stahl und eisen 01-02/2020 Leseprobe
In dieser Leseprobe erhalten Sie erste Einblicke in die aktuelle Ausgabe 01-02/2020 von stahl und eisen.
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PRISMA<br />
Experimentelle Archäologie<br />
Rmischer Stahl F<strong>und</strong>stücke,<br />
Analyse, Interpretation <strong>und</strong><br />
Rekonstruktion<br />
Autor<br />
Dr. Alex R. Furger,<br />
Universität Basel<br />
Waren die Griechen <strong>und</strong> Rmer eher Konsumenten als Produzenten guter Werkzeugstähle<br />
Historisch überlieferte Stahlimporte aus dem Land der Serer Asien lassen das vermuten.<br />
Nachgewiesene Produktionsorte in Noricum sterreich <strong>und</strong> der olonia Raurica Schweiz<br />
zeigen aber die beiden unterschiedlichen Technologien, mit denen innerhalb des Imperium<br />
Romanum Stahl erzeugt wurde. Der hier dokumentierte erste Nachweis rmerzeitlicher<br />
Stahlerzeugung in den Nord- <strong>und</strong> Nordwestprovinzen des Rmischen Reichs lässt vermuten,<br />
dass noch einige weitere dezentrale „Aufkohlungsbetriebe“ aktiv waren <strong>und</strong> erst noch zu<br />
erkennen respektive zu entdecken sind.<br />
1<br />
Als Auslöser <strong>und</strong> im Zentrum der historischen Stahlforschungen<br />
standen gebrannte Lehmumhüllungen aus Augusta<br />
Raurica, einer römischen Stadt bei Basel/Schweiz (1–3). Mit<br />
„Experimenteller Archäologie” wurde der Prozess der vermuteten<br />
indirekten Stahlerzeugung rekonstruiert <strong>und</strong><br />
nachvollzogen: 4 nachgeschmiedeter Barren aus fast kohlenstofffreiem<br />
Weich<strong>eisen</strong>, 5 der Barren mit Holzkohlepulver<br />
<strong>und</strong> Lehm umhüllt, 6 nach dem Aufkohlen zersägt für die Laboranalysen<br />
(Kohlenstoff, Vickers-Härte), 7 vergrößerter, mit<br />
Nital behandelter Querschnitt mit gut sichtbarer Aufkohlung<br />
der äußersten 3 mm.<br />
D<br />
ie Römerstadt Augusta<br />
Raurica bei<br />
Basel in der Nordwestschweiz<br />
war<br />
vom 1. bis 4. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />
n. Chr. ein wichtiges Handels-<br />
<strong>und</strong> Wirtschaftszentrum am<br />
berrhein. Das Bronzehandwerk<br />
orierte in der Stadt <strong>und</strong> produzierte<br />
Gerät <strong>und</strong> Schmuck über den regionalen<br />
Eigenbedarf hinaus. Als Zeugnis<br />
der Werkstätten fanden sich bei<br />
Ausgrabungen an die Schmelztiegel,<br />
in denen Messing erzeugt<br />
<strong>und</strong> viele Buntmetalle geschmolzen<br />
wurden Kupfer, Bronze, Messing, Silber.<br />
Als ich diese Schmelztiegelreste<br />
erforschte, fielen mir in den Museumsdepots<br />
auch ganz besondere,<br />
amorphe Lehmbruchstücke auf, die<br />
zwar ebenfalls gebrannt waren, aber<br />
weder von Haushaltsgeschirr noch<br />
von Tiegeln stammen knnen.<br />
Diese Lehmfragmente aus Augusta<br />
Raurica (Bild 1,1–3) sind<br />
stets röhrenförmig, manchmal<br />
mit konisch geschlossenen Enden<br />
<strong>und</strong> äuerst einheitlich bezüglich<br />
Tonstruktur, Farbe <strong>und</strong> Auf bau.<br />
Lediglich die Gren <strong>und</strong> die<br />
Formen der inneren uerschnitte<br />
Negativabdrücke variieren [3] .<br />
Allen bjekten gemeinsam sind<br />
ihre Fertigung von Hand d. h.<br />
ohne Tpferscheibe, ihre r<strong>und</strong> <br />
mm Wandstärke, der feine orange-beige<br />
gebrannte Ton mit gelegentlichen<br />
Einschlüssen kleinster<br />
Holzkohlepartikel <strong>und</strong> auffällige<br />
rostbraune „Versinterungen“ an<br />
den Innenächen. Die Gesamtform<br />
dieser Lehmumhüllungen<br />
war wegen der starken Fragmentierung<br />
schwierig zu rekonstruieren.<br />
um Glück liegen von einem Stück<br />
Bild 1, genügend, zum Teil anpassende<br />
Bruchstücke vor, um zu<br />
erkennen, dass es sich ursprünglich<br />
um röhrenförmige Gebilde<br />
mit beidseitig sich verjüngenden,<br />
geschlossenen Enden handelt. Die<br />
Gren dieser Lehmumhüllungen<br />
schwanken relativ stark. Ihre äu-<br />
eren Durchmesser betragen in<br />
der Mehrzahl der Fälle um die<br />
4–5 cm, aber einige besonders<br />
groe Stücke bringen es auf –<br />
cm (Bild 1,2).<br />
XRF-Analysen führen zu<br />
einer Interpretation<br />
Die meisten Schmelztiegelreste<br />
<strong>und</strong> auch die hier vorgestellten<br />
Lehmumhüllungen wurden<br />
mittelst portabler Rntgenuoreszenzanalyse<br />
pRF auf Spurenelemente<br />
der Tonmineralien<br />
<strong>und</strong> auf Spuren der Benutzung<br />
untersucht. Zwei Resultate waren<br />
68<br />
<strong>stahl</strong> <strong>und</strong> <strong>eisen</strong> 140 (2<strong>02</strong>0) Nr. 1/2