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Ein Arzt im Lager

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Brille. Er stammt aus der Schuhbranche, und diese beherrscht er. Als junger Mensch<br />

schon hat er eine große Leder- und Schuhfabrik vertreten, kennt den Groß- und<br />

Kleinhandel. Er weiß, wie man mit Kunden umgeht. Wenn eine Frau unbedingt diese<br />

Schuhe verlangt hat, ganz dieselben in Form und Größe, aber in schwarz und nicht in<br />

braun, dann heißt er sie warten, bis das Paar eigens für sie aus dem Magazin gebracht<br />

wird. Im Nebenraum wäscht er die braunen Schuhe mit Spiritus, mit einfachem<br />

Brennspiritus, beschmiert sie rasch mit guter schwarzer Tinte, darüber schwarze<br />

Schusterfarbe und Schuhcreme, abgebürstet, mit weichem Lappen geglänzt, eine andere<br />

Schachtel, und die Kundschaft ist zur Zufriedenheit bedient. Er weiß, was eine<br />

Godiannaht ist und ein Rahmenschuh, wieviele Paar Schuhe man mit einem Fuß Leder<br />

besohlen kann, wenn man die Sohlen ganz ausschneidet, und wieviel man gewinnt, wenn<br />

man den Hinterteil oder den Absatz falsch anstückelt. Als er zuletzt <strong>im</strong> Ausland war, da<br />

hat er bei Bata eingekauft. Das war sehr lohnend. Die Galoschen kamen auf 1/10 des<br />

Ortspreises. Mit Schiff von Pressburg auf der Donau verfrachtet, verbilligte sich der<br />

Transport bedeutend. Die Zollbehörde in Giurgiu hat weniger Umsatz und ist leichter zu<br />

bestechen als die am normalen Zugsübertrittsort in Grigore Ghica Voda. So kamen ihn<br />

die Galoschen so billig zu stehen, daß er sie en gros abgab und sich garnicht mit dem<br />

Detailhandel weiter abgeben wollte. Man wird, wenn viel und leicht an der Ware zu<br />

verdienen ist, großzügig. Bei dieser Gelegenheit sah er aber in der Tschechoslowakei in<br />

einem kleinen Gebirgsort billige Brillen, gewöhnliche Lesebrillen für ältere Menschen,<br />

Gläser und Metallbügel und solche mit Metallrand, je nach dem Geschmack. Sie waren<br />

ganz besonders billig, ein ganzes Dutzend kam auf ein paar Lei. Man sagte ihm dort, daß<br />

es verschiedene Stärken gäbe, 4 Stärken, das hat mit Dioptrien zu tun. Aber das ist ja<br />

nicht sein Fach. Sehr billig war die Ware und klein, 12 Dutzend sortiert ein kleines<br />

Päckchen, kleiner als ein Paar Galoschen. So kaufte er eine ganze Kiste und nahm sie mit<br />

dem Galoschentransport mit. Er hat einen guten Blick. Man riß sie ihm aus den Händen,<br />

und er hat ganz schön dabei verdient. Es ist klar, daß er denen, die Moritz “die schwarze<br />

Hand” nennt, nicht gefiel. Er war uns gegenüber treu und anständig, nie darauf hinaus,<br />

auf unsere Kosten zu profitieren. Seine Fähigkeiten mußten ausgenutzt werden. Er muß<br />

mit der Kohlengruppe hinauskommen, womöglich als Abteilungsführer. Monate lang<br />

waren wir von zu Hause fort, ohne Nachricht, und da wir legal unser Geld eingewechselt<br />

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