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UmweltJournal Ausgabe 2018-01

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14 ERNEUERBARE ENERGIE<br />

<strong>UmweltJournal</strong> /Jänner <strong>2<strong>01</strong>8</strong><br />

Wie Unternehmer mit ihrem Industriedach Sonnenstrom erzeugen<br />

Rendite mit grüner Energie<br />

Fotos: privat, Goldbeck Solar<br />

Die Solarstromanlage am Dach des holzverarbeitenden Betriebs Runge GmbH in<br />

Osnabrück ist so ausgelegt, dass sie sich durch Eigenverbrauch und Einspeisung<br />

selbst finanziert.<br />

Auf die Idee, das eigene Dach mit einer PV-Anlage zu bestücken, sind schon viele gekommen. Wer<br />

sein Moduldach korrekt auslegen lässt und möglichst viel Strom selbst verbraucht, kann nicht nur mit<br />

grünem Strom punkten. Auch wirtschaftlich lässt sich der Erfolg durchaus sehen.<br />

Autor:<br />

Leila Haidar<br />

leila.haidar@web.de<br />

Gute Erfahrungen mit einer PV-<br />

Anlage auf dem Dach macht<br />

die Hartkorn Gewürzmühle<br />

GmbH in Koblenz (D). Das Unternehmen<br />

verdreifachte jüngst ihre Lagerkapazität<br />

und reduzierte parallel ihre Standorte<br />

von fünf auf zwei. Die Gelegenheit war<br />

günstig, den Neubau mit einer 213 Kilowatt-peak<br />

(KWp) starken Solaranlage<br />

zu bestücken. Dank dieser Maßnahme<br />

erreicht Hartkorn mit seinem Logistikgebäude<br />

sogar den EnEV55-Standard.<br />

Nun unterschreitet das Gebäude die<br />

Bau-Norm derart, dass es 45 Prozent weniger<br />

Energie zu seiner Bewirtschaftung<br />

benötigt. Das reicht von der Dämmung<br />

und einer speziellen Abdichtung der Verladetore<br />

über eine LED-Beleuchtung bis<br />

zum eigenen Kraftwerk. Einen höheren<br />

einstelligen Millionenbetrag investierten<br />

die Koblenzer, die 120 Mitarbeiter beschäftigen,<br />

in das Vorhaben.<br />

Mehrkosten rechnen sich binnen<br />

fünf Jahren<br />

Die Fotovoltaik-Anlage für<br />

212.000 Euro auf einem Teil des Daches<br />

erzeugt 200.000 Kilowattstunden<br />

Strom pro Jahr, die im Jahresmittel<br />

etwa zu 30 Prozent selbst verbraucht<br />

werden. Das reduziert den Stromeinkauf<br />

um 10.000 Euro pro Jahr. Hinzu<br />

kommen 16.500 Euro Einnahmen pro<br />

Jahr für die Kilowattstunde (kWh), die<br />

20 Jahre lang für 11,34 Cent ins öffentliche<br />

Netz eingespeist werden. Über die<br />

ganze Laufzeit gerechnet kostet so jede<br />

kWh bei 25 Jahren Laufzeit 0,065 Cent.<br />

Dieser Wert verbessert sich noch,<br />

wenn Hartkorn mehr Strom selbst<br />

verbraucht, etwa an den vier Stromtankstellen,<br />

die am Gebäude installiert<br />

wurden. Wichtig auch: Mit dieser Investition<br />

spart der Gewürzhersteller<br />

112 Tonnen CO 2<br />

pro Jahr ein.<br />

„Ich war selbst überrascht, dass sich<br />

die Mehrkosten binnen fünf Jahren<br />

rechnen“, sagt Geschäftsführer Andreas<br />

Hartkorn, der den Bauingenieuren von<br />

Goldbeck Solar für die qualifizierte Beratung<br />

dankbar ist. Eine Amortisationszeit<br />

von fünf Jahren ist aber nicht unüblich,<br />

