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Ein Arzt im Lager

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und wir richten uns nach dem Vorhandenen, was wir eben bekommen können. Gibt es ein<br />

Pud Maismehl, dann eben Maisbrei, bis es aufgegessen ist. Die Sorten, die wir<br />

hineingeschmuggelt bekommen, sind nicht gerade die besten. Das Mehl ist jung, wie wir<br />

sagen, und nicht haltbar. Es ist feucht und wird <strong>im</strong> Innern heiß, so heiß, daß man die<br />

Hand nicht in den Sack hineinlegen kann. Gleichzeitig bekommt es auch einen Geruch,<br />

einen merkwürdigen Geruch nach Sch<strong>im</strong>mel, <strong>im</strong> Mund schmeckt es wie Naphtalin. Man<br />

muß es rasch verbrauchen, daher Tag für Tag kochen. Mit den Kartoffeln ist es auch<br />

schwer. Sind sie klein, dann fällt be<strong>im</strong> Schälen zu viel weg. Kocht man sie aber in der<br />

Schale, dann haben sie nicht den Geschmack nach Salz, sondern nach Erde, und das<br />

Wasser, die gute Suppe, ist nicht zu gebrauchen. Es gibt überhaupt unendlich viele Sorten<br />

von Kartoffeln, weiße, rote und gelbe, alle Größen und Formen, glatte und mit tiefen<br />

Augen, die schwer auszuschneiden sind, solche, die <strong>im</strong> Kochen ganz bleiben und solche,<br />

die gleich zerfallen, sodaß man kaum noch Wasser und Kartoffeln auseinanderbekommen<br />

kann. Schwere Probleme entstehen für unsere Küche. Aufleger steht beobachtend und<br />

wartet auf den richtigen Augenblick für das Abseihen. Turri verschwindet zu Ray und<br />

erscheint zu rechten Zeit mit kindlicher Unschuldsmiene. Moritzs Vorstellungen, daß er<br />

das Feuer inzwischen anblasen mußte, daß zu wenig Wasser <strong>im</strong> Topf war, und daß er<br />

überhaupt ein Trottel sei, rühren ihn nicht. Roll, der gute, steht mit seinem rundem<br />

Rücken, leckt am Löffel, steckt den Löffel in den Topf, kostet wieder und leckt nach, so<br />

lange, bis eben die Kartoffeln oder die Bohnen gar sind. Die Nasenspitze sinkt bis in die<br />

Mundhöhe, der Rücken wird <strong>im</strong>mer runder, der Bauch balanciert das Gleichgewicht aus.<br />

Er denkt an einen <strong>Ein</strong>kauf, an ein Geschäft, er leckt seine Lippen mit Andacht. Er hat<br />

einen Sohn, einen prächtigen, großen Sohn <strong>im</strong> Gymnasium. Für ihn will er leben. Wenn<br />

wir unsere Hauptmahlzeit einnehmen, die vollen Teller, Schüsseln, Töpfe, jeder hat ein<br />

anderes Eßgeschirr, schmatzend leeren, Aufleger und Turri ihre Blusen und Hemd<br />

ablegen, um freier essen zu können, und ihre Hosenknöpfe lockern, dann beneiden uns<br />

die anderen. Sie sind aber zu unsozial, um zu einer ähnlichen <strong>Ein</strong>igung zu kommen. Dann<br />

is Harry zu reich, erhält zu viel von zu Hause, um mittun zu können. Man kann auch<br />

nicht Karmelin, das Pferd, und den roten Essenfeld unter eine Haut bringen, Eppstein,<br />

den aufgeregten, anschließen und mit den übrigen eine Gruppe bilden. Sie versuchen es<br />

vergebens. Ihr Brot wird <strong>im</strong>mer so aufgeteilt, daß einer es in gleiche Teile zerlegt, diese<br />

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