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procontra Ausgabe 02-2020

Die zweite Ausgabe der procontra im Jahr 2020.

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INVESTMENTFONDS EU-Taxonomie

SETZT SICH DER STANDARD DURCH?

Allerdings lassen es die Asset-Manager offen,

ob und inwieweit sie die Taxonomie

nutzen werden. Henrik Pontzen, Leiter

ESG bei Union Investment, sagt zum Beispiel:

„Wir werden unser Angebot an nachhaltigen

Fonds weiter ausbauen, sowohl

für private als auch institutionelle Anleger.

Dabei orientieren wird uns nicht allein an

der EU-Taxonomie, sondern auch an unserem

eigenen Nachhaltigkeits-Research.“

Ähnliches ist von Machts aus dem Hause

Fidelity zu hören. Schlumberger von Star-

Capital sagt hierzu, er werde sich erst in

einigen Jahren den EU-Standard anschauen

und dann entscheiden. Am deutlichsten

fällt die Antwort von Flossbach von Storch

aus: „Da die Taxonomie ausdrücklich nicht

vorschreiben soll, wo man investieren darf

und wo nicht, behalten wir uns vor, von

der statischen Klassifizierung abzuweichen,

wenn unsere Analyse zu einem anderen Ergebnis

kommt.“

Die Haltung der Asset-Manager in der

Taxonomie-Frage ist nachvollziehbar. Wie

bereits erwähnt, ist die Nutzung des Standards,

der Ende 2021 in Kraft tritt, letztendlich

freiwillig. Außerdem haben Anbieter

wie Fidelity oder Union Investment

ihre eigenen Ressourcen für die Schaffung

nachhaltiger Produkte. Sollte also der Anbieter

eines grünen Fonds den Standard

ignorieren, muss er dies nur in den Fondsdokumenten

kenntlich machen. Für den

Fall, dass er ihn allerdings einsetzt, muss

er die Details der Nutzung veröffentlichen.

Das klingt bürokratisch, und das ist

es auch. Und es ist ein Grund mehr anzunehmen,

dass die EU-Taxonomie, obwohl

gut gemeint, keine so große Rolle für die

nachhaltigen Produktstrategien der Asset-

Manager spielen wird.

PRO

BRINGT EU-TAXONOMIE

NACHHALTIGE STANDARDS?

Zum ersten Mal gibt

es einen Standard für

„grüne“ Investments

Taxonomie erhöht

Transparenz und

bekämpft „Greenwashing“

Nutzung der Taxonomie

ist für Anbieter

freiwillig

CONTRA

Taxonomie ist

unvollständig – Atomkraft

könnte noch als

„grün“ gelten

Taxonomie bezieht

sich nur auf „grüne“

Investments; das „S“

und das „G“ fehlen

Nutzung der

Taxonomie ist sehr

bürokratisch

»Definitionen gehen weit auseinander«

KAI LEHMANN, Senior Research Analyst, Flossbach von Storch

procontra: Die EU hat versucht, einheitliche

Standards für nachhaltige Investments zu

definieren. Ist ihr dies gelungen?

Kai Lehmann: Das wird man erst in ferner

Zukunft sagen können. Derartige Markteingriffe

verursachen Adaptionskosten und möglicherweise

auch Fehlallokationen, weil die Preise

die Chancen und Risiken nicht mehr korrekt

wiedergeben. Die Taxonomie fokussiert sich

zunächst auf Aktivitäten, die insbesondere den

Klimazielen der EU nachkommen. Wenn der

politische Wille die Kapitalströme lenkt, könnten

Wirtschaftsbereiche, die nicht in die Positivliste

fallen, austrocknen. Auch wenn die Taxonomie

den Finanzmarktteilnehmern nicht vorschreibt,

in was sie investieren sollen, so wird sie deren

Entscheidungen dennoch beeinflussen.

procontra: Die EU hat die Frage, ob Atomkraft

und Erdgas nachhaltig sind, zunächst ausgeklammert.

Schafft man so Standards?

Lehmann: Die Diskussion zeigt vor allem eins:

Die Auffassungen darüber, was als nachhaltig

gilt und was nicht, gehen weit auseinander. Und

das völlig zu Recht, denn es gibt eben nicht nur

Schwarz und Weiß. Nicht umsonst verweist die

Taxonomie an vielen Stellen auf Schwellenwerte,

sie sind ein klarer Ausdruck der politischen

Kompromisse.

procontra: Eine Studie von Ihnen zeigt zudem,

wie widersprüchlich ESG-Ratings von Firmen

sind. Sind sie nützlich?

Lehmann: Die Ratings liefern Denkanstöße und

können Investoren bei der Analyse unterstützen.

Hier geht es aber primär um das Erkennen von

Frühwarnsignalen und nicht um die Verwendung

aggregierter Rating-Scores. Unsere

Untersuchung hat gezeigt, dass die Auffassung

darüber, wie nachhaltiges Wirtschaften beurteilt

werden kann, auch unter den Ratingagenturen

sehr unterschiedlich ausfallen kann. Im Gegensatz

zu einem Finanzrating besteht bei einem

ESG-Rating nämlich Uneinigkeit darüber, was

überhaupt gemessen werden soll. Meint man es

mit dem Thema ernst, kommt man nicht umhin,

eigene Expertise aufzubauen.

procontra: Ab 2021 müssen Asset-Manager in

Sachen Nachhaltigkeit noch eine Berichtspflicht

erfüllen. Wie sieht die aus?

Lehmann: Die EU-Offenlegungsverordnung sieht

vor, dass Asset-Manager ihre Ansätze für die

Integration von Nachhaltigkeitsrisiken und die

Berücksichtigung nachteiliger Nachhaltigkeitsauswirkungen

offenlegen müssen. Die Anforderungen

hängen dabei im Wesentlichen von der

angebotenen Wertpapierdienstleistung und der

Größe des Asset-Managers ab. Die gesetzliche

Konkretisierung steht bislang aber noch aus.

32 procontra 02|20

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