erläutert Solarexperte Björn Lamprecht.<br />

Konservativ rechnen die Ingenieure von<br />

Goldbeck Solar aber eher mit sieben<br />

bis zehn Jahren. Bei einer festgesetzten<br />

Einspeisevergütung von 20 Jahren und<br />

einer Laufzeit der Anlage von mindestens<br />

25 Jahren ist das eine Garantie um<br />

Stromkosten einzusparen.<br />

„Große Dachflächen, perfekte Ausrichtung<br />

nach dem Sonnenstand und<br />

ein hoher Eigenverbrauch“, fasst Lamprecht<br />

die Kriterien zusammen, nach<br />

denen eine Solaranlage rentabel wird.<br />

Im Extremfall verdienen Logistiker,<br />

produzierende Unternehmen oder Lebensmittelhändler<br />

mit der eigenen Dachanlage<br />

sogar noch. Bis zu zwölf Prozent<br />

Rendite seien möglich. Unternehmer,<br />

die ihren Bestandsbau gerne mit Solar<br />

bestücken würden, sollten allerdings<br />

vorab die Statik und Dachbeschaffenheit<br />

prüfen. „Auf den meisten Dächern findet<br />

sich eine Möglichkeit, zum Beispiel<br />

mit sehr leichten Unterkonstruktionen,<br />

eine Solaranlage zu errichten“, erläutert<br />

der Geschäftsführer. Allerdings sei es<br />

ideal, wenn Bauherren schon bei der<br />

Errichtung eines Gebäudes die Grundlagen<br />

für ein späteres Sonnenkraftwerk<br />

legen. Letztlich sind es vor allem die<br />

Wind- und Schneelasten, die bei Bestand<br />

wie Neubauten berücksichtigt werden<br />

müssen. Auch eine gewisse Größe, die in<br />

einem günstigen Verhältnis zum eigenen<br />

Stromverbrauch steht, sollte das Hallendach<br />

mitbringen.<br />

Holzmöbel und Solarstrom<br />

Fast ausschließlich mit Solarstrom fertigt<br />

der holzverarbeitende Betrieb Runge<br />

GmbH in Osnabrück und verbraucht<br />

dabei einen großen Teil des eigenen<br />

Sonnenstroms selbst. Hergestellt werden<br />

etwa Bänke, Tische, Mülleimer<br />

und Poller aus Holz. Sie stehen später<br />

in öffentlichen Parks oder auf Plätzen<br />

in der Innenstadt. Ende 2<strong>01</strong>5 realisierte<br />

Geschäftsführer Oliver Runge einen<br />

Neubau nach höchsten ökologischen<br />

Standards. Eine Solaranlage durfte dabei<br />

nicht fehlen. Denn die Geschäfte sollen<br />

so nachhaltig sein, wie die Produkte von<br />

Runge, der ausschließlich zertifiziertes<br />

Holz bearbeitet. Die neue Halle hat<br />

knapp doppelt so viel Fläche wie der alte<br />

Standort, 6.000 Quadratmeter. Strom<br />

erzeugt er selbst über die Kollektoren auf<br />

dem Dach. Damit deckt Runge seinen<br />

kompletten Energiebedarf.<br />

Je mehr Kollektorenstrom selbst verbraucht<br />

wird, desto rentabler wird die<br />

Anlage. Energieintensive Fertigungsschritte,<br />

Testläufe von Maschinen und<br />

Montageplätze für die Automobilindustrie<br />

verbrauchen viel Strom. Besser, wenn<br />

man Energie also kostengünstig selbst erzeugt,<br />

anstatt sie teuer einzukaufen. Auch<br />

Flurförderzeuge, Elektroautos, Beleuchtung<br />

und die Computer in der Verwaltung<br />

sind letztlich Verbraucher, die für die Berechnung<br />

herangezogen werden. Systeme<br />

werden meist so dimensioniert, dass sie<br />

