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Berliner Kurier 29.01.2020

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*<br />

POLITIK<br />

Die Architektur<br />

wackelt<br />

MEINE<br />

MEINUNG<br />

Von<br />

Daniela<br />

Vates<br />

Der Bericht desWehrbeauftragten<br />

iststets ein<br />

Dokument desVersagens<br />

und Verzögerns. Aus dem aktuellen<br />

Bericht ragt nun etwas<br />

besondershervor: Hans-<br />

Peter Bartels kritisiertnicht<br />

nur fehlende Panzer. Er lenkt<br />

den Blick auf etwas Grundsätzlicheres,<br />

auf die Architektur<br />

der Bundeswehr. Die<br />

scheint in hohem Maße<br />

durchstrukturiert, mit<br />

Dienstgraden,Hierarchieebenen<br />

und beeindruckenden<br />

Abkürzungen.<br />

Bartels aber diagnostiziert<br />

eine Kultur der Entscheidungsunfähigkeit<br />

–weil Verantwortung<br />

immer weiter<br />

und immer weiter nach oben<br />

verwiesen werde, bis keiner<br />

mehr so genau weiß, wo sie<br />

eigentlich gelandet ist. Der<br />

Wehrbeauftragte ist mit seiner<br />

Analyse nicht alleine. Die<br />

Bundeswehr selbst hat in<br />

einer internen Untersuchung<br />

festgestellt, dass ihr die „notwendige<br />

Robustheit, Klarheit<br />

in den Zuständigkeiten und<br />

Durchhaltefähigkeit für eine<br />

militärische Großorganisation“<br />

fehle. Ein solch zentrales<br />

Problem muss auch angegangen<br />

werden. Denn mit<br />

einer wackeligen Struktur<br />

kann der geplante Um- und<br />

Ausbau der Bundeswehr<br />

nicht gelingen.<br />

MANN DESTAGES<br />

Verpflichtende Besuche<br />

Frank-Walter Steinmeier,<br />

Bundespräsident, hat mit seinem<br />

israelischen Kollegen<br />

Reuven Rivlin dazu aufgerufen,<br />

dass Jugendliche<br />

Israel, Yad<br />

Vashem und<br />

ehemalige<br />

Konzentrationslager<br />

besuchen.<br />

„Das ist aus<br />

meiner<br />

Sicht eine<br />

notwendige<br />

Ergänzung zu Information<br />

und zum Schulunterricht“,<br />

sagte Steinmeier am Dienstag<br />

bei einem gemeinsamen Besuch<br />

mit Rivlin in einem jüdischen<br />

Gymnasium in Berlin.<br />

Foto: Markus Schreiber/AP/dpa<br />

Foto: Marcel Kusch/dpa<br />

So marode ist die<br />

Truppe<br />

Die passende Jackeist nicht<br />

selten Glückssache: Ein<br />

Rekrut probiertinMünster<br />

seine Ausrüstung an.<br />

Berlin – „Zu wenig Material,<br />

zu wenig Personal, zu viel<br />

Bürokratie“ – das ist die<br />

Bundeswehrbilanz, die der<br />

Wehrbeauftragte Hans-Peter<br />

Bartels in seinem Jahresbericht<br />

zieht. Die Probleme<br />

reichen von Schimmel<br />

in der Truppenküche bis zu<br />

fehlenden Schutzwesten.<br />

Rund 100 Seiten sind es diesmal<br />

geworden, 100 Seiten voller<br />

Probleme und Kritik. Der<br />

Tenor: Die Bundeswehr ist ein<br />

ziemlich maroder Laden.<br />

▶ Unklare Zuständigkeiten:<br />

Für eines seiner dringlichsten<br />

Anliegen durchbricht der<br />

Wehrbeauftragte eine Geheimhaltungsstufe:<br />

Das Ministerium<br />

halte einen Bericht<br />

unter Verschluss, der „zu viele<br />

Querzuständigkeiten“ kritisiere.<br />

▶ Material: 2031 soll die Bundeswehr<br />

laut Verteidigungsministerium<br />

