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Ein Arzt im Lager

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wissen nicht einmal von ungefähr, wo wir sind. Es ist uns unwichtig. Wir haben einen<br />

Raum, in dem wir allein sind. Von den Gendarmen sehen wir nur hie und da den Kopf<br />

durch die offene Luke. Wir haben unsere gestauten <strong>Ein</strong>geweide einmal gründlich entleert<br />

und mit Wurst und Brotkrumen in regelmäßigen Abständen nachgefüllt. Weiter geht das<br />

Denken zur Zeit nicht, und kein richtiges Gespräch will aufkommen.<br />

Die dritte Nacht <strong>im</strong> Waggon. Jeder besetzt seinen Platz mit einer gewissen<br />

Selbstverständlichkeit, nur Frau Ada läßt ihre kreischende St<strong>im</strong>me sakkadiert vernehmen.<br />

Sie ist mit der Schlafordnung unzufrieden.Wir dösen nicht mehr, wir schlafen. Ob der<br />

Zug nun fährt oder steht, ist uns einerlei. Nur der Ruck be<strong>im</strong> Anziehen und<br />

Stehenbleibem wird störend empfunden. Sie gaben uns einen Kübel Wasser, wir füllten<br />

unsere Gefäße. Wir haben sie leergetrunken, denn die Wurst enthält viel Salz und macht<br />

durstig. Jetzt fühlen wir wieder Trockenheit <strong>im</strong> Mund, bestreichen die Lippen mit der<br />

Zunge. Die Haut am Nagelfalz blättert, löst sich in streifenförmigen Wunden ab, in denen<br />

der Schmutz brennt.<br />

<strong>Ein</strong> neuer Morgen, ein besonders heller Morgen. Es muß schön geworden sein,<br />

denn durch die Ritzen des Waggons dringen richtige Sonnenstrahlen. Unsere Sinne sind<br />

wacher geworden. Wir stellen es fest und besprechen es: heute ist es draußen sicher<br />

schön. Schon gegen 10 Uhr öffnet sich die Waggontür zur täglichen Inspektion. Auch<br />

unser Unteroffizier ist gut gelaunt. Wir dürfen hinunter, hinter eine Mauer treten, er folgt<br />

uns gar nicht, steht nur mit dem Revolver in der Hand in der Nähe. Es wäre auch ein<br />

Wahnsinn, davonzulaufen, weit und breit kein Haus, unbekannte, fremde Ferne. Er kann<br />

uns abschießen, ehe wir den Feldrand erreichen. Nachher wird er ganz freundlich,<br />

gestattet uns einen Kübel Wasser. Wir waschen uns! <strong>Ein</strong> Topf wird herausgeholt,<br />

Handtuch, Seife. <strong>Ein</strong>er schüttet dem anderen das Wasser auf. Das Spiel hat kaum<br />

angefangen und wird schon unterbrochen. Er überlegt sich die Sache und stellt fest, es sei<br />

gegen seine Instruktionen. Wir sind ein wenig auf festem Boden gestanden, haben frische<br />

Luft eingeatmet, sind aufmerksamer geworden. Unser Zug ist einem langen Güterzug<br />

angeschlossen, der vorwiegend aus runden Waggons zur Beförderung von Rohöl besteht.<br />

Die Bewachungsmannschaft ist deutsch. <strong>Ein</strong> stämmiger deutscher Mann geht vorbei,<br />

fragt den rumänischen Unteroffizier, wer wir seien. Der kann nicht antworten, die<br />

Bundesgenossen verstehen gegenseitig ihre Sprachen nicht. <strong>Ein</strong>er von uns antwortet für<br />

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