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*<br />
POLITIK<br />
Die Architektur<br />
wackelt<br />
MEINE<br />
MEINUNG<br />
Von<br />
Daniela<br />
Vates<br />
Der Bericht desWehrbeauftragten<br />
iststets ein<br />
Dokument desVersagens<br />
und Verzögerns. Aus dem aktuellen<br />
Bericht ragt nun etwas<br />
besondershervor: Hans-<br />
Peter Bartels kritisiertnicht<br />
nur fehlende Panzer. Er lenkt<br />
den Blick auf etwas Grundsätzlicheres,<br />
auf die Architektur<br />
der Bundeswehr. Die<br />
scheint in hohem Maße<br />
durchstrukturiert, mit<br />
Dienstgraden,Hierarchieebenen<br />
und beeindruckenden<br />
Abkürzungen.<br />
Bartels aber diagnostiziert<br />
eine Kultur der Entscheidungsunfähigkeit<br />
–weil Verantwortung<br />
immer weiter<br />
und immer weiter nach oben<br />
verwiesen werde, bis keiner<br />
mehr so genau weiß, wo sie<br />
eigentlich gelandet ist. Der<br />
Wehrbeauftragte ist mit seiner<br />
Analyse nicht alleine. Die<br />
Bundeswehr selbst hat in<br />
einer internen Untersuchung<br />
festgestellt, dass ihr die „notwendige<br />
Robustheit, Klarheit<br />
in den Zuständigkeiten und<br />
Durchhaltefähigkeit für eine<br />
militärische Großorganisation“<br />
fehle. Ein solch zentrales<br />
Problem muss auch angegangen<br />
werden. Denn mit<br />
einer wackeligen Struktur<br />
kann der geplante Um- und<br />
Ausbau der Bundeswehr<br />
nicht gelingen.<br />
MANN DESTAGES<br />
Verpflichtende Besuche<br />
Frank-Walter Steinmeier,<br />
Bundespräsident, hat mit seinem<br />
israelischen Kollegen<br />
Reuven Rivlin dazu aufgerufen,<br />
dass Jugendliche<br />
Israel, Yad<br />
Vashem und<br />
ehemalige<br />
Konzentrationslager<br />
besuchen.<br />
„Das ist aus<br />
meiner<br />
Sicht eine<br />
notwendige<br />
Ergänzung zu Information<br />
und zum Schulunterricht“,<br />
sagte Steinmeier am Dienstag<br />
bei einem gemeinsamen Besuch<br />
mit Rivlin in einem jüdischen<br />
Gymnasium in Berlin.<br />
Foto: Markus Schreiber/AP/dpa<br />
Foto: Marcel Kusch/dpa<br />
So marode ist die<br />
Truppe<br />
Die passende Jackeist nicht<br />
selten Glückssache: Ein<br />
Rekrut probiertinMünster<br />
seine Ausrüstung an.<br />
Berlin – „Zu wenig Material,<br />
zu wenig Personal, zu viel<br />
Bürokratie“ – das ist die<br />
Bundeswehrbilanz, die der<br />
Wehrbeauftragte Hans-Peter<br />
Bartels in seinem Jahresbericht<br />
zieht. Die Probleme<br />
reichen von Schimmel<br />
in der Truppenküche bis zu<br />
fehlenden Schutzwesten.<br />
Rund 100 Seiten sind es diesmal<br />
geworden, 100 Seiten voller<br />
Probleme und Kritik. Der<br />
Tenor: Die Bundeswehr ist ein<br />
ziemlich maroder Laden.<br />
▶ Unklare Zuständigkeiten:<br />
Für eines seiner dringlichsten<br />
Anliegen durchbricht der<br />
Wehrbeauftragte eine Geheimhaltungsstufe:<br />
Das Ministerium<br />
halte einen Bericht<br />
unter Verschluss, der „zu viele<br />
Querzuständigkeiten“ kritisiere.<br />
▶ Material: 2031 soll die Bundeswehr<br />
laut Verteidigungsministerium<br />
voll ausgestattet<br />
