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UmweltJournal Ausgabe 2018-01

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Jänner <strong>2<strong>01</strong>8</strong>/ <strong>UmweltJournal</strong> BAU- | GEBÄUDETECHNIK<br />

11<br />

Fotos: interforst<br />

Innovative Holzbau-Architektur<br />

„Der kreative Spielraum ist groß“<br />

Spektakuläre neue Kirche aus Holz entsteht derzeit bezeichnenderweise in Holzkirchen. Konstruktion<br />

und Material machen den Bau schwungvoll, licht und ökologisch. Martina Ehrnsperger, Projektleiterin<br />

der Interforst, sprach auf der „Grünen Couch“ mit dem Architekten Eberhard Wimmer.<br />

Kurz vor der Vollendung: die Holzkirche St. Josef in Holzkirchen bei München.<br />

Herr Wimmer, Sie sind der Architekt<br />

der Kirche St. Josef in Holzkirchen,<br />

die im Winter vollendet wird. Was ist<br />

das Besondere an diesem Bau?<br />

Kirchen sind sinnstiftende Räume. Der<br />

kreative Spielraum ist groß, weil jede Zeit<br />

und jede religiöse Richtung bei aller Wiedererkennbarkeit<br />

ihre eigenen, zeitgemäßen<br />

Sakralbauten hervorbringen möchte.<br />

Hier ist es die Kegelform, die sichtbare<br />

Fachwerkkonstruktion, die Einheit von<br />

Wand und Dach. Die Kegelkonstruktion<br />

eröffnet spektakuläre Perspektiven.<br />

Was ist die kreative Idee dahinter?<br />

Aus den liturgischen Funktionen, der<br />

Mit einer Holzkonstruktion ließ sich<br />

die stützenfreie Raumhülle kostengünstiger<br />

realisieren.<br />

im Kreis um den Altar versammelten<br />

Gemeinde und dem von oben einfallenden<br />

Licht ergibt sich eine kegelförmige<br />

Hülle wie von selbst. In Analogie zum<br />

Zelt ist der Kegel eine archetypische,<br />

dabei moderne und unverbrauchte<br />

Architekturform.<br />

Die Kirche besteht aus<br />

Holz – warum?<br />

Beton und Stahl waren hier aus mehreren<br />

Gründen ungeeignet. Mit einer<br />

Holzkonstruktion ließ sich die stützenfreie,<br />

kegelförmige Raumhülle über einer<br />

Grundfläche von etwa 850 Quadratmetern<br />

kostengünstiger realisieren. Dazu<br />

kam die aussagekräftige Materialität, die<br />

unmittelbare Akzeptanz und das Gefühl<br />

von Geborgenheit, die sich in Holzkonstruktionen<br />

einstellen. Holzkonstruktionen<br />

mit Dreiecksgefachen sind zudem<br />

in Bayern verbreitet. Reusen und Körbe<br />

werden seit Jahrhunderten so geflochten<br />

und begeistern durch vielgestaltige Formen<br />

und feines Flechtwerk mit stabilisierenden<br />

Ringen und Diagonalen.<br />

Was macht den Bau ökologisch?<br />

Wir haben regionales Holz verwendet,<br />

vor allem Brettschnittholz aus Fichte<br />

aus zentraleuropäischen Wäldern, sowie<br />

Buche bei den Fachwerkknoten und<br />

Lärchenschindeln für die Kegeldächer.<br />

Die Kirche ist ein Niedrigenergiegebäude<br />

mit passiver Energienutzung. Wir<br />

unterschreiten die Werte der Energieeinsparverordnung<br />

um bis zu 28 Prozent. In<br />

den Kegeln nutzen wir eine natürliche<br />

Aufwinddynamik für die Lüftung, die<br />

Fußbodenheizung speist sich aus Geothermie,<br />

die Bodenplatte dient als thermische<br />

Speichermasse. Sparsame LED-<br />

Leuchten, begrünte Flachdachbereiche<br />

und Rigolenanlagen für die Versickerung<br />

des Regens sind weitere Maßnahmen.<br />

Zudem haben wir grundsätzlich einfache<br />

technische Lösungen gesucht, um die<br />

Langlebigkeit zu gewährleisten.<br />

Bevorzugen Sie<br />

bestimmte Holzarten?<br />

Im konstruktiven Holzbau wird vor allem<br />

das schneller wachsende Nadelholz<br />

verwendet. Für die Schindeln haben<br />

wir Lärche verwendet. Stellenweise ist<br />

Eichenholz im Einsatz, aus gestalterischen<br />

Gründen oder wegen Brandschutz.<br />

Welche Bedeutung messen Sie dem<br />

Rohstoff Holz generell zu?<br />

Das ist leicht zu beantworten. Kennen<br />

Sie einen Rohstoff, der nachwächst und<br />

eine ähnliche ökologische Gesamtbilanz<br />

aufweist und so vielfältig als Werkstoff einsetzbar<br />

ist wie Holz? (UJ/Interforst)<br />

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Holzturm entsteht<br />

und verschwindet<br />

wieder<br />

Die Schweiz hat ein neues Theater.<br />

Auf dem Julierpass, auf<br />

2.300 Höhenmetern, hat das<br />

Kulturfestival Origen einen markanten<br />

Turm erbaut, der sich zur Landschaft<br />

hin öffnet, alle Jahreszeiten bespielt,<br />

vertikales Bühnenspiel ermöglicht, im<br />

Abendlicht spielt. Das Theaterhaus<br />

zitiert den babylonischen Turm und<br />

verweist auf den Sprachreichtum einer<br />

Kulturregion am Alpenkamm, die von<br />

Abwanderung betroffen ist und um<br />

neue Perspektiven ringt. Am 31. Juli<br />

wurde das Bauwerk erstmals bespielt.<br />

Zur Eröffnung wurden Fragmente der<br />

dreisprachigen Oper „Apocalypse“ und<br />

ein neues Solo für Sergei Polunin uraufgeführt.<br />

Der Julierturm wurde aus<br />

1.220 Bauteilen erbaut. 24.400 Schrauben<br />

halten das Bauwerk zusammen.<br />

Der Holzturm hält Windböen von bis<br />

zu 240 Kilometer pro Stunde stand und<br />

trotzt selbst Staublawinen. Das Gesamtgewicht<br />

des Turmes beträgt ohne Fundament<br />

410 Tonnen, die gesamte Bauzeit<br />

dauerte zweieinhalb Monate. Bis zur<br />

Eröffnung werden über zwei Millionen<br />

in den Turm investiert. Der wintertaugliche<br />

Ausbau des Turmes wird eine<br />

weitere Million kosten, die in den kommenden<br />

Monaten aufgebracht werden<br />

muss. Das Juliertheater ist ein ephemeres<br />

Projekt, das die Vergänglichkeit<br />

alles Lebenden reflektiert. Der Holzbau<br />

entsteht und vergeht. Im August wird<br />

der Rohbau bespielt, im Herbst erfolgt<br />

der wintertaugliche Ausbau, Ende 2020<br />

wird das Gebäude abgetragen und das<br />

Gelände umfassend renaturiert. Der<br />

Bau entspricht der flüchtigen Kunstform<br />

des Theaters und wird nur in der<br />

Erinnerung weiterleben.<br />

Fotos: Bowie Verschuuren, Origen Festival Cultural<br />

Unsere Leidenschaft:<br />

Ingenieurdienstleistungen<br />

für Umweltschutz mit Mehrwert.<br />

Frohnleiten | Wien | St. Veit a. d. Glan<br />

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