<br />

Konstruktionsart gibt es Eisschrauben mit oder<br />

ohne Kurbel an der Lasche. Eine integrierte Kurbel<br />

ist beim Eisklettern sinnvoll, bei normalen<br />

Hochtouren weniger essenziell. «Sie erleichtern<br />

das Handling – zumal die Schrauben mit einer<br />

Hand gesetzt werden müssen.» Effizientes Arbeiten<br />

ist dabei nicht nur zeitsparend, sondern vermeidet<br />

dicke Unterarme. Ein Fan von Leichtbau<br />

ist Bundi nicht unbedingt: «Wenn sechs Eisschrauben<br />

an jeder Gurtseite in der Bewegung<br />

aneinanderschlagen, geht bei ultraleichten Modellen<br />

aus Aluminium schnell das Gewinde kaputt.»<br />

Robuster als die Hybrid-Konstruktionen<br />

sind Schrauben aus Stahl. Doch auch diese nutzen<br />

sich irgendwann ab. Vom Nachschleifen der<br />

Zähne in Eigenregie rät der Experte allerdings ab:<br />

«Damit Eisschrauben bissig bleiben, muss der<br />

Winkel exakt stimmen.» Von Hand sei das kaum<br />

möglich. In allen Bächli Bergsport Filialen können<br />

Eiskletterer ihre stumpfen Eisschrauben in Spezialmaschinen<br />

schleifen lassen. Zum Bohren einer<br />

Abalakov-Eissanduhr ist eine Fädelhilfe zum<br />

Durchziehen der Reepschnur notwendig. «Ideal<br />

sind Fädler mit integriertem Messer, um die<br />

Reepschnur auf die gewünschte Länge kürzen zu<br />

können.» Der Rest am Klettergurt unterscheidet<br />

sich kaum von anderen alpinen Unternehmungen:<br />

«Wer viel im Eis klettert, nutzt<br />

die Imprägnierung nach einer<br />

Saison ab. Ist das Seil unbeschadet,<br />

kann es aber problemlos zum<br />

Sportklettern benutzt werden.»<br />

SAMUEL BUNDI<br />

ABTEILUNGSLEITER HARTWAREN<br />

Express-Schlingen, Karabiner, Tuber, Bandschlingen.<br />

Die Standard-Ausrüstung.<br />

STEIGEISENFESTE SCHUHE<br />

Als Schuh eignet sich ein voll-steigeisenfestes<br />

Modell der Kategorie D. Bundi rät zu warmen, festen<br />

Lederschuhen, die mit einer Gore-Tex Membran<br />

ausgestattet sind (z. B. Scarpa Mont Blanc Pro<br />

GTX). Im Wettkampf oder bei überhängenden Drytooling-Touren<br />

kommen spezielle Eiskletterschuhe<br />

zum Einsatz, bei denen Mono zacken direkt<br />

im Schuh integriert sind. Doch diese bleiben<br />

normalerweise den Profis überlassen. «In Kombination<br />

mit warmen Merinosocken sind steigeisenfeste<br />

Hochtourenschuhe mit steifer Sohle<br />

und guter Isolation ideal.» Auf Primaloft-Socken<br />

würde Bundi verzichten: «Die Socken sind meist<br />

so dick, dass der Schuh zu eng wird und die Zehen<br />

keinen Spielraum zum Bewegen mehr haben.»<br />

Dann seien kalte Füsse vorprogrammiert.<br />

IMPRÄGNIERTE SEILE<br />

Wie beim Sport- oder Alpinklettern wird mit Einfach-<br />

oder Halbseilen geklettert: In Eisklettergärten<br />

mit Einfachseil, in den alpineren Gefilden<br />

mit Halbseilen. Ausschlaggebend bei beiden ist<br />

die Imprägnierung: Mit nassem oder hartgefrorenem<br />

Strick wird das Seilhandling nicht nur anstrengend,<br />

sondern auch gefährlich, da im nassen<br />

Zustand die Belastbarkeit des Seils reduziert<br />

ist. Bei dem Imprägnierungsprozess wird das<br />

Seil entweder am Ende behandelt (Mantelimprägnierung)<br />

oder Mantel und Fasern werden separat<br />

voneinander imprägniert und nach dem Flechtprozess<br />

nochmals behandelt. Kletterseile der<br />

letzten Variante erfüllen in der Regel die UIAA<br />

Water Repellent Norm – eine Zertifizierung für<br />

imprägnierte Kletterseile. «Um die Zertifizierung<br />

zu erreichen, dürfen Seile nicht mehr als 5 Prozent<br />

des Eigengewichts an Wasser aufnehmen»,<br />

erklärt Christian Peschel von Petzl. Durch den<br />

Veredelungsprozess sind die Seile teurer – dafür<br />

länger schmutz- und wasserabweisend. Trotzdem<br />

haben Seile mit Mantelimprägnierung ihre<br />

Berechtigung: «Für sommerliche Tages- oder<br />

Halb tagestouren reicht eine reguläre Imprägnierung<br />

wie die Duratec Dry vollkommen aus»,<br />

sagt Peschel. Beim Eisklettern, wo Wasser in irgendeiner<br />

Form immer im Spiel ist, empfehle<br />

sich aber in jedem Fall ein Seil mit UIAA Dry<br />

Imprägnierung.<br />

BEKLEIDUNG<br />

Natürlich nützt die beste Hardware nichts, wenn<br />

man zitternd im Eis hängt. So hat sich das Zwiebelprinzip<br />

bewährt: Ein Baselayer aus Merinowolle<br />

als erste Schicht, darüber ein Fleece und<br />

eine leichte Isolationsschicht aus Kunstfaser (z. B.<br />

Primaloft) oder eine leichte Daunenjacke. Die<br />

äus serste Schicht muss wasserdicht und robust<br />

sein, um vor Nässe und Schnittschäden zu schützen.<br />

Und zum Sichern: «Unbedingt eine dicke<br />

Daunenjacke, genauso wie dicke Handschuhe»,<br />

sagt Bundi. Von denen könne man sowieso nicht<br />

genug haben. «Ich nehme mindestens zwei bis<br />

drei Paar mit. Selbst Handschuhe mit wasserdichter<br />

Membran sind irgendwann nass.» Ein<br />

weiterer Tipp: «Beim Abseilen einen einfachen<br />

Wollhandschuh mit Latex-Überzug aus dem Baumarkt<br />

verwenden.» Denn gerade beim Abseilen<br />

ist der Verschleiss durch Nässe und Feuchtigkeit<br />

hoch. Schade wäre es um die teuren Modelle. Zur<br />

weiteren obligatorischen Ausrüstung gehören<br />

nicht nur Stirnlampe, Biwaksack und Erste-Hilfe-<br />

Set, sondern je nach Einzugsgebiet und Ausrichtung<br />

genauso Lawinenverschüttetensuchgerät,<br />

Sonde und Schaufel. «Im Safiental oder im Avers<br />

gibt es Wasserfälle, die ein grosses Einzugsgebiet<br />

haben und stark lawinengefährdet sind», warnt<br />

Bundi. Wer das bei der Tourenplanung beachtet<br />

und gut gerüstet antritt, dem wird der Einstieg<br />

ins Eisklettern garantiert gelingen.<br />

30 INSPIRATION 01 / <strong>2020</strong><br />

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