sein. Aber Bartels stellt fest:<br />
„Alles geht zuschleppend voran.“<br />
Panzergrenadiere müssten<br />
auch mal „so tun, als ob“<br />
und mit einem VW Bulli üben<br />
statt mit einem Schützenpanzer.<br />
▶ Uniformen: Probleme mit<br />
der Ausrüstung sind Dauerthema.<br />
Rucksäcke führten<br />
„nicht selten zu Verspannungen<br />
im Schulter- und Wirbelsäulenbereich“,<br />
berichtet<br />
Bartels. Winterunterwäsche<br />
müsse wegen Mangels zurückgegebenwerden.<br />
▶ Kasernen: Mal ragen in<br />
einer Kaserne Kabel aus<br />
Steckdosen, mal sprießt der<br />
Schimmel in der Truppenküche.<br />
▶ Personal: Auch hier gibt es<br />
Alarmmeldungen: Über<br />
20 000 Dienstposten oberhalb<br />
der Mannschaftsdienstgrade<br />
seien nicht besetzt. Wegen des<br />
Personalmangels könnten etwa<br />
Eurofighter-Piloten zum<br />
Teil keinen Urlaub machen.<br />
Über betrunkene Vorgesetzte, fehlende Ausrüstung und<br />
veraltete Rollenbilder: Der Bericht desWehrbeauftragten<br />
zeigt gravierende Mängel bei der Bundeswehr<br />
„Die Rucksäckeführen<br />
nicht selten zu<br />
Verspannungen im<br />
Schulter-<br />
Nackenbereich.“<br />
Hans-Peter Bartels,<br />
Wehrbeauftragter<br />
▶ Geld: Die Bundeswehr<br />
brauche zusätzliche Finanzmittel,<br />
findet Bartels.<br />
Allerdings unter<br />
einer Voraussetzung:<br />
„Ohne innere Reform<br />
drohen sie zu<br />
versickern.“<br />
▶ Extremismus: 363<br />
neue Verdachtsfälle<br />
von Rechtsextremismus<br />
gab es bei der Bundeswehr<br />
2019 laut Militärischem<br />
Abschirmdienst<br />
(MAD). Bartels<br />
stellt fest: Die Truppe<br />
sei „sensibel für das<br />
Thema“.<br />
Foto: Gregor Fischer/dpa<br />
▶ Frauen: Die Zahl der Frauen<br />
in der Bundeswehr hat<br />
leicht zugenommen von<br />
12,1 Prozent im Jahr 2018 auf<br />
12,3 Prozent 2019, also von<br />
21 931 auf 22 594 Soldatinnen.<br />
Zu finden sind die vor allem<br />
im Sanitätsdienst. Er findet<br />
auch, dass die Bundeswehr in<br />
ihrer Werbung oft tradierte<br />
Geschlechterrollen vermittele.<br />
Grüner Nagellack mit der<br />
Aufschrift „Wir sind das<br />
Heer“ müsse nicht sein.<br />
▶ Sexismus: 345 Fällevon Sexismus<br />
wurden gemeldet,<br />
nach 288 im Jahr 2018, von<br />
Berührungen über Sprüche<br />
wie „Dich lege ich als Nächste<br />
flach“ bis zu zotigen Anmerkungen<br />
über Whatsapp. Bartels<br />
attestiert der Bundeswehr<br />
einen „zunehmend sensibleren<br />
Umgang mit den Vorwürfen“.<br />
▶ Vorgesetzte: Ein zuweilen<br />
betrunkener Oberstleutnant,<br />
der einen minderjährigen<br />
Rekruten ins Bordell mitnahm.<br />
Ein Vorgesetzter, der<br />
bei einem Soldaten mit einem<br />
Nackenschlag für ein Schädel-<br />
Hirn-Trauma sorgte. Die Konsequenzen:<br />
Disziplinarverfahren,<br />
befristete Beförderungsverbote<br />
oder Kürzung<br />
derBezüge.<br />
▶ Lichtblicke: Der Verteidigungsetat<br />
ist deutlich erhöht<br />
worden. „Ein Lichtblick“, sagt<br />
Bartels. Außerdem sei<br />
die Verfügbarkeit<br />
der Eurofighter<br />
deutlich nach<br />
oben gegangen.