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Dniester-Fluß, erfahren wir von dem diensthabenden Gendarmen. Diese sind einfache<br />
Bauernburschen, leichter zu kaufen als der des Lesens kundige Unteroffizier, oft ein<br />
Vorstädter, am ehesten ein Friseur- oder Kellnergehilfe. Dann stehen wir wieder<br />
unendlich lange. Der Unteroffizier ist fortgewesen, der Gendarm hat die Türe geöffnet<br />
und sitzt, die Füße baumelnd, am Türrahmen.Wir atmen <strong>im</strong> Waggon die frische Luft.<br />
Schweigsam sind wir alle noch. Die Worte drehen sich um die kleinen Verrichtungen des<br />
Lebens, Essen, Reinigen. Wir fragen einander nicht, was man mit uns vorhat, wir wissen<br />
es ja alle nicht. Der einzige, der alles weiß und gewußt hat, ist Fisch. Wir gehen in ein<br />
Gefängnis in Tiraspol. Das war auch die letzte Information, die mir zugeflüstert wurde.<br />
Vielleicht ist es wahr, vielleicht auch nicht. Die warme Sonne des späten Septembertages,<br />
die offene Tür, die gute Luft, das ist schon besser als es war, und wir haben noch viel zu<br />
fahren. Frau Lang wendet sich an unseren Wächter: “Herr Fanica, dürfte ich aussteigen,<br />
weil ich dringend hinunter muß? Er schüttelt, blöde lächelnd, seinen Bauernkopf. Dazu<br />
ist er ja nicht berechtigt, der Unteroffizier könnte kommen. Nochmals Herr Fanica und<br />
nochmals Herr Fanica. Er bleibt gemütlich, ohne böse zu werden, bei seiner Anwort. Es<br />
wird Abend. Der Unteroffizier erscheint, läßt die Türen schließen. Er ist nicht böse, denn<br />
er hat inzwischen wieder Geld bekommen. Fanica geht auf seinen Posten. Nach einiger<br />
Zeit fahren wir wieder, nur einige Stunden, dann durchfahren wir anscheinend einen<br />
großen Bahnhof und halten auf einem abgelegenen Geleise. Wir sind nahe der Brücke,<br />
erfahren wir durch unsere Gendarmen. Wir rüsten zum Schlafen, legen unsere Decken<br />
aus, ordnen uns in der Reihenfolge des ersten Tages, Mantel und Jacke unter dem Kopf,<br />
Rucksäcke sind zu dick und schieben uns zu sehr zur Mitte, und dann kommen die Füße<br />
zur Nase des Nachbarn.<br />
Wir haben kaum einige Stunden geschlafen, da geht es los. Dumpfe Detonationen<br />
von explodierenden Bomben, Rattern von Maschinengewehren, Knallen von<br />
Flugzeugabwehrgeschützen. Auf unserem oder dem benachbarten Waggondach ist ein<br />
Maschinengewehr postiert, das Rattern ist ohrenbetäubend. Wir öffnen die Luken, kein<br />
Gendarm schlägt sie uns wieder zu. Wir stellen uns auf unsere Rucksäcke und blicken<br />
abwechselnd hinaus. In der stockfinsteren Nacht blitzt es da und dort, selten sieht man<br />
einen leuchtenden Rauchschwaden. Dann wird es plötzlich taghell, eigenartig, farbig hell.<br />
eine Rakete entzündet sich, verbreitert sich quallenförmig und beleuchtet ein weites<br />
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