voll ausgestattet<br />

sein. Aber Bartels stellt fest:<br />

„Alles geht zuschleppend voran.“<br />

Panzergrenadiere müssten<br />

auch mal „so tun, als ob“<br />

und mit einem VW Bulli üben<br />

statt mit einem Schützenpanzer.<br />

▶ Uniformen: Probleme mit<br />

der Ausrüstung sind Dauerthema.<br />

Rucksäcke führten<br />

„nicht selten zu Verspannungen<br />

im Schulter- und Wirbelsäulenbereich“,<br />

berichtet<br />

Bartels. Winterunterwäsche<br />

müsse wegen Mangels zurückgegebenwerden.<br />

▶ Kasernen: Mal ragen in<br />

einer Kaserne Kabel aus<br />

Steckdosen, mal sprießt der<br />

Schimmel in der Truppenküche.<br />

▶ Personal: Auch hier gibt es<br />

Alarmmeldungen: Über<br />

20 000 Dienstposten oberhalb<br />

der Mannschaftsdienstgrade<br />

seien nicht besetzt. Wegen des<br />

Personalmangels könnten etwa<br />

Eurofighter-Piloten zum<br />

Teil keinen Urlaub machen.<br />

Über betrunkene Vorgesetzte, fehlende Ausrüstung und<br />

veraltete Rollenbilder: Der Bericht desWehrbeauftragten<br />

zeigt gravierende Mängel bei der Bundeswehr<br />

„Die Rucksäckeführen<br />

nicht selten zu<br />

Verspannungen im<br />

Schulter-<br />

Nackenbereich.“<br />

Hans-Peter Bartels,<br />

Wehrbeauftragter<br />

▶ Geld: Die Bundeswehr<br />

brauche zusätzliche Finanzmittel,<br />

findet Bartels.<br />

Allerdings unter<br />

einer Voraussetzung:<br />

„Ohne innere Reform<br />

drohen sie zu<br />

versickern.“<br />

▶ Extremismus: 363<br />

neue Verdachtsfälle<br />

von Rechtsextremismus<br />

gab es bei der Bundeswehr<br />

2019 laut Militärischem<br />

Abschirmdienst<br />

(MAD). Bartels<br />

stellt fest: Die Truppe<br />

sei „sensibel für das<br />

Thema“.<br />

Foto: Gregor Fischer/dpa<br />

▶ Frauen: Die Zahl der Frauen<br />

in der Bundeswehr hat<br />

leicht zugenommen von<br />

12,1 Prozent im Jahr 2018 auf<br />

12,3 Prozent 2019, also von<br />

21 931 auf 22 594 Soldatinnen.<br />

Zu finden sind die vor allem<br />

im Sanitätsdienst. Er findet<br />

auch, dass die Bundeswehr in<br />

ihrer Werbung oft tradierte<br />

Geschlechterrollen vermittele.<br />

Grüner Nagellack mit der<br />

Aufschrift „Wir sind das<br />

Heer“ müsse nicht sein.<br />

▶ Sexismus: 345 Fällevon Sexismus<br />

wurden gemeldet,<br />

nach 288 im Jahr 2018, von<br />

Berührungen über Sprüche<br />

wie „Dich lege ich als Nächste<br />

flach“ bis zu zotigen Anmerkungen<br />

über Whatsapp. Bartels<br />

attestiert der Bundeswehr<br />

einen „zunehmend sensibleren<br />

Umgang mit den Vorwürfen“.<br />

▶ Vorgesetzte: Ein zuweilen<br />

betrunkener Oberstleutnant,<br />

der einen minderjährigen<br />

Rekruten ins Bordell mitnahm.<br />

Ein Vorgesetzter, der<br />

bei einem Soldaten mit einem<br />

Nackenschlag für ein Schädel-<br />

Hirn-Trauma sorgte. Die Konsequenzen:<br />

Disziplinarverfahren,<br />

befristete Beförderungsverbote<br />

oder Kürzung<br />

derBezüge.<br />

▶ Lichtblicke: Der Verteidigungsetat<br />

ist deutlich erhöht<br />

worden. „Ein Lichtblick“, sagt<br />

Bartels. Außerdem sei<br />

die Verfügbarkeit<br />

der Eurofighter<br />

deutlich nach<br />

oben gegangen.

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