die Grundlast decken oder die Eigenverbrauchsquote<br />

bei bis zu 70 Prozent liegt.<br />

Faustregel: Je höher der Eigenverbrauch,<br />

desto mehr Rendite. Die Rechnung ist<br />

einfach: Während mit einer PV-Anlage<br />

die Gestehungskosten pro Kilowattstunde<br />

sechs bis acht Cent betragen, bezahlen<br />

Betriebe inklusive deutscher EEG-Umlage<br />

rund 18 Cent beim Energieversorger.<br />

Dazu bekommt der Handwerker noch<br />

circa zehn Cent pro nicht genutzter, das<br />

heißt ins öffentliche Netz eingespeister,<br />

Kilowattstunde. Lamprecht, der mit<br />

seinem Team von Goldbeck Solar rund<br />

80 Anlagen im Jahr erstellt: „Wir sprechen<br />

von hohen einstelligen bis niedrigen zweistelligen<br />

Renditen.“<br />

Die Osnabrücker Holzverarbeiter verbrauchen<br />

rund 50 Prozent des regenerativ<br />

erzeugten Stroms selbst. Weil Runge im<br />

Jahr 600 Kubikmeter Holz verarbeitet,<br />

hat seine Fertigung einen großen Energiehunger.<br />

Die Hälfte, die er nicht nutzen<br />

kann, weil etwa Ertragskurve und Verbrauchskurve<br />

nicht parallel zu einander<br />

verlaufen, oder die Sonne am Wochenende<br />

scheint, während nicht gearbeitet wird,<br />

speist der Familienbetrieb ins öffentliche<br />

Netz ein. Die Investition ist so ausgelegt,<br />

dass sie sich durch Eigenverbrauch und<br />

Einspeisung selbst finanziert. „Unternehmer<br />

machen sich auf diese Weise von<br />

schwankenden Strompreisen unabhängig,<br />

erzielen einen berechenbaren Ertrag<br />

und erwirtschaften sogar einen Überschuss“,<br />

sagt Lamprecht. Die Errichtung<br />

der Runge-Anlage mit der Leistung von<br />

153 Kilowatt Peak dauerte ein halbes Jahr.<br />

600 polykristalline Module bedecken nun<br />

eine Dachfläche von 976 Quadratmetern.<br />

Entschieden haben sich die Projektbeteiligten<br />

für das Unterkonstruktions-System<br />

Sunolution, das mit seinen Komponenten<br />

aus robustem Kunststoff und Metall<br />

besonders leicht, widerstandsfähig und<br />

montagefreundlich ist.<br />

Eigenverbrauch vorteilhafter<br />

Das Europa-Zentrallager der Medline International Germany GmbH in Kleve<br />

läuft komplett mit Solarstrom. (Im Bild die Montage der Paneele.)<br />

Ziel aller Besitzer eines Sonnenkraftwerks<br />

sollte es also sein, möglichst viel<br />

grünen Strom selbst zu verbrauchen.<br />

Das klappt, indem energieintensives Geschäft<br />

dann erledigt wird, wenn die Sonne<br />

scheint, Maschinentests etwa. Wer<br />

Gabelstapler aufzuladen hat, oder andere<br />

energieintensive Arbeiten erledigt, sollte<br />

das in der Mittagspause tun. Ideal ist die<br />

Quote bei Betrieben, die kühlen müssen.<br />

Denn die Kühlleistung entwickelt sich<br />

parallel zur Sonneneinstrahlung. Weil<br />

nicht immer dann am meisten gearbeitet<br />

wird, wenn die Sonne scheint, kommen<br />

Stromspeicher ins Spiel, die vom Staat<br />

gefördert werden. Diese Batterien sammeln<br />

Energie tagsüber und setzen sie frei,<br />

wenn sie gebraucht wird.<br />

Letztlich ist aber die günstigste Energie<br />

