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2020_527

Dedinghausen aktuell Ausgabe Nr. 525 März 2020

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D.a. 527 ... aktuell * Service März 2020

D.a. gibt Tipps zu Ihrem Recht .

§

Achtjähriges

Kind kann für

Schäden im

Straßenverkehr persönlich

haften (OLG Celle, Urt. v.

19.02.2020 - 14 U 69/19)

Ein 8-jähriges Kind, das bereits seit

seinem 5. Lebensjahr Fahrrad fährt,

befuhr mit dem Rad eine Uferpromenade.

Die Eltern gingen in Rufund

Sichtweite einige Meter zu Fuß

hinter dem Kind. Während der Vorwärtsfahrt

drehte sich das beklagte

Kind eine Zeitlang zu seinen ebenfalls

beklagten Eltern um, wobei es

unbemerkt seine Fahrspur verließ

und sich der an der Uferpromenade

stehenden Klägerin und deren

Freundin, (Zeugin) näherte. Als die

Eltern dies bemerkten, versuchte

die Mutter noch, ihre Tochter zu

warnen, die daraufhin eine Vollbremsung

einleitete. Die Klägerin

geriet allerdings ins Straucheln,

verlor das Gleichgewicht und stürzte

von der Uferpromenade auf

einen ca. einen Meter darunterliegenden

Betonsteg und von dort aus

ins Hafenbecken. Sie erlitt dadurch

nicht unerhebliche Verletzungen.

Die Fußgängerin (Klägerin) beanspruchte

deshalb von dem Kind und

dessen Eltern Schadensersatz und

Schmerzensgeld.

Das OLG hat in der Berufungsverhandlung

einen solchen Anspruch

bejaht, allerdings nur gegenüber

dem 8-jährigen Kind. Gegenüber

den ebenfalls beklagten Eltern hat

das Gericht den Anspruch aus §

832 BGB (Haftung des Aufsichtspflichtigen

wegen Verletzung der

Aufsichtspflicht) verneint, weil sie

ihre Aufsichtspflicht gerade nicht

verletzt haben. Das Maß der gebotenen

Aufsicht über Minderjährige

richte sich nach deren Alter, Eigenart

und Charakter, wobei sich die

Grenze der erforderlichen und zumutbaren

Maßnahmen nach ständiger

Rechtsprechung danach

bestimmt, was verständige Eltern

nach vernünftigen Anforderungen

tun müssen, um Schädigungen

Dritter durch ihr Kind zu verhindern.

D.a. 527/30

Aktuelle Urteile XLI

Nach diesen Maßstäben war es

nach Ansicht des Gerichts nicht zu

beanstanden, dass die Eltern ihr

Kind in der Situation vor dem Unfall

auf der Hafenpromenade mit dem

Fahrrad fahren ließen, während sie

in einigem Abstand folgten. Ihr Kind

war mit den Verkehrsregeln vertraut

und bewegte sich bereits nach

eigenen Aussagen seit seinem

fünften Lebensjahr mit dem Fahrrad

im Straßenverkehr. Die Eltern

hielten Sicht- und Rufkontakt zu

ihrem Kind, der befahrene Weg war

ausreichend breit, motorisierter

Verkehr war nicht zu erwarten. Es

handelte sich um eine sehr übersichtliche

Gesamtsituation, die von

wenigen Fußgängern geprägt war.

Unter diesen Umständen war die

Entscheidung der Eltern ihre

Tochter mit dem Fahrrad vorfahren

zu lassen, nicht zu beanstanden,

weil ein altersgerecht entwickeltes

Kind auch aus pädagogischer Sicht

gewisse Freiräume braucht, die sich

aus den Erziehungszielen ergeben.

Das 8-jährige Kind allerdings haftet

gem. §§ 823 Abs. 1, 828 Abs. 3

BGB dem Grunde nach für die

Schäden der Klägerin, weil Minderjährige

für die Schäden, die sie

einem anderen zufügen, nur dann

nicht verantwortlich, wenn sie bei

der Begehung der schädigenden

Handlung nicht die zur Erkenntnis

der Verantwortlichkeit erforderliche

Einsicht haben. Dabei verlangt das

Gesetz vom Kind nur die Fähigkeit

zu einem allgemeinen Verständnis

des Unrechtsgehaltes seines

Verhaltens und der Pflicht, dafür

einstehen zu müssen; den konkreten

Schaden muss es sich nicht

vorstellen können. Vielmehr genügt

die Fähigkeit, zu erkennen, dass es

in irgendeiner Weise für sein Verhalten

zur Verantwortung gezogen

werden kann. Das Kind hatte bei

dem schädigenden Verhalten auch

die erforderliche Einsicht, weil das

allgemeine Verständnis, dass eine

längere Rückschau während der

Fahrt Gefahren herbeiführen kann,

vorliegt. Einem altersgerecht entwickelten

achtjährigen Kind, das -

nach eigener Aussage - bereits seit

seinem fünften Lebensjahr regelmäßig

und auch im Straßenverkehr

Fahrrad fährt, muss bewusst sein,

dass es während der Fahrt nach

vorne schauen und nicht über einen

längeren Zeitraum nach hinten

blicken darf.

Das Gericht ist nach der persönlichen

Anhörung des Kindes davon

ausgegangen, dass es zum damaligen

Zeitpunkt wusste, dass es ein

Fehler ist, während des Fahrradfahrens

über einen längeren Zeitraum

die Blickrichtung vom Fahrweg

nach hinten abzuwenden. Es hat

damit auch schuldhaft gem. § 276

Abs. 2 BGB gehandelt. Danach

handelt fahrlässig, wer die im Verkehr

erforderliche Sorgfalt außer

Acht lässt.

Entscheidend ist damit, ob ein

altersgerecht entwickeltes Kind im

Alter des beklagten Kindes hätte

voraussehen können und müssen,

dass die in Rede stehende Fahrweise

auf der Promenade befindliche

Fußgänger verletzen konnte

und ob von ihm bei Erkenntnis der

Gefährlichkeit seines Handelns in

der konkreten Situation die Fähigkeit

erwartet werden konnte, sich

dieser Erkenntnis gemäß zu verhalten,

oder ob ein Mangel an

Verstandesreife Kinder dieser

Altersgruppe an einem solchen

Verhalten hindert. Gemessen an

den vorgenannten Maßstäben muss

nach Ansicht des Gerichts in der

vorliegenden Unfallsituation einem

Kind mit einem Alter und einer

Entwicklungsstufe des beklagten

Kindes entsprechend, bewusst sein,

dass es gefährlich ist, während

einer Vorwärtsfahrt den Kopf rückwärtig

zu halten.

Meinhard Brink

(Rechtsanwalt),

Am Birkhof 50, Dedinghausen

Kinder, die man nicht liebt,

werden Erwachsene, die nicht

lieben.

Pearl S. Buck

(26.06.1892 +6.03.1973, USamerikanische

Schriftstellerin)

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