diejenige, die Betriebe nicht verbrauchen.<br />

Sparsame Maschinen, LED-Beleuchtung<br />

und ein Gesamt-Energiekonzept für das<br />

jeweilige Gebäude, sind wichtige Schritte<br />

für jeden sparsamen Industriebetrieb.<br />

Nachhaltiges Gesamtkonzept<br />

Auf ein solches Gesamtkonzept setzt<br />

die Medline International Germany<br />

GmbH. Hier läuft das Europa-Zentrallager,<br />

in dem Medizinprodukte von<br />

Spritzen über OP-Kittel bis hin zu<br />

Handschuhen lagern, komplett mit<br />

Solarstrom. In Kleve betreibt Medline<br />

das Lager mit 37.000 Quadratmetern.<br />

Eine PV-Anlage mit einem Megawatt<br />

Leistung erwirtschaftet rund<br />

900.000 Kilowattstunden im Jahr.<br />

Rund 12.000 Quadratmeter Solarmodule<br />

produzieren sauberen Strom.<br />

„Dass nun die gesamte Logistik, IT,<br />

Beleuchtung und auch alle Gabelstapler<br />

und Hubwagen mit Sonnenenergie betrieben<br />

werden, passt in unser Nachhaltigkeitskonzept“,<br />

sagt Finanzchef international<br />

Gerard Derksen. Das 1910<br />

gegründete Familienunternehmen beschäftigt<br />

140 Mitarbeiter in Kleve und<br />

ist nach dem Nachhaltigkeits-Standard<br />

ISO 140<strong>01</strong> zertifiziert. Das Gebäude<br />

wurde von der Deutschen Gesellschaft<br />

„Bei diesen Kriterien wird<br />

eine Solaranlage rentabel:<br />

Große Dachflächen, perfekte<br />

Ausrichtung nach dem<br />

Sonnenstand und ein hoher<br />

Eigenverbrauch.“<br />

Björn Lamprecht, Goldbeck Solar<br />

für nachhaltiges Bauen ausgezeichnet.<br />

Der Logistikstandort ist einer von<br />

50 weltweit.<br />

„Innerhalb von acht Jahren werden<br />

wir die Investition in die PV-Dachanlage<br />

zurückverdient haben“, sagt Lamprecht.<br />

Medline nutzt etwa 40 Prozent des Dachstroms<br />

selbst. Was das Handelsunternehmen<br />

nicht selbst benötigt, gibt es an einen<br />

Direktvermarkter weiter, der diesen an<br />

der Börse handelt. Die hier erzielten Preise<br />

schwanken, liegen aber in der Regel<br />

deutlich über der Einspeisevergütung.<br />

„Bei Anlagen unter einem Megawatt<br />

wählen die Betreiber meist die Variante<br />

Einspeisevergütung. Die ist zwar niedriger,<br />

aber dafür planbar und für 20 Jahre<br />

festgeschrieben“, sagt der Solar-Experte.<br />

Initiiert wurde das Projekt vom Energie-Beratungsunternehmen<br />

E.Quadrat<br />

aus Mannheim. Ziel war es, die Stromkosten<br />

des Handelsunternehmens zu<br />

reduzieren. „Wir führten eine wirtschaftliche<br />

Abschätzung durch, die sich als<br />

vielversprechend erwies. Anschließend<br />

begleiteten wir unseren Kunden durch<br />

das Genehmigungsverfahren und kümmerten<br />

uns um die Koordination mit<br />

dem Verteilnetzbetreiber. Außerdem<br />

halfen wir bei der Vertragsgestaltung und<br />

überwachen die Abnahmetests“, sagt<br />

Berater und ehemaliger Professor an der<br />

Hochschule Mannheim Wolfgang Kottnik,<br />

der das Projekt als Mitinhaber von<br />

E.Quadrat begleitete.<br />

Foto: öwav/vefb

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